Ausgezeichnete Studien aus dem Bereich der Hämatologie
Bericht: Dr. Ine Schmale
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie werden jedes Jahr diverse Preise und Ehrenmitgliedschaften vergeben. Unter allen eingereichten Abstracts wurden sechs besonders herausragende wissenschaftliche Arbeiten von einem unabhängigen Gutachterkomitee als Best Abstracts ausgewählt. Vier davon werden im Folgenden vorgestellt.
Finale Langzeitergebnisse der CLL13-Studie
Die prospektive, randomisierte, offene Phase-III-Studie CLL13 der Deutschen CLL-Studiengruppe untersuchte vier Therapieregime bei unbehandelten fitten Patient:innen mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) ohne TP53-Aberrationen.1 926 Patient:innen in einem medianen Alter von 61 Jahren wurden eingeschlossen und erhielten:
-
eine Chemoimmuntherapie (CIT) mit Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR) (≤65 Jahren) oder Bendamustin plus Rituximab (BR) (>65 Jahre) für die Dauer von 6 Monaten,
-
Rituximab plus Venetoclax (RV) für die Dauer von 12 Monaten,
-
Obinutuzumab plus Venetoclax (GV) für die Dauer von 12 Monaten oder
-
Obinutuzumab plus Ibrutinib plus Venetoclax (GIV) für die Dauer von 12 bis 36 Monaten.
Primäre Studienendpunkte waren die Rate an nicht detektierbarer minimaler Resterkrankung (uMRD) im Monat 15 und das progressionsfreie Überleben (PFS). Dr. Moritz Fürstenau, Uniklinik Köln, präsentierte in der Best-Abstract-Sitzung beim DGHO die finale Analyse der CLL13-Studie mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 63,8 Monaten und einer medianen Nachbeobachtungszeit nach Behandlungsende von 54 Monaten.2 Die 5-Jahres-PFS-Rate lag im GIV-Arm mit 81,3% signifikant höher im Vergleich zu den anderen Studienarmen mit 69,8% (GV), 57,4% (RV) und 50,7% (CIT) (Abb.1). Das Risiko für einen Krankheitsprogress oder Tod wurde mit GIV um 39% gegenüber GV (HR: 0,61; p=0,005), 65% gegenüber RV (HR: 0,35; p<0,001) und 66% gegenüber CIT (HR: 0,34; p<0,001) reduziert. Als unabhängige prognostische Faktoren für das PFS wurden unter GIV die Trisomie 12 und der IGHV-Status, unter GV der Allgemeinzustand (ECOG PS ≥1 vs. 0) und der IGHV-Status, unter RV die B-Symptome, der Karyotyp und der IGHV-Status und unter CIT das Alter (>65 vs. ≤65), die Tumorlast, der Karyotyp und der IGHV-Status identifiziert. Eine Subgruppenanalyse bezüglich des IGHV-Status bestätigte den signifikanten Vorteil von GIV gegenüber allen anderen Regimen, während bei Patient:innen mit mutiertem IGHV der Vorteil gegenüber GV keine Signifikanz aufwies (5-Jahres-PFS-Rate: 89,1 vs. 82,9%; HR: 0,69; p=0,28).
Abb. 1: Progressionsfreies Überleben (PFS) unter vier Therapieregimen bei Patient:innen mit CLL (modifiziert nach Fürstenau M et al.)1
Als weiterer, besonders für die Patient:innen wichtiger Wirksamkeitsendpunkt, wurde die Zeit bis zur nächsten Therapie (TTNT) ausgewertet. Nach 5 Jahren waren noch 92,6% (GIV), 87,5% (GV), 77,1% (RV) und 67,1% (CIT) der Patient:innen ohne weitere Therapie. In der ungünstigeren Subgruppe der Patient:innen ohne IGHV-Mutation waren dies noch 92,6% (GIV), 80,7% (GV), 68,7% (RV) und 51,2% (CIT). Bezüglich des Alters geben die Subgruppenanalysen Hinweise darauf, dass jüngere Patient:innen (≤65 Jahren) von der Hinzunahme von Ibrutinib profitieren (HR: 0,43; p=0,01), während bei einem Alter >65 Jahre kein statistischer Unterschied zwischen GIV und GV beobachtet wurde (HR: 0,66; p=0,38).
Das Gesamtüberleben (OS) war mit 5-Jahres-Raten zwischen 90,7% und 94,7% nicht statistisch verschieden zwischen den vier Studienarmen. Fürstenau empfahl daher, trotz der überlegenen Wirksamkeit bezüglich des PFS und TTNT von GIV andere Faktoren wie Verträglichkeit und Lebensqualität in die Therapieentscheidung einzubeziehen. Eine Wiederbehandlung mit Venetoclax-basierten Therapien nach Venetoclax-basierter Erstlinientherapie zeigte sich wirksam.
Hohe Wirksamkeit mit Teclistamab-basierter Induktionstherapie
Teclistamab ist ein BSMA- und CD3-gerichteter bispezifischer Antikörper mit gewichtsabhängiger Dosierung. In Kombination mit dem CD38-gerichteten Antikörper Daratumumab und weiteren etablierten Wirkstrategien könnte die Wirksamkeit von Teclistamab die bisher beobachteten Antimyelomeffekte unter den etablierten Regimen übersteigen, so die Hypothese der Phase-II-Studie GMMG-HD10/DSMM-XX/MajesTec-5.2 Insgesamt 49 transplantationsgeeignete Patient:innen mit multiplem Myelom (MM) wurden in der Induktionsphase mit Teclistamab (1,5mg/kg, qw, oder 3mg/kg, q3w) plus Daratumumab und Lenalidomid sowie in einem dritten Studienarm mit Teclistamab (3mg/kg, q3w) plus Daratumumab, Bortezomib und Lenalidomid behandelt. Nach Hochdosistherapie und Stammzelltransplantation war für alle Patient:innen eine Erhaltungstherapie mit 18 Zyklen Teclistamab plus Daratumumab vorgesehen. Primäre Studienendpunkte waren das Auftreten von Nebenwirkungen und schweren Nebenwirkungen.
Im Ergebnis konnten 95,9% der Patient:innen die Induktionstherapie komplettieren. Die mediane Induktionstherapiedauer betrug 7 Monate. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 7,3 Monaten waren Neutropenien (alle Grade: 63,3%; Grad 3–4: 57,1%) die häufigste hämatologische therapieassoziierte Nebenwirkung von Teclistamab plus Daratumumab und Lenalidomid. Eine Anämie wurde bei 40,8% (Grad 3–4: 10,2%) der Patient:innen berichtet. Thrombozytopenien traten bei 34,7% (alle Grade) bzw. 8,2% (Grad 3–4) der Patient:innen auf. Die zusätzliche Gabe von Bortezomib erhöhte die Thrombozytopenierate nicht. An nichthämatologischen Nebenwirkungen war das Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) am häufigsten. Es trat niedriggradig (alle Grade: 65,3%; Grad 2: 20,4%, Grad 3–4: 0) und meistens im ersten Zyklus auf. Eine periphere Neuropathie wurde bei 20,4% der Patient:innen beobachtet, alle von Grad 1–2. Das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) wurde nicht beobachtet, ebenso keine letalen therapieassoziierten Nebenwirkungen. Infektionen wurden bei 79,6% (Grad 3–4: 36,7%) der Patient:innen berichtet. Es kam nicht zum Therapieabbruch aufgrund von Infektionen.
Alle Patient:innen sprachen auf die Induktionstherapie an. Mit der Komplettierung der Induktionstherapie zeigten alle darauf auswertbaren Patient:innen MRD-Negativität mit einer Sensitivität von 10–5 und nach 6 Zyklen eine MRD-Negativität 10–6, unabhängig von der Tiefe des Ansprechens. Bei 95,9% der Patient:innen konnte die Stammzellmobilisierung erfolgreich durchgeführt werden, mit einer medianen Stammzellernte oberhalb der minimalen Protokollvorgaben. Die Studienergebnisse bauen Vertrauen in Teclistamab/Daratumumab-basierte Regime auf, erklärte Prof. Dr. Marc-Steffen Raab, Universitätsklinikum Heidelberg, während man auf die Ergebnisse der Phase-III-Studie MajesTEC-3 warte.
Venetoclax-Resistenzsignatur fürAML-Patient:innen
Die Kombinationstherapie mit Venetoclax und Azacitidin ist ein Standard für Patient:innen mit akuter myeloischer Leukämie (AML). Allerdings führt die Therapie selten zu Langzeitremissionen. Dr. Anne Kathrin Merbach und Kollegen, Universitätsklinikum Heidelberg, entwickelten mittels Einzelzell-RNA-Sequencing (scRNA-seq) eine Venetoclax-Azacitidin-Resistenz-Signatur (VARS) mit der sich die Wahrscheinlichkeit der Therapierefraktärität gegen Venetoclax vorhersagen lässt.3 Mit der scRNA-seq-basierten Methode lassen sich Krankheitsklone und ihre Hierarchie identifizieren. Dazu wurden Leukämiezellen von 14 AML-Patient:innen bei Diagnose und in der refraktären oder rezidivierten Krankheitsphase untersucht. Es wurden 91 Gene identifiziert, die in der refraktären Situation in verschiedenen Zelltypen und Klonen dysreguliert waren. Mit diesen Genen wurde der VARS definiert. Zur Validierung konnten leukämische Zellen von gesunden lymphoiden Zellen unterschieden werden. Es bestätigte sich, dass der mediane VARS-Score bei Patient:innen ohne Ansprechen signifikant höher war als bei ansprechenden Patient:innen, insbesondere bei erythroiden Zelllinien. Es wurden 155 Wirkstoffe auf Resistenz mit dem VARS getestet, aber nur die Venetoclax-Resistenz war mit einem hohen VARS-Score assoziiert. Dies deute, bisher in vitro gezeigt, auf eine selektive Resistenz hin, erklärte Merbach. Mit einer LASSO-Regression konnte die Genauigkeit der VARS verbessert und die Anzahl notwendiger Treibergene auf unter 10 reduziert werden.
In weiteren Untersuchungen korrelierte die Expression der VARS-Gene mit einer reduzierten Wirkstoffsensitivität, ungünstigen Mutationsprofilen und wichtigen Signalwegen für das Überleben der Leukämiezellen. Diese Ergebnisse machen VARS zu einem vielversprechenden Biomarker zur Identifizierung von Patient:innen mit Risiko eines Therapieversagens und helfen bei der Annäherung an eine individualisierte Behandlung.
Hohe psychosoziale Belastung nachStammzelltransplantation
Junge Erwachsene (18–39 Jahre) stellen eine Minderheit unter den Patient:innen mit Stammzelltransplantation dar. Die Langzeitnachsorge dieser Betroffenen, die sich in einer störanfälligen Lebensphase befinden, gewinnt mit verbesserten Therapieerfolgen an Bedeutung, so Lena Tandetzky, Universitätsklinikum Jena. In der JETS-Studie wurden Spätfolgen und psychosoziale Reintegration in den Fokus gerückt.4
In der multizentrischen, prospektiven Studie wurden Risikofaktoren und Inzidenz von Spätfolgen an den Tagen 100, 180, 365 und 910 nach Transplantation erhoben. Eine Auswertung der Fragebogenerhebung an Tag 365 zur psychosozialen Lage war bei 89 Patient:innen möglich. Die Betroffenen waren median 31 Jahre alt und wiesen in 19,1% der Fälle eine chronische Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD) auf.
Im Disstress-Thermometer erzielten 62% der Patient:innen auf einer Skala von 0 (keine Belastung) bis 10 (extreme Belastung) einen Wert ≥5. Von körperlicher Belastung berichteten 91% und von emotionaler Belastung 73% der Patient:innen. Beklagt wurden vor allem Ängste (48%), Sorgen (62%), Schlafstörungen (45%) und Erschöpfung (52%). Disstress war mit einer höheren Belastung durch Symptome der chronischen GvHD, einem höheren Beratungsbedarf und einer geringeren Lebensqualität assoziiert. Trotz der hohen angegebenen Belastung der Patient:innen erhielten nur 9% psychologische Unterstützung.
Auch die Anzahl der Patient:innen, die nach der Stammzelltransplantation ihrer Arbeit oder dem Studium nachgehen konnten, zeigt Nachsorgebedarf. Gingen vor dem Eingriff noch 75,3% der Patient:innen einer Arbeit nach, so waren es ein Jahr nach der Transplantation nur 28,1% (Abb.2). Nach 365 Tagen waren 30,3% von 89 Patient:innen krankgeschrieben und 19,1% berentet, nach 910 Tagen 60,7% bzw. 25% von 29 Patient:innen. Ein Jahr nach allogener Stammzelltransplantation berentete Patient:innen wiesen eine höhere Symptomlast und häufiger Dyspnoe bei stärkerer Belastung auf.
Abb. 2: Beschäftigungsstatus vor sowie 365 und 910 Tage nach Stammzelltransplantation (modifiziert nach Tandetzky L et al.)4
Tandetzky resümierte, dass die Rückkehr in das Berufsleben nach Stammzelltransplantation eine Herausforderung für junge Erwachsene sei. Die Ergebnisse der JETS-Studie unterstreichen die Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Nachsorge mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität.
Quelle:
Sitzung „Best Abstracts“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 27. Oktober 2025, Köln
Literatur:
1 Fürstenau M et al.: Finale Analyse zur Wirksamkeit von Venetoclax-basierten Erstlinientherapien der CLL: Fünf-Jahres-Analyse der Phase 3 CLL13-Studie. DGHO-Kongress 2025, Abstr. #V1029 2 Raab MS et al.: Phase-2-Studie zur Teclistamab-basierten Induktion bei Patienten mit transplantationsfähigem neu diagnostiziertem multiplem Myelom (NDMM): Ergebnisse der GMMG-HD10/DSMM-XX (MajesTEC-5) Studie. DGHO-Kongress 2025, Abstr. #V1030 3 Merbach AK et al.: Einzelzell-Multiomik zur Analyse der Venetoclax/Azacitidin-Resistenz bei AML. DGHO-Kongress 2025, Abstr. #V1031 4 Tandetzky L et al.: Hohe psychosoziale Belastung nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation bei jungen Erwachsenen – Ergebnisse der prospektiven, multizentrischen JETS-Studie. DGHO-Kongress 2025, Abstr. #V1033
Das könnte Sie auch interessieren:
Kutane oder systemische Mastozytose – was macht die Hämatologie?
Mastzellerkrankungen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die von einer Vielzahl zugrunde liegender genetischer Veränderungen und Komorbiditäten beeinflusst werden und in ihrem ...
Effektive Therapien für das Adenokarzinom des Magens und gastroösophagealen Übergangs
Innerhalb der gastrointestinalen Tumoren wurden Fortschritte insbesondere für die Behandlung von Patient:innen mit Adenokarzinom des Magens und gastroösophagealen Übergangs (G/GEJ) ...
Chinesische Studien mit zukunftsweisenden Ergebnissen
Asiat:innen sind an der Jahrestagung der ESMO mit vielen klinischen Studien aktiv beteiligt. Beim diesjährigen ESMO-Kongress schafften es auch mehrere der Studien mit innovativen ...