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Vaginalinfektionen sicher diagnostizieren und gezielt behandeln
Jatros
30
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04.10.2018
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<p class="article-intro">Bei Frauen im gebärfähigen Alter sind durch Pilze oder Bakterien verursachte Infektionen der Scheide ein häufig auftretendes Problem. Eine korrekte Diagnose und eine gezielte Therapie sind notwendig, um den betroffenen Frauen langfristig zu helfen. Prof. Werner Mendling erklärt, was dabei zu beachten ist.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Welches sind die häufigsten Erreger bei Scheideninfektionen?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Am häufigsten ist die bakterielle Vaginose, die aber keine Infektion, sondern eine dysbiotische Störung der Scheidenflora ist. Dabei wird die physiologische Scheidenflora von Keimen wie Gardnerella vaginalis, Prevotella spp., Mycoplasma hominis, Mobiluncus spp. verdrängt. Daneben sind noch zahlreiche weitere Bakterienspezies beteiligt, die zum Teil nur schwer oder überhaupt nicht kultiviert werden können. Daher ist auch über ihre Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika nichts bekannt. An zweiter Stelle steht die vulvovaginale Candidose, vorwiegend durch Candida albicans verursacht. Doch Vorsicht: Pilze finden sich auch in der gesunden Scheidenflora. Mit molekularbiologischen Methoden wurde bei bis zu zwei Dritteln der untersuchten Frauen eine Pilzbesiedelung der Scheide nachgewiesen. Zur Infektion kommt es erst bei geschwächtem Immunsystem. In Mitteleuropa seltener sind schließlich die Trichomoniasis und die aerobe Vaginitis.<sup>1</sup></p> <p><strong>Gibt es Zahlen zur Häufigkeit von Vaginalinfektionen?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Konkrete Zahlen gibt es nicht. Gerade wurde im „Lancet“ eine Studie zur „Pilzlast“ bei Frauen weltweit veröffentlicht. Die Autoren schätzen, dass pro Jahr etwa 3900 pro 100 000 Frauen an einer wiederkehrenden vaginalen Pilzinfektion leiden. Dabei ist die Prävalenz in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen mit 9 Prozent am höchsten.<sup>2</sup> Für die bakterielle Vaginose gibt es ebenfalls nur Schätzungen. Die Prävalenz liegt zwischen 5 Prozent bei Frauen, bei denen im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung ein Scheidenabstrich durchgeführt wird, und etwa 15 bis 25 Prozent bei Schwangeren.<sup>1</sup></p> <p><strong>Welches sind die Auslöser, die von einer physiologischen Keimbesiedelung zu einer Infektion führen?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Bei Pilzinfektionen liegt bei ansonsten gesunden Frauen eine „immunologische Dysbalance“ vor. Risikofaktoren dafür sind zum Beispiel die Einnahme von Antibiotika oder hoher Blutzucker bei Diabetikerinnen. Eine Rolle scheint aber auch psychosozialer Stress zu spielen, der das Immunsystem beeinträchtigt.<sup>3</sup><br /> Bei der bakteriellen Vaginose sind ebenfalls Risikofaktoren bekannt. Dazu gehören Rauchen, gleichgeschlechtliche Sexualkontakte von Frauen und ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel. Am wichtigsten ist jedoch der Partner. Es ist evident, dass ansonsten monogame Frauen bei einem Partnerwechsel an einer bakteriellen Vaginose oder einem Rezidiv erkranken, wenn der Partner bereits eine Infektion hat.</p> <p><strong>Sind solche Infektionen immer symptomatisch?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Das ist individuell sehr verschieden. In der Literatur liest man, dass etwa die Hälfte der betroffenen Frauen keine Beschwerden hat. Ein typisches Symptom von Scheideninfektionen ist ein unangenehmer Geruch, der jedoch nicht jeder Betroffenen auffällt oder den sie für normal hält. Wenn ich als Arzt eine Patientin mit einer bakteriellen Vaginose frage, ob sie deshalb Beschwerden hat, kann es sein, dass sie dies verneint.</p> <p><strong>Wie werden Scheideninfektionen diagnostiziert?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Das Nativpräparat ist neben der Anamnese und der Bestimmung des pH-Wertes das A und O der Basisdiagnostik für alle bakteriellen Infektionen und Pilzinfektionen der Scheide. Leider wird dies in der Praxis nicht immer gemacht oder nicht korrekt beurteilt. Man sollte beispielsweise immer hellhörig werden, wenn Patientinnen berichten, dass sie eine Pilzinfektion haben, die nicht zu kurieren ist. Da Pilze zur physiologischen Scheidenflora gehören, genügt es für die Diagnose nicht, Pilzsporen im Präparat nachzuweisen. Eine Infektion liegt nur dann vor, wenn man Pseudohyphen findet. Auch eine einzelne positive Pilzkultur ist aus den genannten Gründen nicht aussagekräftig.<sup>1</sup></p> <p><strong>Gibt es Unterschiede zwischen jungen Frauen im gebärfähigen Alter und älteren Frauen nach der Menopause?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Von bakteriellen Vaginosen können alle Altersgruppen von Frauen, die unter dem Einfluss von Östrogenen stehen, betroffen sein. Pilzinfektionen sind bei 20- bis 40-Jährigen häufiger. Sie können sich nur in einer östrogenisierten Vagina entwickeln. Seit der Einführung der Hormonersatztherapie in den Wechseljahren leiden auch ältere Frauen vermehrt an Vaginalmykosen. Es gibt zudem Hinweise, dass die Vaginalmykose durch Geschlechtsverkehr getriggert wird. Dabei spielen vermutlich weniger vom Partner übertragene Infektionen eine Rolle als vielmehr mechanische Belastungen der Schleimhaut sowie allergische Reaktionen. Außerdem können Mykosen beim orogenitalen Kontakt übertragen werden, denn Menschen haben zu etwa 30 Prozent Pilze im Mund.</p> <p><strong>Abgesehen von den lokalen Beschwerden, welche Auswirkungen können Vaginalinfektionen haben?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Hier ist vor allem die bakterielle Vaginose ein Problem, denn sie geht mit einer erhöhten gynäkologischen und geburtshilflichen Morbidität einher. So haben erkrankte Frauen ein höheres Risiko für weitere Infektionen, unter anderem für HIV, für aufsteigende Infektionen – Zervizitis oder Salpingitis – und Komplikationen bei gynäkologischen Eingriffen. Geburtshilfliche Komplikationen einer bakteriellen Vaginose sind beispielsweise Frühgeburten und Wundheilungsstörungen sowie Wundinfektionen nach einem Kaiserschnitt. Leider sind bei der Behandlung einer bakteriellen Vaginose in der Frühschwangerschaft noch viele Fragen offen. Man kann lediglich feststellen, dass eine gesunde Scheidenflora, die reich an Laktobazillen ist, die Schwangerschaft schützt.</p> <p><strong>Wie sieht die Therapie grundsätzlich aus?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Die aktuellen europäischen Leitlinien empfehlen zur Therapie einer symptomatischen bakteriellen Vaginose die Antibiotika Metronidazol und Clindamycin sowie Dequaliniumchlorid.<sup>1</sup> Dabei handelt es sich um ein Antiseptikum, das sich in mehreren kleinen Studien als gleichwertig zu Clindamycin erwiesen hat und deshalb in die Leitlinie aufgenommen wurde. Allerdings kann keines der Medikamente die bakterielle Vaginose vollständig eliminieren, rund 60 Prozent der Frauen erleiden nach etwa einem halben Jahr einen Rückfall. Der Grund ist, dass es nicht möglich ist, sämtliche Bakterienarten abzutöten. Die übrig gebliebenen können sich wieder vermehren. Zudem bilden die Keime einen Biofilm auf der Scheidenhaut, der nicht vollständig entfernt werden kann und den Nährboden für eine erneute Infektion bildet. Warum dies aber nicht bei allen, sondern nur bei einem Teil der behandelten Frauen geschieht, ist noch Gegenstand der Forschung.<br /> Für die Therapie vaginaler Candidosen empfehlen die Leitlinien orale Triazol- Antimykotika wie Itraconazol und Fluconazol sowie intravaginal anzuwendende Imidazol-Antimykotika wie Clotrimazol, Miconazol, Econazol und Ciclopiroxolamin.</p> <p><strong>Ist denn eine Rezidivprophylaxe überhaupt möglich?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Die Studienlage dazu ist heterogen. Die orale und/oder vaginale Substitution von Laktobazillen über eine längere Zeit – rund drei Monate – ist hilfreich. Es gibt keine Daten dazu, aber ich empfehle die gleichzeitige Anwendung, da die vaginale Gabe sofort wirkt, die orale Einnahme aber nachhaltiger ist. Frauen, die wiederholt an vaginaler Candidose erkranken, profitieren ebenfalls von einer Substitution mit Laktobazillen. Auf diesem Gebiet sind allerdings noch weitere Studien nötig.</p> <p><strong><em>Herr Prof. Mendling, vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>
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<p><strong>1</strong> Sherrard J et al.: Int J STD AIDS 2018; 956462418785451. Epub ahead of print (doi: 10.1177/0956462418785451) <strong>2</strong> Denning DW et al.: Lancet Infect Dis 2018. Epub ahead of print (doi: 10.1016/S1473-3099(18)30103-8) <strong>3</strong> Nansel TR et al.: Am J Obstet Gynecol 2006; 194: 381-6</p>
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