
Vulvovaginale Candidose: aktuelle Erkenntnisse und Empfehlungen
Bericht: Dr. Bettina Janits, BA
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Die vulvovaginale Candidose betrifft 75% aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben. Vaginaler Juckreiz ist das Leitsymptom dieser Infektion, die die Lebensqualität der Patientinnen stark beeinträchtigt. Die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen der aktuellen AMWF-Leitlinie zur Vulvovaginalcandidose fasste der federführende und koordinierende Leitlinienautor Ap. Prof. Priv.-Doz. DDr. Alex Farr von der Medizinischen Universität Wien für die Teilnehmer der virtuellen Fortbildungsveranstaltung „Update Mykologie: Neue Erkenntnisse und Entwicklungen“ der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin in seinem Vortrag zusammen.
Bei der vulvovaginalen Candidose (VVC) bzw. Candida-Vulvovaginitis handelt es sich um eine Infektion der primär östrogenisierten Vagina und des Vestibulums, die sich auf die Interkrural- und Perianalregion ausdehnen kann. Eine Candidose der Zervix oder des Endometriums sind nicht bekannt. Tritt eine VVC öfter als viermal im Jahr auf, spricht man von einer chronisch rezidivierenden Vulvovaginalcandidose (RVVC). „Bei prämenopausalen, schwangeren, gesunden Frauen ist der Erreger bei etwa 95% der Fälle Candida albicans“, erläutert Ap. Prof. Priv.-Doz. DDr. Alex Farr von der Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien. Die Non-albicans-Erreger treten häufiger bei postmenopausalen, diabetischen und immunsupprimierten Frauen auf und umfassen C. glabrata, aber auch C. krusei, C. guilliermondii, C. tropicalis, C. parapsilosis und C. africana. Als zweithäufigster Erreger ist C. glabrata häufig ebenfalls nur eine Kolonisation.
Wie kommt es von der Kolonisation zur Infektion?
„Der Schritt von der Kolonisation zur Vaginitis ist nicht ganz verstanden und zeigt, dass die Anfälligkeit für eine Erkrankung unter anderem mit dem Wirt zu tun hat. Das heißt, dass die Pathogenese von der Virulenz des Erregers, der individuellen Prädisposition und der Infektabwehr abhängig ist“, erläutert Farr. Östrogenrezeptoren in der Scheide fördern die Pathogenität von Candida spp. Die einfache Kolonisation ist sehr häufig, oft vorübergehend und außerhalb der Schwangerschaft meist nicht therapiebedürftig. Mädchen vor der Menarche und Frauen nach der Menopause sind aufgrund des fehlenden Östrogenstimulus nur selten kolonisiert. Gesunde, nicht schwangere und prämenopausale Frauen sind zu einem Drittel bis zu einem Viertel kolonisiert. „Mittels PCR steigt die Detektionsrate und hier haben wir dann das Dilemma, dass wir nicht zwischen einer Kolonisation und Infektion unterscheiden können“, sagt Farr.
Prädisponierende Wirtsfaktoren und klinische Symptomatik
„Es gibt natürlich Risikogruppen, bei denen – sofern möglich – neben einer ordnungsgemäßen Diagnostik und Therapie zusätzlich auch die Ausschaltung prädisponierender Wirtsfaktoren angestrebt werden sollte“, betont Farr. Diabetespatientinnen leiden häufiger an einer VVC mit C. glabrata, sodass die Verringerung der Glukosurie durch SGLT2-Hemmer eine Präventionsmaßnahme darstellt. „Wir wissen auch, dass das Risiko für eine VVC nach einer Antibiotikabehandlung um 33% erhöht ist, die genaue Pathogenese ist allerdings nicht vollständig geklärt“, erläutert Farr. Eine wenig diverse Mikrobiota, hormonelle Faktoren, Kontrazeptiva, Genpolymorphismen und Lebensstilfaktoren, wie Sexualverkehr, Stress, Immunsuppression oder zuckerreiche Ernährung, gelten als weitere Risikofaktoren für eine VVC.
Der Juckreiz ist bei VVC das häufigste Symptom und tritt bei 90% der Patientinnen auf, aber nur ein Drittel der Frauen mit Juckreiz hat tatsächlich eine VVC. Vaginale Rötung, Wundheitsgefühl, Brennen, Dyspareunie und Dysurie sind weitere Symptome. „Postmenopausale Frauen haben eher auch eine Leisten- oder inguinale Betroffenheit“, ergänzt Farr. Der vaginale Fluor ist meist flockig bis bröckelig und häufig beklagen die Patientinnen eine Vestibulodynie. Non-albicans-Erreger verursachen weniger Symptome. „Die Bierhefe Saccharomyces cerevisiae ist apathogen und bedarf keiner Therapie“, ruft Farr in Erinnerung.
Notwendige und unsinnige Diagnostik
Die Diagnosestellung erweist sich oft als schwierig. Zur Orientierung sollte als erster diagnostischer Schritt eine mikroskopische Untersuchung mit Kochsalzlösung bei 400-facher Vergrößerung durchgeführt werden. „Auch die niedergelassenen Gynäkologen sind angehalten, Pseudohyphen und Leukozyten im Mikroskop als diagnostische und pathognomische Merkmale einer VVC identifizieren zu können“, sagt Farr. „Die Anamnese hat gemeinsam mit der vaginalen Untersuchung, der pH-Wert-Messung und der Mikroskopie am Nativpräparat bei geübten niedergelassenen Frauenärzten eine Sensitivität und Spezifität von jeweils 84–85%“, so Farr. Um unnötige antimykotische Therapien zu vermeiden, sind kulturelle Methoden kein diagnostisches Mittel erster Wahl. In-vitro-Empfindlichkeitstestungen kommen nur bei rezidivierenden Non-albicans-Infektionen zum Einsatz. Eine oberflächliche VVC verursacht keine erhöhten Antikörperspiegel, sodass auch serologische Tests keinen Stellenwert in der Diagnostik haben.
Therapieoptionen der akuten und chronischen VVC
Bei asymptomatischer Kolonisation erfolgt keine Therapie. „Die akute VVC soll, je nach individuellen Bedürfnissen der Frau, entweder mit lokalen oder oralen Antimykotika behandelt werden. Topische Imidazolderivate sind Mittel der ersten Wahl, gleichbedeutend mit den oralen Triazolen“, erklärt Farr. Eine kombinierte orale und topische Therapie zeigt keinen Benefit. Die kurz dauernde Therapie mit Suppositorien oder Cremes für 1–3 Tage erweist sich aufgrund der höheren Compliance als effizienter. Die Behandlung eines asymptomatischen Sexualpartners ist nicht indiziert. „Bei einer chronisch RVVC erfolgt eine orale Langzeittherapie. Die deeskalierende, dosisreduzierende Suppressionstherapie mit Fluconazol ist dabei das Mittel der Wahl“, ergänzt Farr. Bei der medikamentösen Therapie ist auf Wechselwirkungen mit anderen Therapeutika, die über CYP450 verstoffwechselt werden, zu achten. „Die Patientinnen müssen über die reduzierte Sicherheit von Gummidiaphragmen und Latexkondomen aufgeklärt werden“, erinnert Farr.
Selbstmedikation fördert die Resistenzbildung
Da nur ein Drittel der Patientinnen eine korrekte Selbstdiagnose stellt, sollte eine antimykotische Therapie nur nach einer ärztlich gesicherten Diagnose erfolgen. Dadurch kann eine unnötige antimykotische Behandlung verhindert und eine eventuelle Resistenzbildung vermieden werden. Bei Infektionen mit C. glabrata versagt die Standardtherapie häufig. Lokales Nystatin oder Ciclopiroxolamin sind Alternativen. „Borsäure sollte nur als Ultima Ratio unter Kontrazeption eingesetzt werden, da sie embryotoxisch ist. Magistral gibt es das Pyrimidin-Derivat 17% 5-FU und Micafungin als ‚off-label use‘“, führt Farr weiter aus. Auch Antiseptika, wie Dequaliniumchlorid oder Octenidin, haben sehr gute Erfolge gezeigt. „Der Glycansynthesehemmer Ibrexafungerp ist bereits von der FDA zugelassen und wir erwarten seinen Einsatz nach Freigabe durch die EMA auch in Europa“, führt Farr aus.
Lokale Therapie während der Schwangerschaft empfohlen
Der Therapie während der Schwangerschaft kommt ebenfalls eine bedeutende Rolle zu, um das infektionsbedingt erhöhte Risiko für eine Frühgeburt zu reduzieren. Insbesondere im ersten Trimenon sollte die Therapie ausschließlich lokal erfolgen. „Studien haben gezeigt, dass die orale Therapie klar mit fetalen Herzvitien und einem Frühabort assoziiert ist“, betont Farr. „Im Einzelfall kann orales Fluconazol bei einer RVVC nach abgeschlossener Organogenese im dritten Trimester angewendet werden.“ Bleibt eine VVC im dritten Trimenon unbehandelt, kann sie zu Mundsoor und Windeldermatitis des Neugeborenen führen.
Prävention und Ausblick
Die Einnahme von Probiotika kann der Entstehung einer VVC vorbeugen. Der Darm fungiert als Reservoir für Laktobazillen, die in die Vagina und Blase migrieren können. „Laktobazillen haben eine direkt fungizide Wirkung und manche wirken antagonistisch gegen Candida“, erklärt Farr. Für den Effekt alternativer oder komplementärer Therapieoptionen, wie Povidon-Jod, Propolis oder Salbei gibt es allerdings keine Evidenz. Aktuell existieren (noch) keine zugelassenen Immuntherapien gegen die Candida-Vaginitis. „Bei der Erstellung der Leitlinie sind wir allerdings zu dem Schluss gekommen, dass ein umfassender Bedarf an präklinischer, translationaler und klinischer Forschung im Bereich der VVC, aber vor allem der RVVC besteht“, berichtet Farr abschließend.
Quelle:
Webinar „Update Mykologie: Neue Erkenntnisse und Entwicklungen“ der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) am 2. Dezember 2021
Originalpublikation:
Vulvovaginal candidosis. Guideline of the DGGG, OEGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/072, September 2020). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-072.html