
Die wichtigsten Abstracts vom ISTH 2017
Jatros
30
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21.09.2017
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<p class="article-content"><h2><img style="float: left; margin-right: 10px;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_ingrid_pabinger.jpg" alt="" width="33 % " height="NaN" /></h2> <h2>Gleicher Langzeiteffekt mit kürzerer Antikoagulation</h2> <p><strong>Präsentiert von Francis Couturaud</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #ASY 14.1<br /><br /> Die multizentrische, doppelblinde, randomisierte Studie PADIS DVT verglich die Dauer der oralen Antikoagulation von 6 Monaten gegenüber 2 Jahren nach einer ersten Episode einer unprovozierten proximalen tiefen Venenthrombose. 104 Patienten erhielten 6 Monate Warfarin, gefolgt von 18 zusätzlichen Monaten Warfarin versus Placebo. Die Patienten wurden weitere 2 Jahre nachbeobachtet. Bei keinem Patienten im Warfarin-Arm traten innerhalb des Behandlungszeitraums VTE-Rezidive oder schwere Blutungen (primärer Kompositenendpunkt) auf, in der Placebogruppe waren es dagegen 29,6 % der Patienten (HR: 0,03; 95 % CI: 0,01–0,09; p<0,001). Innerhalb der gesamten 42 Monate wurden VTE-Rezidive oder schwere Blutungen bei 36,8 % der Patienten in der Warfarin-Gruppe und 31,5 % der Patienten im Placeboarm berichtet (HR: 0,72; 95 % CI: 0,35–1,46; p=0,36).</p> <h2>Aspirin vs. Rivaroxaban nach Gelenkersatz</h2> <p><strong>Präsentiert von David Anderson</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC 52.2<br /><br /> Ob nach totalem Hüft- oder Knieersatz eine erweiterte VTE-Prophylaxe mit Rivaroxaban oder mit Aspirin vorteilhafter ist, untersuchte die kanadische multizentrische, doppelblinde Studie EPCAT II. Alle 3424 Patienten erhielten nach der Operation für 5 Tage 10mg Rivaroxaban und danach täglich randomisiert 10mg Rivaroxaban oder 81mg Aspirin für zusätzliche 9 Tage nach Knieersatz bzw. 30 Tage nach Hüftersatz. Die Prophylaxe mit Aspirin nach Rivaroxaban-Induktion erwies sich als ebenso sicher (schwere Blutungen: 1,3 % vs. 0,99 % ) und effektiv (DVT oder PE: 0,64 % vs. 0,70 % ) wie die weitere Rivaroxaban-Therapie.</p> <h2>Risikoabschätzung für krebsassoziierte VTE</h2> <p><strong>Präsentiert von Ingrid Pabinger</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC 21.1<br /><br /> Um einen Risikoscore für krebsassoziierte venöse Thromboembolien zu entwickeln und zu validieren, wurden die Daten zweier prospektiver Kohorten von Patienten mit soliden Tumoren, der „Vienna Cancer and Thrombosis Study“ (CATS, n=1423) und der „Multinational cohort study to Identify Cancer patients at high risk of VTE“ (MICA, n=832), verwendet. Es zeigte sich, dass die Abschätzung des Risikos für eine VTE bei Krebspatienten mit nur einem klinischen Parameter (Tumorlokalisation) und einem Biomarker (D-Dimer) möglich ist. Das einfache Modell kann Ärzte bei der Patientenselektion für eine Thromboseprophylaxe unterstützen.</p> <h2><img style="float: left; margin-right: 10px;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_clemens_felstritzer.jpg" alt="" width="33 % " height="NaN" /></h2> <h2>RNAi-Technologie bei Hämophilie A und B</h2> <p><strong>Präsentiert von K. John Pasi</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #ASY 01.2<br /><br /> Fitusiran, ein auf RNA-Interferenz(RNAi)-Technologie basierender Wirkstoff, wurde in einer offenen Phase-II-Extensionsstudie bei 33 Patienten mit Hämophilie A und B, mit und ohne Inhibitoren, untersucht. Eine einmal monatlich subkutan applizierte Gabe induzierte eine Reduktion des Antithrombins um nahezu 80 % . Bei 48 % der Patienten traten keine Blutungen und bei 67 % keine spontanen Blutungen auf. Nebenwirkungen waren in der Regel mild oder moderat. Fitusiran wird bereits in weitergehenden Phase- III-Studien geprüft.</p> <h2>Risikofaktoren für hohe Inhibitortiter bei Kindern</h2> <p><strong>Präsentiert von Maria Elisa Mancuso</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #ASY 23.2<br /><br /> In einer italienischen Studie wurden 260 Kinder mit schwerer Hämophilie A und klinisch relevanten Inhibitoren auf Risikofaktoren für den Übergang von niedrigen auf hohe Titer untersucht. Etwa die Hälfte der Patienten hatte bei Diagnose hohe Titer, die andere Hälfte hatte niedrige Titer. Zum Ende der dreijährigen Nachbeobachtungszeit zeigten 74 % hohe Titer und 26 % der Patienten niedrige Titer. Risikofaktoren waren Null-FVIII-Mutationen (OR=2,6), Inhibitoren in der Familienanamnese (OR=7,2) und eine hoch dosierte ITI(„immune tolerance induction“)-Therapie (HR=2,0). Bei niedrigen Inhibitortitern stimuliert eine Antigenüberlastung möglicherweise die Immunantwort weiter. Eine initiale Therapiestrategie mit Hochdosis-ITI solle daher bei Patienten mit niedrigem Inhibitortiter möglichst vermieden werden.</p> <h2>Dabigatran-Antidot - Idarucizumab sicher einsetzbar</h2> <p><strong>Präsentiert von Charles V. Pollack</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #LB 01.4<br /><br /> Die prospektive, einarmige Phase-III-Studie RE-VERSE AD untersuchte bei 503 Patienten die Wirkung des Dabigatran- Antidots Idarucizumab. Die Hälfte der Patienten zeigte unter Dabigatran unkontrollierte Blutungen, bei der anderen Hälfte sollte eine Operation durchgeführt werden. In der ersten Gruppe wurde bei den Patienten, die nicht intrakraniell bluteten, eine Zeit bis zur lokalen Hämostase von median 2,5 Stunden (95 % CI: 2,2–3,9) gemessen. 97,5 % der 202 Patienten in der zweiten Gruppe wurden dem geplanten Eingriff unterzogen. Die mediane Zeit von der Antidotgabe bis zum Eingriff betrug 1,6 Stunden. Bei 93,4 % wurde eine Hämostase vergleichbar der ohne Antikoagulation beobachtet.</p> <h2><img style="float: left; margin-right: 10px;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_gerhard_schuster.jpg" alt="" width="33 % " height="NaN" /></h2> <h2>Langfristig anhaltende FIX-Aktivität mit AMT-060</h2> <p><strong>Präsentiert von Wolfgang Miesbach</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC 13.2<br /><br /> 10 Patienten haben eine Gentherapie mit AMT-060 in zwei Dosierungen erhalten und werden nun für 5 Jahre nachbeobachtet. Mit einer maximalen Nachbeobachtungszeit von derzeit 1,5 Jahren wurde ein stabiler, dosisabhängiger Anstieg der endogenen FIX-Aktivität in beiden Dosierungskohorten beobachtet. Die kumulative jährliche FIX-Supplementierung wurde bei allen 10 Patienten insgesamt um 79 % reduziert. 8 Patienten konnten auf eine regelmäßige Prophylaxe komplett verzichten. Die Therapie wurde generell gut vertragen. Therapieassoziierte Nebenwirkungen waren hauptsächlich erhöhte Leberenzyme, Pyrexie und Ängstlichkeit. Es wurde keine Entwicklung von Inhibitoren gesehen.</p> <h2>Gentherapie mit AAV8-basiertem BDD-FVIII-Vektor</h2> <p><strong>Präsentiert von Hanspeter Rottensteiner</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC13.6<br /><br /> Die Erwartungen an die gentherapeutischen Therapien der Hämophilie sind angesichts der vielversprechenden Ergebnisse der laufenden Phase-I/II-Studien sehr hoch. Immunologische Herausforderungen sind weiterhin vorhanden, können aber im Wesentlichen durch die zeitlich begrenzte Gabe von Immunsuppressiva kontrolliert werden. SHP654 (BAX 888) ist ein AAV8-basierter BDD-FVIII-Vektor, der mit einer einzigen Behandlung den Blutungsphänotyp von Hämophilie- A-Patienten transformieren soll. Im Mausmodell wurden stabile langfristige Faktorexpressionen erreicht. Es wurde ein exzellentes nicht klinisches Sicherheitsprofil mit sehr niedriger Frequenz der Vektorintegration beobachtet. Die Phase-I/II-Studie zur Sicherheit und Dosiseskalation wird noch dieses Jahr starten.</p> <h2>Vereinfachte Methode zur Analyse der Pharmakokinetik</h2> <p><strong>Präsentiert von Victor Blanchette</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #ASY 27.1<br /><br /> Die ISTH empfiehlt pharmakokinetische Untersuchungen zur optimalen Dosierung der FVIII-Prophylaxe. Für die Ergebnisse sind ein Minimum von 72 Stunden Washout und 12 Blutproben (wenigstens 5 Proben bei Kindern) bei Therapiebeginn und im Verlauf des Washout erforderlich. In einer kanadisch-italienischen Studie wurde ein vereinfachtes Verfahren ohne Washout, mit nur einem Klinikbesuch und einer Blutentnahme nach 24 und 3 Stunden, getestet. Das myPKFiT- Programm erwies sich als geeignet, um ein klinisch hilfreiches pharmakokinetisches Profil zu erstellen, mit dem die Dosierung für prophylaktische Regime gelenkt werden kann.</p> <h2><img style="float: left; margin-right: 10px;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_cihan_ay.jpg" alt="" width="33 % " height="NaN" /></h2> <h2>Normale FVIII-Spiegel mit BMN 270</h2> <p><strong>Präsentiert von K. John Pasi</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #LB 01.1<br /><br /> In der Phase-I/II-Studie erhielten 15 Patienten mit schwerer Hämophilie A eine Gentherapie mit BMN 270 in verschiedenen Dosierungen. BMN 270 wurde über alle Dosierungen gut toleriert und es wurde keine Inhibitorentwicklung beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen waren ALT-Erhöhungen, Arthralgien, Rückenschmerzen, Fatigue und Kopfschmerzen. Mit einer Dosierung von 6x1013vg/kg wurden anhaltende durchschnittliche und mediane FVIII-Spiegel von 104 % bzw. 89 % über ein Jahr Beobachtung erreicht. Es war bei keinem der Patienten eine weitere FVIII-Substitution notwendig. Auch wurde keine spontane Blutung gesehen. In einer Phase-III-Studie wird nun mit der 6x1013vg/kg-Dosierung das Ziel verfolgt, bei Patienten mit Hämophilie A normale FVIII-Spiegel zu erreichen.</p> <h2>Gentherapie bei Hämophilie B</h2> <p><strong>Präsentiert von Lindsey A. George</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC 13.1<br /><br /> In einer Phase-I/IIa-Studie wurde bei 10 Patienten mit schwerer Hämophilie B die Gentherapie mit dem SPK-9001-Vektor untersucht. Es wurden keine unerwarteten Nebenwirkungen beobachtet und kein Patient entwickelte FIX-Inhibitoren. Die jährliche Blutungsrate (p=0,0001) wurde bei gleichzeitiger Reduktion der Faktorsubstitution (p=0,004) mit der Gentherapie signifikant gesenkt. In den USA hat die FDA ein beschleunigtes Zulassun gsverfahren für SPK-9001 eingeleitet.</p> <h2>Emicizumab für Behandlung von Kindern geeignet</h2> <p><strong>Präsentiert von Guy A. Young</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #OC 24.1<br /><br /> In einer Zwischenanalyse der HAVEN-2-Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit von Emicizumab bei Kindern unter 12 Jahren mit schwerer Hämophilie A und Inhibitoren prüfte, wurden auch für diese Patientengruppe positive Ergebnisse unter dem bispezifischen Antikörper gezeigt. 19 Kinder erhielten eine prophylaktische Behandlung und wurden über einen Zeitraum von median 12 Wochen beobachtet. In diesem Zeitraum traten weder Gelenk- noch Muskelblutungen auf. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Einstichstelle sowie Nasopharyngitis.</p> <h2><img style="float: left; margin-right: 10px;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_christoph_male.jpg" alt="" width="33 % " height="NaN" /></h2> <h2>Paradigmenwechsel mit Emicizumab</h2> <p><strong>Präsentiert von Johannes Oldenburg</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #ASY 01.1<br /><br /> Emicizumab (ACE910) ist ein neuer humanisierter, bispezifischer, monoklonaler Antikörper, der aktivierte FIX und FX verbindet, wodurch die Funktion des fehlenden aktivierten FVIII ausgeglichen wird. Die HAVEN-1-Studie verglich Emicizumab als Prophylaxe sowie „on demand“ mit BPA nach Bedarf bei insgesamt 109 Hämophilie-A-Patienten, die Inhibitoren gebildet hatten. Die Prophylaxe mit subkutan einmal wöchentlich appliziertem Emicizumab verhinderte Blutungen oder reduzierte die Anzahl der Blutungen bei Hämophilie- A-Patienten mit Inhibitoren. Die Blutungsrate wurde gegenüber keiner Prophylaxe bzw. BPA bei Bedarf um 87 % reduziert (p<0,0001). Bei 63 % der Patienten wurden keine Blutungen berichtet. Die Lebensqualität unter Emicizumab war signifikant und klinisch relevant verbessert im Vergleich zum Kontrollarm. Kein Patient brach die Therapie aufgrund fehlender Wirksamkeit ab. Emicizumab wird wöchentlich oder zweiwöchentlich subkutan appliziert.</p> <h2>Inhibitoren treten früh unter Substitutionstherapie auf</h2> <p><strong>Präsentiert von Flora Peyvandi</strong><br /><br /> ISTH-Abstr. #PB1776<br /><br /> In der randomisierten klinischen Studie SIPPET wurde gezeigt, dass die Häufigkeit des Auftretens eines Inhibitors bei bis dahin unbehandelten Patienten und minimal behandelten Patienten mit schwerer Hämophilie A nahezu verdoppelt wurde, wenn ein rekombinantes FVIII-Produkt (rFVIII) im Vergleich mit einem Plasmaderivate-FVIII-Produkt (pdFVIII) eingesetzt wurde. In einer Post-hoc-Analyse der SIPPETStudie wurde das Risiko einer Inhibitorentwicklung im zeitlichen Verlauf von bis zu 40 Expositionstagen betrachtet. 251 Kinder wurden eingeschlossen und erhielten randomisiert rFVIII oder pdFVIII. Es entwickelten insgesamt 76 Kinder einen Inhibitor, davon 47 unter rFVIII und 29 unter pd- FVIII (HR: 1,87). Das Risiko war besonders hoch innerhalb der ersten 5 Expositionstage (ED), mit einer Inzidenz von 10,3 (rFVIII) versus 3,3 (pdFVIII). Nach 5 ED war die Differenz zwischen den beiden Therapien weniger deutlich, mit einer etwa 2-fach erhöhten Inzidenz bei rFVIII verglichen mit pdFVIII. Das Risiko der Inhibitorentwicklung ist somit hoch innerhalb der ersten Tage der Substitutionstherapie. Inhibitoren treten unter rFVIII früher auf als unter pdFVII und das Risiko für ihr Auftreten bleibt bis etwa zum 15. ED hoch. Der Peak der Inhibitorentwicklung unter pdFVIII wurde zwischen dem 6. und 10. Expositionstag beobachtet.</p> <p><span class="link-color"><a class="article-link" href="../fachthemen/8791" data-locked="0">zurück zum Themenschwerpunkt zum ISTH 2017 Congress</a></span></p></p>