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CML – quo vadis?

Ist die Therapie der CML noch eine Herausforderung?

<p class="article-intro">Dank der Vielfalt der Tyrosinkinaseinhibitoren, die mittlerweile für die Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) zur Verfügung stehen, können Therapieentscheidungen zunehmend individuell getroffen werden. Unter dem Motto „CML – quo vadis?“ fand am 24. Oktober in Wien ein Symposium der Firma Bristol-Myers Squibb statt, im Zuge dessen die Wahl der Therapiestrategie und das Management von Komorbiditäten diskutiert sowie die aktuellen ELN-Guidelines erörtert wurden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mit der Einf&uuml;hrung des ersten Tyrosinkinaseinhibitors (TKI) Imatinib im Jahr 2001 konnte die Therapie der CML revolutioniert werden: W&auml;hrend CML ehemals eine t&ouml;dlich verlaufende Erkrankung war, kann sie heute bei den meisten Patienten unter Kontrolle gehalten werden. Gegenw&auml;rtig stehen uns 5 TKI zur Verf&uuml;gung: Imatinib<sup>1</sup>, Dasatinib<sup>1</sup> und Nilotinib<sup>1</sup> f&uuml;r die Erst- und Zweitlinientherapie; Bosutinib<sup>1</sup> und Ponatinib<sup>1</sup> sind f&uuml;r die Zweitlinientherapie zugelassen.</p> <h2>ELN-Kriterien 2013</h2> <p>In Bezug auf den Paradigmenwechsel durch die Einf&uuml;hrung der ersten zielgerichteten Therapie bei CML konstatierte Univ.-Prof. DDr. Thomas Lion, St. Anna Forschungsinstitut, Wien: &bdquo;Das Sch&ouml;ne und Interessante an der CML ist unter anderem, dass viele Erkenntnisse, die wir anhand der CML gewinnen, auch f&uuml;r andere maligne Erkrankungen mit aktivierten Tyrosinkinasen herangezogen werden k&ouml;nnen.&ldquo;<br /> Der Tatsache, dass TKI der zweiten Generation zu einem rascheren und tieferen molekularen Ansprechen f&uuml;hren, haben auch die aktuellen ELN-Guidelines<sup>2</sup> Rechnung getragen: W&auml;hrend ehemals das Therapieansprechen nach Monat 6 entscheidend f&uuml;r Prognose und Indikation f&uuml;r einen Therapiewechsel gewertet worden ist, gilt nun bereits das Erreichen definierter BCR-ABL-Expressionswerte nach Monat 3 als richtungsweisend. Als optimales Ansprechen wird eine Reduktion der BCR-ABL-Transkripte &le;10 % (nach internationaler Skala &ndash; IS) und/oder eine PCyR (&bdquo;partial cytogenetic response&ldquo;) gewertet (Tab. 1). Inzwischen mehren sich die Daten, dass nicht nur der Abfall der BCR-ABL-Transkripte unter bestimmte Grenzwerte, sondern auch die Kinetik der BCR-ABL-Transkripte in den ersten Monaten f&uuml;r die Prognosebeurteilung entscheidend sein k&ouml;nnte.<br /> Bei Vergleich der Risikobeurteilung nach Monat 3 gem&auml;&szlig; den ELN-Kriterien mit einem dynamischen Parameter, einem definierten BCR-ABL-Transkript- abfall innerhalb dieses Zeitraums, ist die Hazard-Ratio (HR) bei Patienten, die aufgrund einer langsamen Transkriptkinetik in die Hochrisikogruppe fallen, deutlich h&ouml;her (HR: 5,6 vs. 2,4 f&uuml;r PFS). Die Autoren schlie&szlig;en daraus, dass sich die Kinetik des BCR-ABL-Transkriptabfalls m&ouml;glicherweise besser als pr&auml;diktiver Marker f&uuml;r die Identifikation von Risikogruppen eignen k&ouml;nnte als das Erreichen der vordefinierten Grenzwerte.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2014_Jatros_Onko_1406_Weblinks_Seite26.jpg" alt="" width="666" height="342" /></p> <h2>Stellenwert und Management von Komorbidit&auml;ten</h2> <p>Eine Herausforderung, mit der wir zunehmend konfrontiert sind, stellen das ansteigende Lebensalter der Patienten und die damit einhergehende Zunahme an Komorbidit&auml;ten dar. In diesem Kontext kommt der Wahl der Erstlinientherapie ein besonderer Stellenwert zu und dementsprechend anspruchsvoll gestaltet sich auch das Management von TKI-assoziierten Toxizit&auml;ten. Unter TKI-Therapie wird eine Reihe von nicht h&auml;matologischen Toxizit&auml;ten verzeichnet, die substanzspezifisch zu sein scheinen. So wird unter Imatinib<sup>1</sup> h&auml;ufig eine Fl&uuml;ssigkeitsretention beobachtet, bei Bosutinib<sup>1</sup> wurden Diarrh&ouml;en dokumentiert. Unter Ponatinib<sup>1</sup> wurden schwere arterielle und ven&ouml;se Thrombosen und thromboembolische Ereignisse beobachtet, weshalb eine Verabreichung an Patienten mit Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese nur unter sorgf&auml;ltiger Abw&auml;gung des Nutzen-Risiko-Verh&auml;ltnisses erfolgen sollte. Unter Dasatinib<sup>1</sup> wurden F&auml;lle einer pulmonalen arteriellen Hypertonie sowie Pleuraerg&uuml;sse dokumentiert.<sup>1</sup><br /> F&uuml;r Nilotinib<sup>1</sup> konnte gezeigt werden, dass die Substanz multiple Effekte auf die vaskul&auml;ren Endothelzellen aus&uuml;bt, was zur Erkl&auml;rung der unter Nilotinib<sup>1</sup> verzeichneten Vaskulopathien und PAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) beitragen k&ouml;nnte.<sup>4</sup><br /> Das Risiko f&uuml;r das Auftreten der unter Nilotinib<sup>1</sup> beobachteten F&auml;lle einer PAVK kann mittels Anwendung des ABI (&bdquo;ancle brachial index&ldquo;) zur Untersuchung auf das Vorliegen einer Atherosklerose vor Therapiebeginn minimiert werden: An der Charit&eacute; Berlin wurde ein provisorischer Algorithmus f&uuml;r Pr&auml;vention und Management von kardiovaskul&auml;ren Ereignissen entwickelt, anhand dessen das Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re (CV) Erkrankungen5 mittels ABI-Berechnung (Normwert: 0,9&ndash;1,3) und unter Miteinbeziehen des Risikoscores der ESC5 bestimmt wird. &bdquo;Jene Patienten, die einen sehr hohen Score von &gt;15 aufweisen, stellen ein Patientenkollektiv dar, bei dem wir eine Nilotinib<sup>1</sup>-Erstlinientherapie sehr sorgf&auml;ltig abw&auml;gen&ldquo;, erl&auml;uterte Priv.-Doz. Dr. Philipp Le Coutre, Charit&eacute; &ndash; Universit&auml;tsmedizin Berlin.<br /> Bei Auftreten eines CV-Ereignisses wird je nach Schweregrad und dem Vorliegen einer MR4.5 evaluiert, den TKI vor&uuml;bergehend (in Form einer Therapiepause) abzusetzen, auf einen anderen TKI zu wechseln oder eine (vor&uuml;bergehende) Dosisreduktion vorzunehmen.<br /> &bdquo;Seitdem wir den von uns an der Charit&eacute; Berlin entwickelten Algorithmus zur Evaluierung des Risikos f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse mittels ABI und des ESC-Risikoscores anwenden, haben wir in unserer Klinik keine neuen gef&auml;&szlig;okklusiven Ereignisse mehr beobachtet&ldquo;, berichtete Le Coutre.</p> <h2>CML &ndash; one strategy fits all?</h2> <p>In seinem Vortrag zur Auswahl der richtigen Substanz f&uuml;r den individuellen Patienten betonte Ass.-Prof. Dr. Gianantonio Rosti, Universit&auml;tsklinik Bologna, dass angesichts der Selektionsm&ouml;glichkeit ein neues Paradigma entstanden ist, und brachte diese &bdquo;key message&ldquo; folgenderma&szlig;en auf den Punkt: &bdquo;In former times, we have treated the disease, now we are treating the patient. When we have to make the treatment decision, we have to consider the patient with CML, before we have considered CML only.&ldquo;<br /> Rosti warf die Frage auf, ob ein und derselbe Endpunkt f&uuml;r alle Patienten zutrifft: Er stellte eine 34-j&auml;hrige Patientin ohne Komorbidit&auml;ten mit einem intermedi&auml;ren Risiko nach Sokal einem 74-j&auml;hrigen Patienten mit einem niedrigen Risiko nach Sokal und diversen Komorbidit&auml;ten gegen&uuml;ber. Unter Ber&uuml;cksichtigung von Alter und Komorbidit&auml;ten haben diese Patienten gem&auml;&szlig; Sokal-Score nicht die gleichen evolution&auml;ren Outcomes. Generell insistierte Rosti auf ein sorgf&auml;ltiges Durchf&uuml;hren des Scorings vor Therapiebeginn, da bei Hochrisikopatienten definitiv ein &bdquo;warning&ldquo; bez&uuml;glich der Prognose ausgesprochen werden m&uuml;sse und es bei diesen Patienten besonders wichtig sei, eine rasche Response zu erzielen. Dieses tiefe und rasche Ansprechen konnte bereits anhand der 4-Jahres-Daten der Studie DASISION6 und der Follow-up-Daten zu ENESTnd<sup>7</sup> mit der Gabe von Dasatinib1 bzw. Nilotinib1 gezeigt werden. &bdquo;Und ich bin sicher, dass die 5-Jahres-Daten aus DASISION, die heuer am ASH-Kongress pr&auml;sentiert werden, dieses Bild erneut best&auml;tigen werden&ldquo;, &auml;u&szlig;erte sich Rosti optimistisch.</p> <h2>Therapiepausen &ndash; eine gangbare Option?</h2> <p>In der franz&ouml;sischen Studie STIM<sup>8</sup> wurde erstmalig das Absetzen von Imatinib1 an 100 Patienten, bei denen mindestens f&uuml;r 2 Jahre eine MR4.5 nachgewiesen werden konnte, untersucht. 61 Patienten entwickelten ein molekulares Rezidiv, davon wurde bei 58 Patienten der Relaps innerhalb von 7 Monaten nach Therapiestopp festgestellt, die &uuml;brigen 3 Rezidive traten in den Monaten 19, 20 und 22 auf. In dem am ASH-Kongress 2013 pr&auml;sentierten Follow-up von 50 Monaten wurde best&auml;tigt, dass 38 Patienten nach wie vor keine Therapie ben&ouml;tigen (&bdquo;treatment free remission&ldquo;).<sup>9</sup><br /> Diese Rate von ca. 40 % CML-Patienten, die behandlungsfrei bleiben, wurde durch die k&uuml;rzlich durchgef&uuml;hrte australisch-asiatische TWISTER-Studie best&auml;tigt.<sup>10</sup> Was spricht f&uuml;r das Absetzen einer Therapie nach Aufrechterhaltung einer tiefen molekularen Remission? Positiv ist in diesem Kontext auf alle F&auml;lle zu erw&auml;hnen, dass bei allen Patienten in der STIM-Studie, die ein Rezidiv entwickelt hatten, erneut eine Sensitivit&auml;t bei Reexposition gegen&uuml;ber einem TKI nachgewiesen wurde. Auf kosten&ouml;konomischer Ebene lie&szlig;en sich, so die Autoren der Studie, durch den Therapiestopp insgesamt ca. 5,5 Millionen Euro sparen, und nicht zuletzt hat das Absetzen einer medikament&ouml;sen Therapie durch das Wegfallen der Nebenwirkungen auch positive Effekte auf die Lebensqualit&auml;t der Patienten.Als kritisch merkte Prof. Le Coutre in seinem Vortrag &bdquo;Therapiefreie Remission: Pro und Contra&ldquo; an: &bdquo;Hinsichtlich der Durchf&uuml;hrung eines Therapiestopps stellt sich f&uuml;r mich die Frage, ob ich eine nachweislich effektive Therapie angesichts der Tatsache, dass ca. 60 % ein molekulares Rezidiv entwickeln, unterbrechen soll.&ldquo; Beim Patienten wird durch diese Option das Arzt-Patienten-Verh&auml;ltnis auf eine harte Probe gestellt. Einerseits wird die Hoffnung auf Heilung ohne Therapie geweckt, andererseits kann keine Vorhersage getroffen werden, wie der Patient reagieren wird, wenn tats&auml;chlich ein Rezidiv auftritt. Die gegenw&auml;rtige Datenlage zur &bdquo;treatment free remission&ldquo; liefert keine ausreichende Evidenz, die eine eindeutige Bef&uuml;rwortung der Strategie erlauben w&uuml;rde. Demnach sollte diese Option derzeit ausschlie&szlig;lich im Rahmen von klinischen Studien zur Anwendung kommen.<br /> Zurzeit laufen verschiedene Studien zu Imatinib1 und den TKI der zweiten Generation, in denen dieses Prinzip evaluiert wird. F&uuml;r Dasatinib1 wurde die Studie DASFREE (NCT01850004) konzipiert, in die Patienten mit einer Gesamttherapiedauer von mindestens 2 Jahren und einer stabilen MR4.5 unter Dasatinib1 f&uuml;r mindestens 12 Monate eingeschlossen werden k&ouml;nnen. OA Dr. Thamer Sliwa, Hanusch-Krankenhaus, Wien, berichtete &uuml;ber drei Patientenf&auml;lle, in denen Dasatinib1 erfolgreich zur Anwendung gekommen ist (Fallbeispiel: siehe Kasten).</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Symposium der Firma Bristol-Myers Squibb „CML – quo vadis? Ist die Therapie der CML noch eine Herausforderung?“, 24. Oktober 2014, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> http://www.emea.europa.eu. Fachinformation in der aktuellen Version<br /><strong>2</strong> Baccarani M et al: Blood 2013; 122: 872-884<br /><strong>3</strong> Hanfstein B et al: Leukemia 2014; 28: 1988-1992<br /><strong>4</strong> Hadzijusufovic E et al: ASH-Kongress 2013; Abstract #257<br /><strong>5</strong> Perk J et al: Eur Heart J 2012; 33(13): 1635-1701<br /><strong>6</strong> Cortes JE et al: ASH-Kongress 2013; Abstract #653<br /><strong>7</strong> Saglio G et al: ASH-Kongress 2013; Abstract #92 <br /><strong>8</strong> Mahon FX et al: Lancet Oncol 2010; 11: 1029-35<br /><strong>9</strong> Mahon FX et al: ASH-Kongress 2013; Abstract #255<br /><strong>10</strong> Ross DM et al: Blood 2013; 122: 515-22<br /><strong>11</strong> Cross N et al: Leukemia 2012; 26(10): 2172-2175</p> </div> </p>
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