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Update – Kontrazeption und Thrombose
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Katharina Walch
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin E-Mail: katharina.walch@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
05.07.2018
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<p class="article-intro">Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva zählen zu den sichersten und weltweit am häufigsten angewandten Verhütungsmethoden. Die Diskussion um „Pille und Thrombose“ begleitet uns dabei schon seit mehreren Jahrzehnten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Vor Erstverschreibung eines KHK sind eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese und das individuelle Hintergrundrisiko für VTE zu erheben.</li> <li>Jedes KHK (auch Vaginalring und Verhütungspflaster) erhöht das Thromboserisiko geringfügig, wobei dieses von der Höhe des EE-Spiegels und der Art des Gestagens abhängt; niedrig dosierte Levonorgestrel-haltige Präparate dürften mit dem niedrigsten Risiko für VTE einhergehen.</li> <li>Das absolute Risiko für VTE bei jungen, gesunden, schlanken Nichtraucherinnen ist sehr niedrig und abzuwägen gegen das Thromboserisiko in der Schwangerschaft und in der Postpartalperiode.</li> <li>Das Thromboserisiko unter KHK ist potenziert bei fortgeschrittenem Alter, Nikotinabusus, Adipositas, Hypertonie oder thrombogenen Mutationen.</li> <li>Häufige Pillenwechsel und Pillenpausen sind zu vermeiden, da das Risiko für VTE während der ersten Anwendungsmonate am höchsten ist.</li> </ul> </div> <h2>Hormonelle Kontrazeption bei erhöhtem Thromboserisiko</h2> <p>Wenn man von „Kontrazeption und Thrombose“ spricht, meint man primär das unter kombinierten hormonellen Kontrazeptiva geringfügig erhöhte Risiko für thromboembolische Ereignisse (VTE), auf das im 2. Teil des Artikels näher eingegangen werden soll. Darüber hinaus ist es jedoch eine wichtige Frage, welche Form der Kontrazeption bei Frauen mit bekanntem präexistentem Thromboserisiko unbedenklich angewendet werden kann.<br /> Ein erhöhtes Risiko liegt vor bei positiver Eigen- oder Familienanamnese eines VTE, Hypertonie, längerer Immobilisation (insbesondere im Zusammenhang mit großen Operationen) oder thrombogenen Mutationen (wie Faktor-V-Leiden, Prothrombin, Protein C und S, Antithrombin-III-Mangel).<br /> Durch Bestimmung der sog. aPC-Resistenz könnten 95 % der Faktor-V-Leiden- Mutationen erhoben werden. Dennoch wird dies nur bei begründetem Verdacht empfohlen, da die thrombophile Variante sehr selten ist (heterozygot knapp 5 % in der europäischen Bevölkerung, homozygot 0,008 % ) und somit die „flächendeckende“ Testung aller jungen Frauen mit Kontrazeptionswunsch nicht kosteneffektiv wäre. Mehr als eine Million potenzielle Anwenderinnen von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva (KHK) müssten auf Vorliegen von thrombogenen Mutationen getestet werden, um zwei KHK-assoziierte Todesfälle zu verhindern. Dokumentiert aufklären über die Möglichkeit der Testung muss der rezeptierende Arzt aber in jedem Fall, wofür vorgefertigte „Checklisten“ zur Anwendung kommen können, die des Weiteren auch eine sehr detaillierte Analyse des Risikos der Patientin vor Erstverordnung des KHK beinhalten. Bei zusätzlichen Risikofaktoren für VTE (wie positive Eigen-, Familienanamese, Adipositas, Nikotinabusus) sollte großzügig die aPC-Resistenz für die Pillen-Erstverordnung bestimmt und das Ergebnis in die Wahl des Kontrazeptivums miteinbezogen werden.<br /> Primär soll bei Frauen mit stark erhöhter Thromboseneigung auf ein nicht hormonelles Verhütungsmittel zurückgegriffen werden, welches jedoch eine ausreichend hohe kontrazeptive Sicherheit gewährleistet, da die Schwangerschaft per se – und insbesondere die postpartale Periode – mit einem 5- bis 25-mal höheren Risiko für das Auftreten eines VTE einhergeht (im Vergleich zur jungen, gesunden, nicht schwangeren Frau).<br /> Bei Vorliegen eines akuten VTE dürfen lediglich nicht hormonelle Methoden – und mit Einschränkung das LNG-IUS – zur Anwendung kommen. Bei St.p. Thrombose und Vorliegen von hereditären Thrombophilien dürfen keine KHK (COC – „combined oral contraceptives“) zur Anwendung kommen, lediglich mechanische oder rein gestagene Formen der Kontrazeption (wie Minipille, 3-Monats-Spritze, ENG-Implantat oder LNG-IUS).<br /> Die kontrazeptiven Möglichkeiten für Frauen mit bekanntermaßen erhöhtem Thromboserisiko wurden von der WHO in Form der sogenannten MEC („Medical Eligibility Criteria“) veröffentlicht (Tab. 1).<br /> Das unter Einnahme von KHK erhöhte Risiko für VTE bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren wie Adipositas, Nikotinabusus oder fortgeschrittenen Lebensalters ist im Individualfall abzuwägen und in die Wahl des geeigneten Kontrazeptivums mit einzubeziehen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1803_Weblinks_jatros_gyn_1803_s11_tab1.jpg" alt="" width="1448" height="1230" /></p> <h2>Erhöhtes Thromboserisiko unter hormoneller Kontrazeption</h2> <p><strong>Thromboserisiko unter Pille</strong><br /> KHK sind das weltweit am häufigsten angewandte Verhütungsmittel. Neben sehr hoher kontrazeptiver Sicherheit ist insbesondere die Gestagenkomponente der Pille für „erwünschte Partialeffekte“ („noncontraceptive benefits“) wie Verbesserung von Akne und Hirsutismus verantwortlich. Auch Dysmenorrhö und verstärkter, zu Anämie führender Blutverlust während der Menstruation können verringert werden. Pillenanwenderinnen haben im Vergleich zu „Non-Usern“ eine niedrigere Gesamtmortalität – insbesondere Darm- und Ovarialkarzinom kommen seltener vor.<br /> Jedes KHK erhöht jedoch bekanntermaßen das Risiko für VTE, wobei das Risiko einerseits von der Höhe des Östrogengehalts und andererseits von der Art des Gestagens abhängt. Generell gilt jedoch, dass bei jungen, gesunden Frauen ohne Risikofaktoren ein so niedriges absolutes Hintergrundrisiko (ca. 1–3 Fälle auf 10 000 Frauenjahre, unter der Pille relative Erhöhung um das Zwei- bis Vierfache) besteht, dass dieses in den meisten Fällen vernachlässigbar ist (Abb. 1).<br /> Es existieren derzeit keine großen, prospektiv randomisierten klinischen Studien („evidence level I“), die das Risiko für VTE zwischen den verschiedenen Östrogendosen und Progesterontypen bzw. Verabreichungswegen vergleichen. Alle derzeit vorliegenden Daten stammen aus großen Kohorten- oder Fallkontrollstudien, welche ohne Randomisierung schwierig zu kontrollieren sind in Bezug auf verschiedene Patientinnenpopulationen (z.B. „new user“ als „confounding factor“ und sog. „Verschreiber-Bias“).<br /> Es gilt jedoch als gesichert, dass insbesondere Präparate mit EE-Spiegeln über 50μg mit einem deutlich höheren Thromboserisiko assoziiert sind als die derzeit meistangewandten Mikropillen. Drospirenon, Cyproteronacetat und sogenannte Drittgenerationsgestagene dürften mit im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen Präparaten geringfügig erhöhtem Thromboserisiko einhergehen.<br /> Auch der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle: KHK erhöhen das Risiko für VTE insbesondere im ersten Einnahmejahr bzw. nach Wechsel auf ein anderes Präparat.<br /> Grundsätzlich ist vor jeder Verschreibung von hormonellen Kontrazeptiva (Pille, Vaginalring, Pflaster, Spritze, Implantat, IUS), insbesondere vor der Erstverschreibung, eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese zu erheben und Risikofaktoren wie Thrombophilie, Adipositas, Nikotinabusus, Hypertonie, Stoffwechselstörungen, Lebererkrankungen, Exsikkose sind zu bewerten. Das Risiko für VTE steigt mit dem Alter signifikant und wird durch Rauchen, Adipositas oder hereditäre Thrombophilien potenziert.<br /> Es bleibt Aufgabe des verordnenden Arztes, individuell Risiken zu beurteilen und nützliche Partialwirkungen der Gestagene bei der Verordnung in die Wahl der Pille mit einzubeziehen. Generell ist das Risiko für VTE während Einnahme von KHK immer abzuwägen gegen die potenziellen kontrazeptiven Vorteile und das Risiko für VTE während einer Schwangerschaft (5– 20/10 000 Frauenjahre) und der postpartalen Periode (40–65/10 000 Frauenjahre).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1803_Weblinks_jatros_gyn_1803_s11_abb1.jpg" alt="" width="1420" height="767" /></p> <h2>Erhöhtes Thromboserisiko bei nicht oraler hormoneller Kontrazeption</h2> <p>Auch bei alternativen Routen der Verabreichung hormoneller Kontrazeptiva existiert ein erhöhtes Risiko für VTE im Vergleich zu nicht hormonellen Verhütungsmitteln. Bei Anwendung des Vaginalrings beträgt zwar die systemische Exposition von EE lediglich 15μg, das Thromboserisiko ist jedoch vergleichbar mit dem bei kombinierten oralen Kontrazeptiva. Dies gilt auch für das Verhütungspflaster, bei welchem die systemische hormonelle Exposition höher ist als unter der „Pille“, die Peaks jedoch niedriger sind.</p> <h2>Erhöhtes Thromboserisiko bei hormoneller Kontrazeption mit reinen Gestagenpräparaten</h2> <p>Reine Gestagenpräparate gelten neben mechanischen Kontrazeptiva als Mittel der Wahl bei Frauen mit Thromboseneigung (s.o.). Dennoch gibt es einige Studien, die von geringfügig erhöhtem Risiko für VTE unter DMPA berichten bei Raucherinnen, Frauen mit thrombogenen Mutationen oder anamnestischer Thrombose.</p></p>
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<p>Literatur bei der Verfasserin</p>
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