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Aktuelle Trends bei der koronaren Herzkrankheit

<p class="article-intro">Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die häufigste Manifestation einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (HKE) und für etwa die Hälfte aller Fälle von kardiovaskulärem Tod verantwortlich; sie ist mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität verbunden. Dabei könnten Morbidität und Mortalität durch adäquate Umsetzung der empfohlenen Präventionsmaßnahmen deutlich verringert werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist f&uuml;r etwa die H&auml;lfte aller kardiovaskul&auml;ren Todesf&auml;lle verantwortlich und geh&ouml;rt damit zu den h&auml;ufigsten Todesursachen.</li> <li>Schlaganf&auml;lle, Reinfarkte, Herzinsuffizienz und Blutungen stellen weitere wichtige Komplikationen der KHK dar und verursachen erhebliche Kosten.</li> <li>Nahezu 2,5-mal so viele M&auml;nner wie Frauen unter 65 Jahren sterben an KHK trotz vergleichbarer Sterblichkeit bei Betrachtung aller Altersgruppen.</li> <li>Speziell in den wohlhabenderen Regionen der Welt hat sich die altersangepasste KHK-Mortalit&auml;tsrate seit den 1980er-Jahren deutlich vermindert.</li> <li>Gr&uuml;nde daf&uuml;r sind die besseren Behandlungsm&ouml;glichkeiten akuter Manifestationen, inklusive der Sekund&auml;rpr&auml;vention durch Rehabilitation, und die Verminderung der Inzidenz durch Risikofaktorenmanagement.</li> </ul> </div> <p>Klinische Auspr&auml;gungen der KHK sind Angina pectoris, akutes Koronarsyndrom, Myokardinfarkt mit/ohne ST-Hebung (STEMI und NSTEMI) und die stumme Isch&auml;mie. Die Lebenszeitpr&auml;valenz wird mit 7 % der &uuml;ber 20-J&auml;hrigen in USStatistiken und mit 2 % der &uuml;ber 14-J&auml;hrigen in &Ouml;sterreich beziffert, ist bei M&auml;nnern und Menschen mit geringerer Bildung h&ouml;her und steigt mit dem Alter.<br /> Eine KHK verk&uuml;rzt die Lebenserwartung und schr&auml;nkt die Lebensqualit&auml;t erheblich ein. Im Vergleich zu STEMI haben NSTEMI eine bessere Kurzzeitprognose. Die Langzeitprognose ist allerdings bei NSTEMI gleich oder schlechter, weil deren Ursache &ouml;fter komplexe Dreigef&auml;&szlig;erkrankungen sind. Abgesehen von Todesf&auml;llen stellen Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Reinfarkte, Herzinsuffizienz und Blutungen wichtige Komplikationen dar. Letztendlich sind kardiovaskul&auml;re Erkrankungen teuer: In &Ouml;sterreich wurden 2008 rund 13 % der im &ouml;ffentlichen Gesundheitssystem get&auml;tigten Ausgaben (1,3 Mrd. Euro) f&uuml;r HKE aufgewendet, davon 64 % f&uuml;r isch&auml;mische Herzkrankheiten.</p> <h2>Definitionen</h2> <p>Unter dem Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden Gef&auml;&szlig;erkrankungen subsummiert, meist atherosklerotischer Genese, die alle K&ouml;rperregionen betreffen k&ouml;nnen: vor allem die Koronargef&auml;&szlig;e (ICD-10-Codes I20&ndash;I25), die Zerebralgef&auml;&szlig;e (cAVK, I60&ndash;I69), die Beinarterien (pAVK, I70&ndash;I78), aber auch arterielle Hypertonie (I10&ndash;I15), Herzinsuffizienz (I50) und andere seltenere Manifestationen.<br /> Unter koronarer Herzkrankheit (KHK) werden Angina pectoris (AP), akutes Koronarsyndrom (ACS), Myokardinfarkt (MCI) mit ST-Hebung (STEMI) oder ohne (NSTEMI) und die stumme Isch&auml;mie zusammengefasst.</p> <h2>Epidemiologische Datenquellen</h2> <p>Eine optimale Datenbasis existiert nicht. Informationen &uuml;ber Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t werden aus nationalen Befragungen, Diagnose- und Leistungsdokumentationen von Krankenanstalten, Krankheitsregistern, longitudinalen Beobachtungen von definierten Populationen (Framingham Heart Study, Sieben-L&auml;nder- Studie, MONICA Project der WHO etc.) und Todesursachenstatistiken generiert. Die so gewonnenen Daten werden von verschiedenen Organisationen (WHO, NIH, OECD, IHME etc.) &uuml;berregional zusammengefasst und publiziert.</p> <p>In &Ouml;sterreich k&ouml;nnen Aussagen auf Basis der &bdquo;&Ouml;sterreichischen Gesundheitsbefragung&ldquo; (ATHIS), anhand der Diagnosenund Leistungsdokumentation &ouml;sterreichischer Krankenanstalten (DLD) und auf Grundlage der &ouml;sterreichischen Todesursachenstatistik (TUS) gemacht werden. Diese Quellen werden jedoch f&uuml;r ein umfassendes Public-Health-Monitoring als nicht ausreichend angesehen.<sup>1</sup></p> <h2>Mortalit&auml;t</h2> <p>HKE sind in Europa und weltweit nach wie vor die h&auml;ufigste Todesursache. Laut Sch&auml;tzungen wurden 2013 weltweit 17,3 Mio. Todesf&auml;lle (das sind 31,5 % aller Todesf&auml;lle) durch HKE verursacht, doppelt so viele wie durch Krebs.<sup>2</sup> In der WHORegion Europa, die 53 Staaten umfasst, darunter Russland und zentralasiatische Staaten, waren laut rezenter Statistik 45 % aller Todesf&auml;lle durch HKE verursacht, 1,8 Mio. davon durch KHK (Tab. 1).<sup>3</sup><br /> In &Ouml;sterreich waren 2011 rund 43 % aller dokumentierten Todesf&auml;lle auf HKE zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, mit einer rund 1,6-fach h&ouml;heren Sterblichkeit von M&auml;nnern und einem deutlichen Ost-West-Gef&auml;lle.<sup>1</sup> Die Mortalit&auml;tsraten nehmen generell mit dem Alter zu, unterscheiden sich aber in verschiedenen L&auml;ndern wesentlich. So haben zum Beispiel 50- bis 54-j&auml;hrige M&auml;nner in Belarus, Russland und der Ukraine ein h&ouml;heres Risiko, an einer KHK zu sterben, als Franzosen der Altersgruppe 75&ndash;79 Jahre.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_ka1702-seite72_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="814" /></p> <p><strong>Gender</strong><br />Der gr&ouml;&szlig;te Geschlechtsunterschied besteht in der vorzeitigen Sterblichkeit infolge KHK. Fast 2,5-mal so viele M&auml;nner wie Frauen unter 65 Jahren sterben an KHK trotz vergleichbarer Sterblichkeit bei Betrachtung aller Altersgruppen (Tab. 1).</p> <p><strong>Mortalit&auml;tstrends</strong><br />Die Anzahl der kardiovaskul&auml;ren Todesf&auml;lle ist in den letzten 23 Jahren absolut gesehen um 41 % gestiegen, obwohl im selben Zeitraum die altersspezifische Todesrate um 39 % abgenommen hat. Dies ist laut Sch&auml;tzungen zu etwa 55 % auf die Alterung der Bev&ouml;lkerung zur&uuml;ckzuf&uuml;hren und zu etwa 25 % auf das Bev&ouml;lkerungswachstum, wobei der relative Anteil der Faktoren regional stark differiert.5 Lediglich in West- und Zentraleuropa, also auch in &Ouml;sterreich, ist die absolute Zahl der kardiovaskul&auml;ren Todesf&auml;lle gesunken, was darauf hinweist, dass hier die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bev&ouml;lkerung die demografischen Ver&auml;nderungen wettmachen konnte.</p> <p>W&auml;hrend weltweit etwa doppelt so viele Menschen an HKE sterben als an Krebs, war Frankreich das erste Land, in dem bereits 1988 weniger Menschen an HKE als an Krebs starben. Sp&auml;ter folgten Spanien (1999), die Niederlande (2004), Belgien (2006), Slowenien (2007), &bdquo;Israel &ndash; M&auml;nner&ldquo; und Portugal (2009), D&auml;nemark und Luxemburg (2010), England (2011), Italien und &bdquo;Israel &ndash; Frauen&ldquo; (2012), Norwegen (2013). In &Ouml;sterreich ist nach wie vor die Mortalit&auml;t infolge von HKE h&ouml;her.</p> <p>Der R&uuml;ckgang der Mortalit&auml;t wird einerseits durch geringere Sterblichkeit bei Akutevents infolge verbesserter Therapie erkl&auml;rt, zu der auch die Rehabilitation gez&auml;hlt wird, andererseits durch eine Senkung der Inzidenzrate infolge verbesserter Risikofaktorenkontrolle. Dabei spielen die Therapie der Hypercholesterin&auml;mie und der arteriellen Hypertonie eine Rolle, weiters Tabakgesetzgebung und Motivation zur k&ouml;rperlichen Aktivit&auml;t. Einen negativen Einfluss hat die zunehmende Pr&auml;valenz von &Uuml;bergewicht und Adipositas kombiniert mit jener von Pr&auml;diabetes und Diabetes.</p> <h2>Morbidit&auml;t</h2> <p><strong>Pr&auml;valenz und Inzidenz</strong><br /> Gem&auml;&szlig; dem &bdquo;Heart Disease and Stroke Statistics &ndash; 2012 Update&ldquo; der American Heart Association liegt die Pr&auml;valenz der KHK in den USA unter den &uuml;ber 20-J&auml;hrigen bei 7 % (8,3 % bei M&auml;nnern und 6,1 % bei Frauen), die Pr&auml;valenz von Myokardinfarkt unter den &uuml;ber 20-j&auml;hrigen USB&uuml;rgern bei 3,1 % (4,3 % bei M&auml;nnern, 2,2 % bei Frauen).<sup>6</sup> In Europa liegen Daten der &bdquo;European Social Survey 2014&ldquo; vor, in der 9,2 % aller Befragten angaben, in den letzten 12 Monaten Herz-Kreislauf-Probleme gehabt zu haben. &Ouml;sterreich liegt in dieser Befragung mit 10,4 % etwas &uuml;ber dem Durchschnitt, in Irland und Tschechien gaben weniger als 5 % aller Befragten Herz-Kreislauf-Probleme an.</p> <p>Sch&auml;tzungen, die auf den Framingham- Daten basieren, besagen, dass etwa die H&auml;lfte aller M&auml;nner und ein Drittel aller Frauen mittleren Alters in ihrem Leben eine Manifestation einer koronaren Herzkrankheit erleiden werden.<sup>7</sup></p> <p><strong>Prognose und Manifestation</strong><br />KHK und Myokardinfarkt verk&uuml;rzen die Lebenserwartung deutlich. Aus Daten der Original-Framingham-Kohorte hat man berechnet, dass 60-j&auml;hrige M&auml;nner und Frauen mit KHK eine um etwa 7 Jahre geringere Lebenserwartung als gesunde 60-J&auml;hrige haben. Ein akuter Myokardinfarkt kostet einem 60-j&auml;hrigen Mann 9 Jahre, einer gleichaltrigen Frau gar 13 Jahre ihrer Lebenserwartung. Der Geschlechtsunterschied ergibt sich vor allem aus der h&ouml;heren Lebenserwartung gesunder Frauen dieses Alters.<sup>8</sup></p> <h2>Myokardinfarkt</h2> <p><strong>Inzidenz</strong><br />Angaben &uuml;ber Inzidenzraten von Myokardinfarkten sind uneinheitlich und reichen von gleichbleibend bis abnehmend, wobei die fehlende Abnahme m&ouml;glicherweise der verfeinerten Diagnostik geschuldet ist.<sup>9, 10</sup></p> <p>In &Ouml;sterreich zeigt sich seit 2007 ein leichter Abw&auml;rtstrend (j&auml;hrlich durchschnittlich 2,6 % ) mit einer 2,5-fach h&ouml;heren Inzidenz bei M&auml;nnern.<sup>1</sup> Die Sterblichkeit hat hier im Zeitraum 2002&ndash;2011 j&auml;hrlich um durchschnittlich 5,1 % abgenommen.</p> <p><strong>Patientencharakteristika</strong><br />US-Daten zeigen, dass sich die Patientencharakteristika von Myokardinfarktpatienten im Zeitraum 1999&ndash;2008 insofern deutlich ver&auml;ndert haben, als das Alter und der Frauenanteil h&ouml;her, der Anteil der wei&szlig;en Bev&ouml;lkerung geringer, der Komorbidit&auml;tsanteil h&ouml;her und die Anzahl vorangegangener Revaskularisationen ebenfalls h&ouml;her ist. Der Anteil von STEMI an allen Myokardinfarkten ist zugunsten von NSTEMI gesunken.<sup>10</sup></p> <p><strong>Prognose</strong><br />STEMI haben eine h&ouml;here Kurzzeitmortalit&auml;t, NSTEMI eine schlechtere Langzeitprognose, mit einer hohen Rehospitalisierungsrate, insbesondere bei Frauen. Die Rate der 30-Tages-Mortalit&auml;t nach allen akuten Koronarsyndromen (ACS) inklusive instabiler AP liegt wahrscheinlich im 2- bis 3-Prozent-Bereich, bei STEMI zwischen 2,5 und 10 % . Komplikationen sind pl&ouml;tzlicher Herztod, akutes Herzversagen oder Schock, Reinfarkte oder Insulte. Etwa ein Viertel aller F&auml;lle von pl&ouml;tzlichem Herztod nach akuten Myokardinfarkten ereignen sich in den ersten 3 Monaten, circa die H&auml;lfte im ersten Jahr, das Risiko ist besonders hoch bei Patienten mit linksventrikul&auml;rer Auswurffraktion von unter 35 % .</p> <h2>Kosten</h2> <p>Die gesch&auml;tzten Kosten der Behandlungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden im EU-Durchschnitt &ndash; bei starken regionalen Unterschieden &ndash; mit 9 % der Gesundheitsausgaben beziffert.<sup>11</sup> Im Jahr 2008 lagen in &Ouml;sterreich die f&uuml;r den akutstation&auml;ren Bereich aufgewendeten Ausgaben bei 13 % der f&uuml;r das Gesundheitssystem get&auml;tigten Ausgaben.<sup>1</sup></p> <h2>Pr&auml;vention</h2> <p>Eine Guideline-konforme Umsetzung von Prim&auml;r-, Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;ventionsma&szlig;nahmen w&uuml;rde zur Verringerung von Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t f&uuml;hren. Die Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen werden jedoch ungen&uuml;gend ber&uuml;cksichtigt.<sup>12, 13</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bundesministerium f&uuml;r Gesundheit (Hg.): Herz-Kreislauf- Erkrankungen in &Ouml;sterreich. Wien: 2014 <strong>2</strong> WHO: Global status report on noncommunicable diseases 2014. Genf: WHO Press, 2014 <strong>3</strong> Townsend N et al: Eur Heart J 2016; 37(42): 3232-45 <strong>4</strong> Nichols M et al: Eur Heart J 2014; 35: 2950-9 <strong>5</strong> Roth GA et al: N Engl J Med 2015; 372: 1333-41 <strong>6</strong> Roger VL et al: Circulation 2012; 125: e2-e220 <strong>7</strong> Lloyd- Jones DM et al: Lancet 1999; 353: 89 <strong>8</strong> Peeters A et al: Eur Heart J 2002; 23: 458-66 <strong>9</strong> Roger VL et al: Circulation 2010; 121: 863-9 <strong>10</strong> Yeh RW et al: N Engl J Med 2010; 362: 2155-65 <strong>11</strong> Susanne L&oslash;gstrup, European Heart Network, and Sophie O&rsquo;Kelly, European Society of Cardiology (eds.): European Cardiovascular Disease Statistics 2012 edition. Brussels, Sophia Antipolis: 2012 <strong>12</strong> Kotseva K et al: Eur J Prev Cardiol 2016; 23: 636-48 <strong>13</strong> Piepoli MF et al: Eur Heart J 2016; 37(29): 2315-81</p> </div> </p>
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