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Genitale Schmerz- und Penetrationsstörung – ein Überblick

Wenn Liebe (machen) weh tut …

<p class="article-intro">Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind ein häufiges Problem: Bis zu 50 % aller Frauen erleben zumindest sporadisch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Werden diese chronisch, so kann das ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Vor allem chronische Schmerzen erfordern eine sorgfältige Diagnose und eine oft multifaktorielle Therapie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die neue Klassifikation nach DSM-5 betont noch deutlicher als fr&uuml;her die N&auml;he der Sexualfunktionsst&ouml;rung &bdquo;Genitale Schmerz- und Penetrationsst&ouml;rung&ldquo; zu den Schmerzst&ouml;rungen.</li> <li>Besonders bei Vulvaschmerzen ist die Biopsie ein wichtiges diagnostisches Mittel, da sonst oft diskrete Ver&auml;nderungen &uuml;bersehen werden, z.B. entz&uuml;ndliche Dermatosen oder die Vulvodynie (als Krankheitsbild im engeren Sinne).</li> <li>Eine tragf&auml;hige Arzt-Patientin- Beziehung und ein multidisziplin&auml;rer Ansatz f&uuml;r Diagnose und Therapie sind essenziell f&uuml;r den Therapieerfolg bei Patientinnen mit oft jahrelang bestehenden Beschwerden, die weit &uuml;ber den Bereich der Sexualit&auml;t hinaus die Lebensqualit&auml;t einschr&auml;nken.</li> <li>Sexualberatung/-therapie ist fixer Bestandteil der Therapie und keine &bdquo;letzte Chance&ldquo;.</li> </ul> </div> <p>Das belastende Krankheitsbild der &bdquo;Genitalen Schmerz- und Penetrationsst&ouml;rung&ldquo; hat eine eher seltene Pr&auml;valenz (Tab. 1 und 2). Daf&uuml;r sind die Implikationen teilweise extrem weit reichend, da viele Patientinnen Einschr&auml;nkungen in zahlreichen Lebensbereichen erleben. Die Betreuung dieser Patientinnen ist anspruchsvoll: Oft finden sich &uuml;ber Jahre chronifizierte Symptome bei zahlreichen Arztkontakten, die teilweise als sehr frustrierend erlebt worden sind.<br /> Was k&ouml;nnen wir also unternehmen, um nicht als ein weiterer erfolgloser Therapieversuch in die (Patienten-)Geschichte einzugehen?</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s21_tab1.jpg" alt="" width="2150" height="811" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s21_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="937" /></p> <h2>Das Wichtigste zuerst</h2> <p>Wenn es einfach w&auml;re, w&auml;re es nicht so schwierig. Oder anders gesagt: Die meisten genitalen Schmerzst&ouml;rungen basieren auf einer multifaktoriellen Pathogenese. Dementsprechend sollte das Therapiekonzept ausgerichtet sein. Deshalb ist es wichtig, von Anfang an der Patientin und auch sich selbst klarzumachen: Es werden vermutlich verschiedene Therapieelemente, eventuell von verschiedenen Betreuungspersonen, notwendig sein. Sexualberatung und psychotherapeutische Ans&auml;tze sind keine &bdquo;letzte Chance&ldquo;, sondern integraler Bestandteil dieses multimodalen Konzeptes. Insgesamt handelt es sich um ein sehr breit gef&auml;chertes Krankheitsbild, in das im Rahmen dieses Artikels nur ein kleiner Einblick m&ouml;glich ist.</p> <h2>Back to basics</h2> <p>Aktuell werden zwei verschiedene Klassifikationen f&uuml;r Sexualfunktionsst&ouml;rungen verwendet: Allgemein ist in &Ouml;sterreich der ICD-10-Code in Verwendung (International Classification of Diseases, 10. Version). Im Bereich der Sexualmedizin wird aber zumeist das ausf&uuml;hrlichere DSM-System verwendet (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, aktuell 5. Auflage, nach Annual Meeting of the APA 2013).<br /> Da bei genitalen Schmerzen und der Abwehrreaktion &bdquo;Muskelanspannung&ldquo; die Abgrenzung zwischen Folge und Ursache schwierig ist, wurden die beiden Diagnosen &bdquo;Dyspareunie&ldquo; und &bdquo;Vaginismus&ldquo; im neuen DSM-5 zu einem Krankheitsbild zusammengefasst und neu benannt (Tab. 1 und 2).<br /> Insgesamt zeigen Patientinnen mit genitaler Schmerzst&ouml;rung einige &Auml;hnlichkeiten zu Patientinnen mit anderen Schmerzst&ouml;rungen wie Komorbidit&auml;t mit Depression und Angstst&ouml;rungen sowie negative Auswirkungen auf das K&ouml;rperbild/ Rollenbild.<br /> Um die Einreihung des Krankheitsbildes zwischen Sexualfunktionsst&ouml;rung und Schmerzst&ouml;rung zu unterstreichen, wurde gegen&uuml;ber der bisherigen Bezeichnung im DSM, &bdquo;Genitaler Sexualschmerz&ldquo; (bzw. GSP/Genital Sexual Pain), in der &Uuml;berarbeitung auf das Wort &bdquo;sexual&ldquo; verzichtet.</p> <h2>Und wie weiter?</h2> <p>Die Arzt-Patientin-Beziehung ist f&uuml;r den Therapieerfolg entscheidend. Auch deshalb ist es wichtig, die Anamnese ausf&uuml;hrlich genug, aber doch fokussiert zu gestalten. Vor allem Erfahrungen mit Therapieversuchen in der Vergangenheit spielen eine wichtige Rolle f&uuml;r die Compliance bzw. Motivation zu zuk&uuml;nftigen Therapievorschl&auml;gen.<br /> Die Basisuntersuchung bei genitalen Schmerzsyndromen richtet sich nach dem Schmerzort und der Schmerzart. Es sind viele Ursachen oder Risikofaktoren f&uuml;r eine &bdquo;Genitale Schmerz- und Penetrationsst&ouml;rung&ldquo; bekannt, die teilweise sehr erfolgreich behandelt werden k&ouml;nnen (Tab. 3).<br /> Bei eher &auml;u&szlig;erlichen Schmerzen im Bereich der Vulva ist vor allem die Inspektion, die Testung der Ber&uuml;hrungswahrnehmung mittels Wattest&auml;bchen (Q-Tip- Test) zur Erstellung einer &bdquo;Schmerzlandkarte&ldquo; und eventuell eine Hautbiopsie bedeutsam.<br /> Die Biopsie erlaubt die genauere Diagnose (bzw. den Ausschluss von) Dermatosen, chronischen Infekten und Vulvodynie, welche vor allem bei diskreten Ver&auml;nderungen mit freiem Auge oder Kolpo-/ Vulvoskop nicht abschlie&szlig;end m&ouml;glich ist. Mikrobiologische Abkl&auml;rungen sind meist schon mehrfach in der Basisbetreuung erfolgt.<br /> Bei eher tief liegenden Schmerzen stehen die gezielte bimanuelle Untersuchung und die Vaginalsonografie im Vordergrund. Im Zusammenhang mit (auch azyklischen) chronischen Unterbauchschmerzen sollte immer an eine Endometriose gedacht werden.<br /> Eventuell ist auch eine MRT-Untersuchung des kleinen Beckens (bzw. der LWS) sinnvoll, um die Frage nach beispielsweise Raumforderungen, Gef&auml;&szlig;ver&auml;nderungen oder Pathologien entlang der Nervenbahnen zu kl&auml;ren.<br /> Weitere Abkl&auml;rungsschritte k&ouml;nnen je nach klinischem Verdacht sehr unterschiedlich aussehen (z.B. genaue neurologische Beurteilung bei Verdacht auf eine Neuropathie, Koloskopie bei Verdacht auf eine entz&uuml;ndliche Darmerkrankung, MRT des ZNS etc.).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s21_tab3.jpg" alt="" width="1417" height="1262" /></p> <h2>Der Therapieansatz</h2> <p>Das Therapiekonzept richtet sich nach dem/den ausl&ouml;senden und erhaltenden Faktoren (Tab. 3) bzw. nach &auml;hnlichen Strategien wie bei anderen chronischen Schmerzsyndromen. Eine Zusammenfassung der Optionen findet sich in Tabelle 4.<br /> Eine Sexualberatung bzw. Sexualtherapie sollte immer als ein integraler Bestandteil angeboten werden, vor allem wenn die Erkrankung im Rahmen einer Partnerschaft besteht. Schmerzen bei oder durch Sexualit&auml;t stellen immer auch ein Problem des Paares dar. Die Rolle des Partners und seine Belastung durch die Symptome (oder die Therapie) werden sonst oft untersch&auml;tzt. Die Kommunikation &uuml;ber Sexualit&auml;t sowie die Anpassung des sexuellen Repertoires kann enorm von einer therapeutischen Begleitung profitieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1701_Weblinks_s21_tab4.jpg" alt="" width="2150" height="1034" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Durch die wissenschaftlichen Fortschritte in der Sexualmedizin haben sich auch im Bereich der Diagnose und der Therapie der genitalen Schmerzst&ouml;rung in den letzten Jahren viele Weiterentwicklungen ergeben. Die n&auml;chsten Jahre werden zeigen, wie gut sich die neue Klassifikation in der Praxis anwenden l&auml;sst; weitere Erkenntnisse zu therapeutisch relevanten Unterteilungen in diesem Bereich sind zu erwarten. Vor allem betreffend das Krankheitsbild der Vulvodynie, eines wichtigen Ausl&ouml;sers f&uuml;r eine &bdquo;Genitale Schmerz-/ Penetrationsst&ouml;rung&ldquo;, ist die Auswahl der individuell passenden Therapieoptionen weiterhin eine Herausforderung. Die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team mit sexualmedizinischem Fokus ist und bleibt bedeutsam f&uuml;r die Betreuung von Patientinnen mit genitalen Schmerzst&ouml;rungen.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Autorin</p> </div> </p>
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