
Radiotherapie des Mammakarzinoms: langes, kurzes und ultrakurzes Protokoll
Chefarzt Radioonkologie<br>Abteilung für Radioonkologie<br>St. Claraspital, Basel
Abteilung für Radioonkologie<br>St. Claraspital, Basel
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Abteilung für Onkologie<br>St. Claraspital, Basel
Abteilung für Gynäkologie<br>St. Claraspital, Basel
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Die hypofraktionierte Bestrahlung der Mamma nach brusterhaltender Operation mit 15–16 Fraktionen und Einzeldosen von 2,6 bis 2,7 Gy über 3 Wochen ist international akzeptierter Standard. Eine Boostbestrahlung kann bei Risikofaktoren appliziert werden. Ultrahypofraktionierte Bestrahlungen mit 5 Fraktionen über 1 Woche oder 5 Fraktionen in 5 Wochen sind isoeffektiv, aber mit einer erhöhten Rate an Nebenwirkungen verbunden. Längere Nachbeobachtungszeiten sind notwendig für eine abschliessende Beurteilung.
Von der Normofraktionierung zur moderaten Hypofraktionierung
Innerhalb der letzten 10–20 Jahre hat sich die Radiotherapie des Mammakarzinoms dramatisch gewandelt. Jahrzehntelanger Standard nach brusterhaltender Therapie (BET) war eine adjuvante Radiotherapie der gesamten Mamma mit 25 Fraktionen (2 Gy), gefolgt von einer Boostbestrahlung des Tumorbettes mit 5–8 Fraktionen bei vorhandenen Risikofaktoren. Das Ziel dieser stark fraktionierten Radiotherapie war, die therapeutische Breite zu vergrößern. Die Gesamtdauer dieser normofraktionierten Bestrahlung betrug 5–6,5 Wochen. Im Laufe der Zeit wurde die normofraktionierte Strahlentherapie zunehmend infrage gestellt. Dieser Wandel basierte auf der zunehmenden Erkenntnis, dass die intrinsische Strahlenempfindlichkeit von Brustkrebs eher vergleichbar mit Normalgeweben ist und somit eine stärkere Fraktionierungsempfindlichkeit als bisher angenommen aufwies.1,2 In der Folge wurden grosse klinische Studien zur moderaten Hypofraktionierung des Mammakarzinoms initiiert. In den START A und B Trials3,4 wurden 13 Fraktionen über 5 Wochen (39 oder 41,6 Gy) respektive 15 Fraktionen über 3 Wochen (40 Gy) mit einer normofraktionierten Radiotherapie über 5 Wochen (50 Gy) bei Patientinnen mit invasiven Mammakarzinomen (pT1-3 pN0–1 M0) verglichen. Eine Boostbestrahlung des Tumorbettes mit 5 Fraktionen konnte bei Risikofaktoren appliziert werden. Die 10-Jahres-Daten des START B Trials zeigten eine vergleichbare Lokalrezidivrate in der Hypo- und der Normofraktionierungsgruppe (4,3%, 95% CI: 3,2–5,9 versus 5,5%, 95% CI: 4,2–7,2; HR: 0,77, 95% CI: 0,51–1,16; p=0,21).5 Überraschenderweise war das 10-Jahres-Gesamtüberleben im Hypofraktionierungsarm signifikant länger als im normofraktionierten Arm (84,1% vs. 80,8%, HR: 0,8; 95% CI: 0,65–0,99; p=0,042). Die hypofraktionierte Behandlung resultierte in einer signifikant geringeren Rate an Brustverkleinerungen und -ödemen sowie Teleangiektasien. In einer kanadischen Studie konnten diese Daten mit einer ähnlichen Fraktionierung (25 x 2 Gy versus 16 x 2,66 Gy) bestätigt werden.6 Allerdings war keine Boostbestrahlung im Studienprotokoll vorgesehen. Bisher wurdenca. 7000 Patientinnen in prospektiv randomisierten Studien zur moderaten Hypofraktionierung rekrutiert. Eine 3-wöchige Bestrahlung der gesamten Brust nach BET bei Patientinnen mit einem invasiven Mammakarzinom weist im Vergleich zu einer 5-wöchigen Bestrahlung die gleiche Effektivität, aber ein günstigeres Toxizitätsprofil auf und wird aktuell als internationaler Standard definiert.7,8
Die nächste Generation: Ultrahypofraktionierung
Als logische Konsequenz aus den START Trials wurde der FAST Trial aufgelegt, um die Behandlungszeit noch weiter zu reduzieren.9 In dieser prospektiv randomisierten Studie wurden die Normalgewebstoxizität und die lokale Tumorkontrolle einer stark hypofraktionierten Radiotherapie mit 5x 6 Gy oder 5x5,7 Gy mit jeweils einer Fraktion pro Woche mit einer normofraktionierten Radiotherapie der gesamten Mamma verglichen. Die Gesamtbehandlungszeit betrug in allen 3 Therapiearmen 5 Wochen. Insgesamt wurden 915 Patientinnen (≥50 Jahre) mit frühen Mammakarzinomen (pT1–2 pN0) eingeschlossen. Primärer Endpunkt waren fotografisch dokumentierte Brustveränderungen nach 2 und 5 Jahren. Als sekundärer Endpunkt wurden eine medizinische Beurteilung der Normalgewebskomplikationen und die lokale Kontrolle definiert. In der aktuellen Publikation wurden vornehmlich die 5-Jahres-Daten analysiert. Zu diesem Zeitpunkt lagen nur von 71% der Patientinnen auswertbare Fotografien vor. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,9 Jahren zeigte sich eine niedrige Lokalrezidivrate von 1,3% im Gesamtkollektiv. Zwischen den beiden hypofraktionierten Armen und dem konventionell fraktionierten Arm zeigten sich vergleichbare lokale Kontrollraten (Tab. 1). Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass die Studie nicht genügend gepowert war, um Unterschiede in der lokalen Kontrollrate zu detektieren. Das relative Risiko für fotografisch feststellbare Brustveränderungen betrug 1,64 (95% CI: 1,08–2,49; p=0,019) für 30 Gy and 1,10 (95% CI: 0,70–1,71; p=0,686) für 28,5 Gy im Vergleich zu 50 Gy. Auch für diese Auswertung war die Studie nicht genügend gepowered. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die FAST-Daten mit Vorsicht interpretiert werden müssenund als Wegbereiter für den FAST Forward Trial zu sehensind. Die 2-Jahres-Daten des FASTTrials wurden verwendet, um die Nachfolgestudie (FAST Forward) zu designen.10
FAST Forward Trial: 5 Fraktionen in 1 Woche
Der wichtige Unterschied zum FAST Trial ist, dass eine ultrahypofraktionierte Radiotherapie mit 5 Fraktionen in 1 Woche mit einer moderat hypofraktionierten Bestrahlung mit 15 Fraktionen in 3 Wochen verglichen wurde. In dieser prospektiv randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie wurden insgesamt 4096 Patientinnen (≥18 Jahre) mit invasiven Mammakarzinomen (pT1–3 pN0–1 M0) mit 27 oder 28 Gy in 5 Fraktionen oder 40 Gy in 15 Fraktionen behandelt. Die lokale Kontrollrate wurde als primärer Endpunkt definiert. Normalgewebsveränderungen wurden anhand von Fotografien sowie von den Patientinnen und Ärzten beurteilt. Die 5-Jahres-Lokalrezidivraten zeigten keinen Unterschied (26 Gy: 1,4%, 27 Gy: 1,7%, 40 Gy: 2,3%). In der klinischen Beurteilung der Normalgewebskomplikationen resultierte die Behandlung mit 27 Gy im Vergleich zu 40 Gy in einer signifikant erhöhten Rate von moderaten und ausgeprägten Veränderungen (RR: 1,55; 95% CI: 1,32–1,83; p<0,0001). Nach Behandlungen mit 26 Gy zeigte sich im Vergleich zur Behandlung mit 40 Gy gesamthaft kein signifikant erhöhtes Risiko für Normalgewebsveränderungen (RR: 1,12; 95% CI: 0,94–1,34; p=0,20). In der Subgruppenanalyse zeigten sich jedoch signifikant erhöhte Risiken für ein Brust- oder Brustwandödem (RR: 1,47; 95% CI: 1,03–2,09; p=0,032) sowie für eine Brustinduration ausserhalb des Tumorbettes (RR: 1,9; 95% CI: 1,15–3,14; p=0,013). Zusammenfassend kann nach einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren festgehalten werden, dass eine moderat hypofraktionierte Brustbestrahlung mit 40 Gy in 15 Fraktionen (3 Wochen) isoeffektiv durch eine stark hypofraktionierte Bestrahlung mit 26 Gy in 5 Fraktionen (1 Woche) ersetzt werden kann. Auch mit einer längeren Nachbeobachtungszeit ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich ein statistisch signifikanter Unterschied in den lokalen Kontrollraten ergeben wird. Aufgrund der signifikant erhöhten Nebenwirkungsrate wird das 27-Gy-Schema keine Anwendung im klinischen Alltag finden. Allerdings war auch nach einer Bestrahlung mit 26 Gy die Komplikationsrate in Subgruppen signifikant erhöht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sowohl die Rate als auch die Schwere der späten Strahlenreaktion in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen werden. Daher sollte vor einer breiten Anwendung dieses ultrahypofraktionierten Schemas die Entwicklung der Normalgewebstoxiziät weiter kritisch beobachtet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der aktuelle Standard mit einer moderaten Hypofraktionierung nur unwesentlich länger dauert und bei sehr hoher Effektivität eine niedrige Toxizität aufweist. In Behandlungssituationen, in denen eine erhöhte Komplikationswahrscheinlichkeit als Preis für eine weitere Verkürzung der Radiotherapie akzeptiert werden kann, eröffnet sich nach gemeinsamer Entscheidungsfindung und Aufklärung mit der Ultrahypofraktionierung eine weitere Behandlungsoption.
Korrespondenz
Prof. Dr. med. Wolfgang Harms
E-Mail: wolfgang.harms@claraspital.ch
Literatur:
1 Cohen L: Radiotherapy in breast cancer I. The dose-time relationship theoretical considerations. Br J Radiol 1952; 25: 636-42 2 Yarnold J et al.: Hypofractionated whole-breast radiotherapy for women with early breast cancer: Myths and realities. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2011; 79: 1-9 3 START Trialists‘Group et al.: The UK Standardisation of Breast Radiotherapy (START) Trial A of radiotherapy hypofractionation for treatment of early breast cancer: a randomised trial. Lancet Oncol 2008; 9: 331-41 4 START Trialists‘ Group et al.: The UK Standardisation of Breast Radiotherapy (START) Trial B of radiotherapy hypofractionation for treatment of early breast cancer: a randomised trial. Lancet 2008; 371: 1098-107 5 Haviland JS et al.: The UK Standardisation of Breast Radiotherapy (START) trials of radiotherapy hypofractionation for treatment of early breast cancer: 10-year follow-up results of two randomised controlled trials. Lancet Oncol 2013; 14: 1086-94 6 Whelan T et al.: Randomized trial of breast irradiation schedules after lumpectomy for women with lymph node-negative breast cancer. JNCI Journal of the National Cancer Institute 2002; 94: 1143-50 7 Wöckel A et al.: Interdisciplinary Screening, Diagnosis, Therapy and Follow-up of Breast Cancer. Guideline of the DGGG and the DKG (S3-Level, AWMF Registry Number 032/045OL, December 2017) - Part 2 with Recommendations for the Therapy of Primary, Recurrent and Advanced Breast Cancer. Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78: 1056-88 8 Smith BD et al.: Radiation therapy for the whole breast: Executive summary of an American Society for Radiation Oncology (ASTRO) evidence-based guideline. Pract Radiat Oncol 2018; 8: 145-52 9 Brunt AM et al.: Ten-year results of FAST: A randomized controlled trial of 5-fraction whole-breast radiotherapy for early breast cancer. J Clin Oncol 2020; 38(28): 3261-72 10 Brunt AM et al.: Hypofractionated breast radiotherapy for 1 week versus 3 weeks (FAST-Forward): 5-year efficacy and late normal tissue effects results from a multicentre, non-inferiority, randomized, phase 3 trial. Lancet 2020; 395(10237): 1613-26