Gegenwärtiger Stand der intravenösen Eisentherapie

<p class="article-intro">Eisenmangel ist weltweit die häufigste Mangelerkrankung. Eine orale Substitution kann diesen Mangel aber nicht immer ausgleichen. So ist eine intravenöse Eisentherapie u. a. bei bestimmten Magen-Darm- Problemen indiziert. Die Risiken von schweren Infusionskomplikationen konnten durch die Entwicklung neuer Präparate deutlich vermindert werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Intraven&ouml;ses Eisen ist indiziert bei andauerndem Blutverlust, anatomischen oder physiologischen Magen-Darm-Problemen, welche mit einer normalen Eisenaufnahme interferieren, Eisenrestriktion durch inad&auml;quat hohes Hepcidin, chronischer Herzinsuffizienz mit Eisenmangelan&auml;mie, chronischer Nierenerkrankung unter Erythropoetin-Behandlung und in der Schwangerschaft mit schwerer Eisenmangelan&auml;mie im 2. und 3. Trimester.</li> <li>Die intraven&ouml;se Eisensubstitution kann heute als effizient und sicher betrachtet werden und f&uuml;hrt zu einem pr&auml;diktiven Anstieg der Eisenreserven.</li> <li>In der Schweiz sind zwei, m&ouml;glicherweise bald drei Produkte verf&uuml;gbar: Eisensaccharose, Eisencarboxymaltose und Eisenisomaltosid, welches schon in mehreren europ&auml;ischen L&auml;ndern erh&auml;ltlich ist. Alle drei Eisenpr&auml;parate haben eine vergleichbare Wirksamkeit. Sie unterscheiden sich durch ihre Infusionsreaktionen und die applizierbare Tagesdosis.</li> </ul> </div> <p>Ein absoluter Eisenmangel ist definiert als Verminderung des K&ouml;rpereisens, w&auml;hrend die eisenmangelnde Erythropo ese ein Zustand ist, in welchem das Eisen nicht f&uuml;r die Bildung der Erythrozyten verf&uuml;gbar ist. Dies kann entweder bei fehlenden Eisenspeichern vorkommen, oder, wenn zwar ausreichend K&ouml;rpereisen vorhanden ist, das Eisen aber nicht f&uuml;r die H&auml;moglobinisierung der Erythrozyten verwendet werden kann (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1905_Weblinks_lo_onko_1905_s57_abb1_tichelli.png" alt="" width="620" height="460" /></p> <h2>Behandlung des Eisenmangels</h2> <p>Jeder Eisenmangel, sei es eine Eisenmangelan&auml;mie oder ein symptomatischer Eisenmangel ohne An&auml;mie, ist eine Indikation zur Eisensubstitution. Die orale Substitution gilt nach wie vor als Erstlinienbehandlung eines Eisenmangels. Sie ist bei unkompliziertem Eisenmangel wirksam, sicher, einfach und kostbillig. Neuere Daten zeigen, dass nach einer h&ouml;heren Eisendosis das Hepcidin gesteigert ist, weshalb die n&auml;chste Eisendosis weniger effizient resorbiert wird (s. &laquo;Pathophysiologische &Uuml;berlegungen&raquo;). Aus diesem Grund wird heute zunehmend empfohlen, eine orale Eisendosis jeden zweiten Tag anstatt t&auml;glich, gesplittet oder in Einzeldosis zu verabreichen. Diese Applikationsform wird nicht nur besser toleriert, sie ist, bei vergleichbarer Gesamtdosis, auch effizienter. Das Hauptproblem einer oralen Eisentherapie sind die schlechte Magenvertr&auml;glichkeit und die Notwendigkeit einer lang dauernden Behandlung, beides Faktoren, die h&auml;ufig zu einer ungen&uuml;genden Therapietreue f&uuml;hren. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die orale Eisenbehandlung ungeeignet. Die intraven&ouml;se Eisengabe ist dann eine effektive Alternative.<br /> &Uuml;ber Jahrzehnte wurde die intraven&ouml;se Eisenbehandlung wegen schwerer Infusionskomplikationen durch die hochmolekularen Dextran-Pr&auml;parate mit grosser Zur&uuml;ckhaltung eingesetzt. Die Entwicklung von neuen, viel sichereren Eisenformulierungen hat die Situation grunds&auml;tzlich ver&auml;ndert.</p> <h2>Pathophysiologische &Uuml;berlegungen</h2> <p>Hepcidin, ein von der Leber produziertes Peptidhormon, spielt eine Schl&uuml;sselrolle in der Regulierung des Eisenmetabolismus. Bei unkompliziertem Eisenmangel ist das Hepcidin niedrig und erlaubt die Freigabe des Eisens aus dem Darm, der Milz und der Leber via transmembrangebundenen Eisenexporter Ferroportin in das Plasma. Das Eisen kann somit zur Neubildung von Erythrozyten verwendet werden. Bei entz&uuml;ndlichem Prozess ist das Hepcidin gesteigert, bindet sich an Ferroportin und induziert dessen Degradierung. Das Eisen bleibt eingeschlossen in den Enterozyten, den Makrophagen der Milz und den Hepatozyten und Kupferzellen der Leber. Diese Eisenrestriktion verhindert die Verwendung des Eisens f&uuml;r die H&auml;moglobinisierung der Erythrozyten.<br /> F&uuml;r eine effektive orale Eisenbehandlung ist die Integrit&auml;t des Magens, Duodenums und des proximalen Ileums notwendig. Schon ein diskreter Hepcidin-Anstieg blockiert das Ferroportin der Enterozyten und somit den Export des Eisens ins Plasma. Intraven&ouml;ses Eisen wird rasch von den Makrophagen aufgenommen, welche das Eisen langsam in die Zirkulation freigeben. Deutlich h&ouml;here Werte von Hepcidin sind notwendig um Ferroportin und den Eisenexport aus den Makrophagen zu blockieren.</p> <h2>Indikationen f&uuml;r eine intraven&ouml;se Behandlung</h2> <p>Grossteils besteht die Indikation f&uuml;r eine intraven&ouml;se Eisentherapie, wenn die orale Eisentherapie unzureichend ist: andauernder, exzessiver Blutverlust (I), anatomische oder physiologische Magen-Darm-Probleme, welche mit einer normalen Eisenaufnahme interferieren (II), Eisenrestriktion durch inad&auml;quat hohes Hepcidin (III), chronische Herzinsuffizienz mit Eisenmangelan&auml;mie (IV), chronische Nierenerkrankung unter Erythropoetinbehandlung (V) und Schwangerschaft mit schwerer Eisenmangelan&auml;mie im zweiten und dritten Trimester (VI) (Tab. 1).<br /> Mehrheitlich sind exzessive Blutverluste Folge einer schweren gastrointestinalen oder Uterusblutung. Die seltene heredit&auml;re h&auml;morrhagische Teleangiektasie (Morbus Osler) ist der Prototyp eines anhaltenden Blutverlustes. Ist der Blutverlust gr&ouml;sser als eine orale Eisensubstitution kompensieren kann, kommt es trotz Eisensubstitution zur Eisenmangelan&auml;mie. Nach erfolgreicher intraven&ouml;ser Eisenbehandlung muss bei persistierendem Blutverlust die intraven&ouml;se Substitution in regelm&auml;ssigen Abst&auml;nden wiederholt werden, und dies bevor der Eisenmangel und die Eisenmangelan&auml;mie wieder auftreten.<br /> Die Integrit&auml;t der Magenschleimhaut mit Magens&auml;ureproduktion (Aufl&ouml;sung des Eisens) und des Duodenums/proximalen Jejunums (Resorption des Eisens) sind f&uuml;r eine effiziente Aufnahme des oralen Eisens notwendig. Z&ouml;liakie ist der Prototyp einer Erkrankung, bei welcher das orale Eisen wegen physiologischer St&ouml;rung des D&uuml;nndarms nicht aufgenommen werden kann. Bei bariatrischem Eingriff zur Bek&auml;mpfung von &Uuml;bergewicht wird wegen reduziertem Magen oder Magenbypass das Fe3<sup>+</sup> ungen&uuml;gend in Fe2<sup>+</sup> umgewandelt; das gesteigerte Fe3<sup>+</sup> im Duodenum kann von den Enterozyten nicht aufgenommen werden und f&uuml;hrt zur Magenunvertr&auml;glichkeit. Die Inzidenz des Eisenmangels nach chirurgischem Eingriff betr&auml;gt zwischen 20 und 47 %. H&auml;ufig ist eine intraven&ouml;se Eisensubstitution notwendig.<br /> Ein entz&uuml;ndlicher Prozess f&uuml;hrt zu einem inad&auml;quaten Anstieg von Hepcidin und blockiert somit die Freigabe des Eisens aus den Enterozyten, den Makrophagen in der Milz und den Hepatozyten und Kupferzellen in der Leber. Typischerweise findet sich diese Konstellation bei chronisch- entz&uuml;ndlicher Darmerkrankung. In aktiver Phase der Erkrankung f&uuml;hrt die intraven&ouml;se Eisensubstitution zu einem besseren H&auml;moglobinanstieg, h&ouml;herem Ferritinwert und besserer Lebensqualit&auml;t als die orale Behandlung. Ein Europ&auml;ischer Consensus empfiehlt bei aktiver chronisch-entz&uuml;ndlicher Darmerkrankung mit Eisenmangel und einem H&auml;moglobin &lt; 100 g/l als Erstlinientherapie intraven&ouml;ses Eisen in Betracht zu ziehen. Nach erfolgreicher intraven&ouml;ser Eisensubstitution muss eine Eisensubstitution reinitiiert werden, sobald das Ferritin oder das H&auml;moglobin wieder &lt; 100 &mu;g/l, respektive &lt; 100 g/l sinkt.<br /> Erythropoese-stimulierende Substanzen (ESS; Erythropoetin), wie sie zum Beispiel bei An&auml;mie im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz verwendet werden, f&uuml;hren wegen einem unmittelbar erh&ouml;hten Eisenbedarf und trotz vorhandenem Eisenspeicher zu einem funktionellen Eisenmangel. Dies hat eine ungen&uuml;gende Wirksamkeit der Behandlung mit ESS zur Folge. Intraven&ouml;se, aber nicht orale Eisensubstitution kann den funktionellen Eisenmangel umgehen und zu einer effektiven Behandlung der An&auml;mie mit ESS f&uuml;hren.<br /> Eine intraven&ouml;se Eisenbehandlung kann auch bei Eisenmangel von betagten Patienten in Betracht gezogen werden. Dies gilt insbesondere, wenn Komorbidit&auml;ten, Polypharmazie oder kognitive Beeintr&auml;chtigung vorliegen. Die h&auml;ufig unzuverl&auml;ssige Tabletteneinnahme und die zahlreichen Medikamente, welche t&auml;glich eingenommen werden m&uuml;ssen, f&uuml;hren oft zu schlechter Compliance und Medikationsfehlern. Zudem ist die orale Eisenbehandlung h&auml;ufig bei gleichzeitigem entz&uuml;ndlichem Prozess, Herzinsuffizienz und eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion mit erh&ouml;htem Hepcidin ineffektiv. Ferner ist bei Betagten mit Hypochrohydrie (mit oder ohne Protonenpumpenhemmer) die Aufnahme des Eisens durch den Magen-Darm-Trakt unvorhersagbar. Aus all diesen Gr&uuml;nden ist die intraven&ouml;se Eisenbehandlung bei Patienten im hohen Alter oft zuverl&auml;ssiger, einfacher und effektiver.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1905_Weblinks_lo_onko_1905_s57_tab1_tichelli.png" alt="" width="620" height="579" /></p> <h2>Intraven&ouml;se Eisenpr&auml;parate</h2> <p>Das Eisen kann nicht frei in L&ouml;sung infundiert werden, da schwerwiegende toxische Nebenwirkungen auftreten w&uuml;rden. Alle aktuellen intraven&ouml;sen Eisenpr&auml;parate sind von einem Eisenkern gebildet, welcher von einer Kohlenhydratschale umgeben ist, die vor direktem Kontakt mit dem toxischen Eisen sch&uuml;tzt. Eisen- Kohlenhydrat-Komplexe werden nach Infusion rasch von den Makrophagen aufgenommen und die Eisenatome des Kerns langsam via Ferroportin in die Zirkulation freigesetzt.<br /> Die verschiedenen intraven&ouml;sen Eisenpr&auml;parate unterscheiden sich durch ihre Kohlenhydratschale. Diese ist verantwortlich f&uuml;r die Immunogenit&auml;t (allergische Nebenwirkungen) und Stabilit&auml;t (Schutz vor freiem Eisen) der Substanz. In der Schweiz sind zwei, m&ouml;glicherweise bald drei Produkte verf&uuml;gbar: Eisensaccharose (Venofer&reg;), Eisencarboxymaltose (Ferinject &reg;) und Eisenisomaltosid (Monofer&reg;), welches schon in mehreren europ&auml;ischen L&auml;ndern erh&auml;ltlich ist. Alle drei Eisenpr&auml;parate haben eine vergleichbare Wirksamkeit, unterscheiden sich aber durch ihre Infusionsreaktionen und die applizierbare Tagesdosis (Tab. 2). Je stabiler die Substanz, desto gr&ouml;sser die m&ouml;gliche maximale Tagesdosis.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1905_Weblinks_lo_onko_1905_s58_tab2_tichelli.png" alt="" width="800" height="267" /></p> <p><strong>M&ouml;gliche Komplikationen</strong> <br />Schwere anaphylaktische Reaktionen nach intraven&ouml;ser Eisengabe sind heute eine extreme Seltenheit (&lt; 1:1 200 000 Dosen). Die meisten transienten Infusions- assoziierten Reaktionen werden durch das labile freie Eisen verursacht. Es handelt sich vor allem um Flush-Symptomatik, Herzklopfen, Unwohlsein, Schwindel, Myalgien und Fieber. Eine bef&uuml;rchtete Komplikation bei paraven&ouml;ser Injektion ist die Extravasation des Eisenpr&auml;parates, das zu einer iatrogenen, lang dauernden braunen Hautverf&auml;rbung (iatrogene T&auml;towierung) f&uuml;hrt, welche h&auml;ufig von Patienten als kosmetisch inakzeptabel betrachtet wird.<br /> M&ouml;gliche potenzielle Sicherheitsbedenken bei wiederholten Eiseninfusionen sind die Entwicklung einer Atherosklerose und das Risiko eines Infektes. Allerdings gibt es diesbez&uuml;glich aktuell keine festen Daten. Wiederholte Eiseninfusionen k&ouml;nnen zur Eisen&uuml;berladung und deren Komplikationen f&uuml;hren, wie dies bei Patienten mit chronischer H&auml;modialyse berichtet wurde. Mehrheitlich empfehlen Richtlinien f&uuml;r Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz unter Behandlung mit ESS auf weitere Eiseninfusionen zu verzichten, wenn die Transferrin-S&auml;ttigung &gt; 30 % oder das Ferritin &gt; 500 &mu;g/l liegt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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