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Aspirin in der Primärprävention – auch nicht für Diabetiker
Leading Opinions Digital
30
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27.08.2018
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<p class="article-intro">Zwei im Rahmen des ESC 2018 vorgestellte Studien beschäftigten sich mit Aspirin in der Primärprävention – und zeigen, dass einerseits ASS auf diesem Einsatzgebiet ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis hat und dass es andererseits sehr schwierig ist, große Präventionsstudien durchzuführen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Aspirin ist in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse gut etabliert und wird in internationalen Leitlinien empfohlen. Unklar ist die Datenlage bzw. das Nutzen-Risikoverhältnis in der Primärprävention in speziellen Risikogruppen.<sup>1</sup> Dies betrifft unter anderem Patienten mit Diabetes mellitus. Im Rahmen der in der Hotline 2 des ESC vorgestellten und zeitgleich prominent publizierten Studie ASCEND (A Study of Cardiovascular Events iN Diabetes) untersuchte nun eine britische Gruppe der Universität Oxford im Rahmen einer placebokontrollierten Studie mit mehr als 15.000 Patienten die Wirkung von täglich 100mg Aspirin auf die Inzidenz eines ersten kardiovaskulären Ereignisses sowie von Malignomen bei Patienten mit Diabetes.<sup>2</sup> <br /><br />Die Studie lieferte hinsichtlich des Krebs-Risikos keinerlei Ergebnisse oder auch nur Signale in Richtung einer protektiven Wirkung von ASS. Auch nach einzelnen Malignomen aufgeschlüsselt lagen Aspirin und Placebo exakt gleich auf.</p> <h2>Risikoreduktion um einen hohen Preis</h2> <p>Im Hinblick auf den primären kardiovaskulären Endpunkt (nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall oder transiente ischämische Attacke sowie kardiovaskulärer Tod) ist die Situation komplizierter. Hier konnte unter Aspirin im Vergleich zu Placebo eine signifikante Risikoreduktion erreicht werden – dies allerdings um den Preis eines nicht zu unterschätzenden Blutungsrisikos. <br /><br />Während des Beobachtungszeitraum von 7,4 Jahren trat bei 685 (8,5 % ) Teilnehmern der Aspirin-Gruppe und 743 (9,6 % ) Patienten der Placebo-Gruppe der primäre Endpunkt ein. Dies entspricht einer 12-prozentigen Risikoreduktion (95 % CI: 3-21 % , p=0,01). Allerdings kam es im gleichen Zeitraum bei 314 (4,1 % ) der Aspirin- und 245 (3,2 % ) der Placebo-Patienten zu einem schweren Blutungsereignis, was einer ebenfalls signifikanten Risikoerhöhung um 29 % (95 % CI: 9-52 % , p=0,003) entspricht. Vergleicht man Nutzen und Risiko, so bleibe die Bilanz zwar positiv, der Vorteil sei allerdings sehr gering, wie Prof. Dr. Jane Armitage vom Nuffield Department of Population Health der University of Oxford anlässlich der Präsentation der Daten ausführte. Eine Analyse nach Risikogruppen zeichnete exakt das gleich Bild. Zwar fiel bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko die Risikoreduktion noch deutlich aus, doch war in dieser Gruppe auch das Blutungsrisiko höher. In der Gruppe mit dem höchsten Risiko standen auf 5.000 Patientenjahre elf verhinderte kardiovaskuläre Ereignisse zehn zusätzlichen schweren Blutungen gegenüber. Armitage: „Es war uns nicht möglich, eine Patientengruppe zu identifizieren, bei der Nutzen klar den Schaden überwiegt.“</p> <h2>Große Studie mit erheblichen Problemen</h2> <p>Auch eine weitere Studie zu Aspirin in der Primärprävention gelangte zu einem negativen Ergebnis. Allerdings bleiben im Fall von ARRIVE (Aspirin to Reduce Risk of Initial Vascular Events) zahlreiche Fragen offen. Die Studie mit mehr als 12.000 Probanden mit moderat erhöhtem kardiovaskulärem Risiko fand über 60 Monate im Vergleich zu Placebo keine Risikoreduktion im Hinblick auf den primären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris, Schlaganfall und transiente ischämische Attacke. Deutlich und signifikant reduziert war in der per Protokoll-Analyse jedoch das Risiko eines nicht-tödlichen Myokardinfarkts mit Risikoreduktionen von 82,1 % in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen bzw. 54,3 % bei den 59- bis 69-Jährigen. <br /><br />Die Studie hatte allerdings mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. So war die Inzidenz des primären Endpunkts in der Gesamtpopulation überraschend niedrig und deutlich niedriger als aufgrund der Risikofaktoren der Patienten zu erwarten war. Tatsächlich lag die normalisierte Ereignisrate über zehn Jahre in beiden Gruppen unter neun Prozent. Man habe angesichts der Einschlusskriterien mit mehr als der doppelten Eventrate gerechnet, so Studienautor Prof. Dr. J. Michael Gaziano vom Brigham and Women's Hospital in Boston. Die Blutungsrate war im Asprin-Arm im Vergleich zum Placebo-Arm auf rund das Doppelte erhöht.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Armitage J et al.: ASCEND - A randomized trial of aspirin versus placebo for primary cardiovascular prevention in 15,480 people with diabetes. ESC 2018; Hotline Session 2: FP2315<br><br>
Gaziano JM et al.: ARRIVE - Aspirin to Reduce Risk of Initial Vascular Events. ESC 2018; Hotline Session 1: FP2017
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><sup><strong>1</strong></sup> Piepoli MF et al.: 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2016; 37: 2315–81. <br /><sup><strong>2</strong> </sup>ASCEND Study Collaborative Group. ASCEND: Characteristics of a randomized trial of aspirin and of omega-3 fatty acid supplementation in 15,480 people with diabetes. Am Heart J 2018; 198: 135–144.</p>
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