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Asymptomatische Arrhythmien bei der Deviceabfrage
Jatros
Autor:
Dr. Dagmar Burkart-Küttner
Oberärztin der 2. Medizinischen Abteilung Leiterin der Schrittmacher- und AICD-Ambulanz Hanusch-Krankenhaus Wien<br> E-Mail: dagmar.burkart-kuettner@wgkk.at
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08.09.2016
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<p class="article-intro">In Europa werden jährlich über 250.000 kardiale implantierbare elektrische Devices (CIED) implantiert: Dazu zählen implantierbare Looprecorder (ILR), Herzschrittmacher (PM) inklusive kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) und Defibrillatoren (ICD). Diese Geräte verfügen heute über sehr präzise diagnostische Langzeitspeicher mit hoher Sensitivität und Spezifität zur Arrhythmieerkennung. Mittels CIED können auch asymptomatische Arrhythmien erfasst und identifiziert werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Implantierbare kardiale Devices verfügen über einen präzisen Arrhythmiespeicher. Damit können auch asymptomatische Arrhythmien detektiert werden.</li> <li>Remote-Monitoring ermöglicht eine raschere Arrhythmieerkennung, notwendige weiterführende Diagnostik und Therapie (wie z.B. Antikoagulation) können dadurch frühzeitig etabliert werden.</li> <li>Ein Minimum-AF-Burden, ab dem unbedingt antikoaguliert werden sollte, ist bisher nicht definiert.</li> <li>Je länger die VH-Flimmerepisoden und/oder je höher der CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score, ­desto höher das Insult-Risiko.</li> <li>Die Notwendigkeit einer (D)OAK ergibt sich hauptsächlich aus den Risikofaktoren für einen Insult (CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc) und weniger aus der Häufigkeit der AF-Episoden.</li> </ul> </div> <p>Sind diese CIED mit einer telemedizinischen Überwachung gekoppelt, kann noch schneller auf Arrhythmien reagiert und therapiert werden. Wünschenswert wäre eine flächendeckende telemedizinische Überwachung. Immerhin ist dies 2013 in den „ESC Guidelines on cardiac pacing“ mit einer „Klasse IIa, Level of Evidence A“-Indikation und 2015 im „HRS Expert Consensus Statement on Remote Monitoring“ sogar mit einer „Klasse I, Level of Evidence A“-Indikation empfohlen. Vor der endgültigen Diagno­sestellung einer Arrhythmie im CIED ist ein kritischer Kontrollblick in die intrakar­dialen Elektrogramme (IEGM) von einer/einem erfahrenen Nach­sorge­spezialistin/-spezialisten un­er­lässlich. Etwaige Fehlinterpretationen bedingt durch Oversensing, Undersensing, Farfield, Rauschen, Crosstalk etc. müssen ausgeschlossen werden. Für das Management der asymptomatischen Arrhythmien gibt es keine formale internationale Richtlinie. Mögliche Therapieoptionen sollen in diesem Artikel diskutiert werden.<br /> Bradykarde Rhythmusstörungen finden sich hauptsächlich bei implantierbaren Looprecordern, Vorhofflimmern und Tachykardien sowohl in implantierbaren Looprecordern als auch Herzschrittmachern und Defibrillatoren.</p> <h2>Asymptomatische Bradykardien</h2> <p>Zur Beurteilung asymptomatischer Bradykardien empfiehlt es sich, den Grund der Deviceimplantation zu kennen. Eine asymptomatische Sinusbradykardie in einem Looprecorder bei einem Patienten nach kryptogenem Schlaganfall wird man sicherlich anders bewerten als einen asymptomatischen höhergradigen AV-Block im Rahmen einer Synkopenabklärung. Die „2013 ESC-Guidelines on cardiac pacing“ geben uns einen klaren Pfad hinsichtlich Schrittmacherindikation vor.<br /> <br /> Ein asymptomatischer AV-Block 2. Grades, Typ Mobitz, und ein AV-Block 3. Grades sind nach Ausschluss etwaiger reversibler Ursachen eine klare Herzschrittmacherindikation, ein asymptomatischer Sinusknotenarrest nur nach Synkope und Pausen über 6 Sekunden (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite42.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>„Atrial high-rate episodes“ bzw. Vorhofflimmerepisoden</h2> <p>„Atrial high-rate episodes“ (AHRE) bzw. Vorhofflimmerepisoden finden sich in bis zu 50 % im Devicespeicher von unselektionierten Patienten. Bei ca. 30 % der Patienten ohne Vorhofflimmeranamnese wird dadurch ein Vorhofflimmern neu entdeckt. Es ist bekannt, dass Vorhofflimmern mit einem 5-fach erhöhten Schlaganfallrisiko und einem 2-fach erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden ist. 15–25 % aller Schlaganfälle entstehen aufgrund von Vorhofflimmern. Eine OAK kann das Schlaganfallrisiko um 60–70 % senken. Die Inzidenz asymptomatischer Vorhofflimmerepisoden ist hoch.<br /> <br /> So empfehlen die ESC-Guidelines, Patienten mit Vorhofflimmern ab einem CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score von 2 zu antikoagulieren, egal ob es sich um paroxysmales, persistierendes oder permanentes Vorhofflimmern handelt (Tab. 2, 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite43_1.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite43_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Ob diese Empfehlungen zur OAK auch für sehr kurze, asymptomatische Vorhofflimmerepisoden bzw. asymptomatische AHRE im CIED-Speicher umzusetzen sind, ist seit Jahren Gegenstand vieler CIED-Studien. Bei der Deviceabfrage wird immer ein sogenannter „AT/AF-Burden“ angezeigt, der den Prozentsatz der Zeit im Vorhofflimmern in einer bestimmten monitierten Zeit darstellt. Oft stellt sich die Frage, ab welchem AT/AF-Burden man antikoagulieren soll.<br /> Capucci et al zeigten 2005 bei 725 DDDRP-Schrittmacher-Patienten mit Brady-Tachy-Syndrom, dass über 70 % der Patienten ein Vorhofflimmern über 5 Minuten und 14 Patienten (1,9 % ) ein embolisches Event hatten. Dauerte das Vorhofflimmern über 24 Stunden, war das Insultrisiko auf das 3,1-Fache erhöht (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite44_1.jpg" alt="" width="779" height="559" /></p> <p>Botto GL et al publizierten 2009 eine Studie mit 568 DDD-Schrittmacher-Patienten: Die Kombination von AF-Burden und CHADS2 trennte die Studienpopulation in 2 Gruppen mit signifikant unterschiedlichem thromboembolischem Risiko: 3 von 351 Patienten (0,8 % ) gegenüber 11 von 217 Patienten (5 % ). D.h., Patienten mit entweder einem niedrigen CHADS2-Score oder einem geringen AF-Burden haben ein deutlich geringeres Embolierisiko als Patienten mit entweder einem hohen CHADS2-Score und z.B. keinem Vorhofflimmern oder mit niedrigem CHADS<sub>2</sub>-Score, aber einem hohen AF-Burden (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite44_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Auch in den CIED-Studien SOS-AF, ASSERT und TRENDS konnte gezeigt werden, dass mit der Zunahme des Vorhofflimmer-Burdens das Embolierisiko steigt. Bemerkenswert ist, dass 73 % der Stroke-Patienten im Monat vor dem Ereignis gar keine Vorhofflimmerarrhythmie im CIED-Speicher hatten.<br /> <br /> Turakhia MP et al stellten bei 9.850 DDD-Schrittmacher-Patienten mit 10-Jahres-Remote-Monitoring (2002–2012) fest, dass einerseits relativ wenige Schrittmacher-Patienten (187 Pat.) in dieser Zeit einen Insult erlitten hatten und dass davon 156 Patienten (83 % ) gar keinen positiven AF-Burden (in dieser Studie definiert als über 5,5 Stunden) hatten. Bei Patienten mit positivem AF-Burden war die Odds-Ratio für Insult mit 17,4 innerhalb der ersten 5 Tage nach dem Vorhofflimmer­ereignis am höchsten und sank nach 30 Tagen wieder auf ein „normales“ Insultrisiko. Daraus kann man schließen, dass Patienten mit einem Vorhofflimmern über mehrere Stunden vorübergehend ein sehr hohes Insultrisiko haben, das dann aber wieder abnimmt.<br /> <br /> Ob sich mit diesem Wissen und dem Einsatz der DOAK bei Vorhofflimmerepisoden bzw. AHRE im CIED etwas an unserer Behandlungsstrategie ändern sollte, werden uns hoffentlich CIED-Studien wie folgende beantworten: ARTESIA (Apixaban vs. ASS), NOAH-AFNET (Edoxaban vs. ASS or Placebo), TACTIC-AF, REACT.COM.</p> <h2>Nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardien</h2> <p>Nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardien (nsVT) sind definitionsgemäß ventrikuläre Runs zwischen 3 Schlägen und maximal 30 Sekunden mit einer Herzfrequenz über 100/min. Bei der Deviceabfrage finden sich häufig asymptomatische nsVT im Speicher (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite45_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Vor allem bei KHK-Patienten wird man in 30–80 % nsVT im Langzeitmonitoring detektieren. Umso wichtiger ist es, eine strukturelle Herzerkrankung auszuschließen oder gegebenenfalls diese adäquat zu behandeln. Neben einer ausführlichen Anamnese (inklusive Familien- und Medikamentenanamnese) sollten eine klinische Untersuchung, ein 12-Kanal-EKG, eine Labortestung und eine Echokardiografie Standard bei der Abklärung von nsVT sein. Im Verdachtsfall ist die Durchführung einer Ergometrie, einer CT der Koronarien oder einer Herzkatheteruntersuchung sinnvoll. Bei Verdacht auf Narben oder eine genetische Erkrankung empfiehlt sich eine MR-Tomografie des Herzens und eventuell eine genetische Testung (Tab. 5).<br /> Diagnostiziert man dabei eine eine strukturelle Herzerkrankung, so sollte diese entsprechend den Guidelines behandelt werden. Bei asymptomatischen nsVT ohne strukturelle Herzerkrankung bedarf es keiner weiteren Therapie, denn in keiner Studie konnte ein Mortalitätsvorteil in der Unterdrückung der nsVT mittels antiarrhythmischer Therapie oder Ablationstherapie gezeigt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite45_2.jpg" alt="" width="516" height="2005" /></p> <h2>Asymptomatische ventrikuläre Extrasystolen</h2> <p>Ähnlich ist es auch bei den asymptomatischen ventrikulären Extrasystolen (VES): Ohne strukturelle Herzerkrankung ist grundsätzlich keine Therapie notwendig und die Prognose gut. Nur bei >10.000 VES/24h sollten regelmäßig Echokardiografiekontrollen stattfinden, um rechtzeitig eine durch die VES bedingte Verschlechterung der Linksventrikelfunktion zu erkennen und einer drohenden Herzinsuffizienz rechtzeitig entgegenwirken zu können. Mit struktureller Herzerkrankung ist die optimale Therapie der Grunderkrankung (Revaskularisation bei Ischämie, Herzinsuffizienztherapie bei Herzinsuffizienz) essenziell, eine zusätzliche Unterdrückung der VES kann mit Betablockern und Antiarrhythmika versucht werden. Sollte damit keine Besserung eintreten, ist eine VES-Ablation in einem erfahrenen elektrophysiologischen Zentrum eine Option. Bei hohem VES-Burden bei ICD- und vor allem CRT-Patienten ist ein früher Therapieansatz mit Ausreizen der Betablockertherapie, Antiarrhythmika oder VES-Ablation sinnvoll, um eine weitere Verschlechterung der zumeist schon vorhandenen Herzinsuffizienz zu vermeiden.</p></p>
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<p>Weitere Literatur bei der Verfasserin</p>
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