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Lichen sclerosus

Unterschätzt und unterdiagnostiziert

<p class="article-intro">Lichen sclerosus gilt zu Unrecht als seltene Krankheit der Haut des Genitales älterer Frauen. Da seine Symptome jenen von Infektionen der Scheide und der unteren Harnwege gleichen, erhalten viele Patientinnen zunächst keine adäquate Therapie. Als Gynäkologe sollte man hellhörig werden, wenn Patientinnen wiederholt mit den gleichen Beschwerden vorstellig werden. In solchen Fällen ist es ratsam, auch an einen Lichen sclerosus zu denken.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Lichen sclerosus ist eine chronische, nicht infekti&ouml;se Hauterkrankung der Vulva, ausgel&ouml;st durch eine T-Zellvermittelte Autoimmunreaktion.</li> <li>Betroffen sind Frauen jeden Alters, M&auml;nner und Kinder beiderlei Geschlechts.</li> <li>Die Krankheit wird oft erst sehr sp&auml;t diagnostiziert und ad&auml;quat behandelt, da sie h&auml;ufig mit bakteriellen oder Pilzinfektionen verwechselt wird.</li> <li>Die Therapie erfolgt mit hochpotenten Steroiden, die die Immunreaktion unterdr&uuml;cken. Eine Heilung ist nicht m&ouml;glich.</li> </ul> </div> <p>Der Lichen sclerosus (LS) ist eine nicht infekti&ouml;se chronische Hauterkrankung, die meist das &auml;ussere Genitale der Frau betrifft, aber auch andere K&ouml;rperbereiche befallen kann. M&auml;nner k&ouml;nnen ebenfalls daran erkranken, allerdings seltener als Frauen. Obwohl die meisten Patienten &auml;lter sind, kann LS auch Kinder betreffen. &laquo;Beim LS findet eine T-Zellvermittelte Autoimmunreaktion statt, die zu einer Elastase-&Uuml;beraktivit&auml;t f&uuml;hrt. Die Folge ist eine Perivaskulitis&raquo;, erkl&auml;rt Prof. Andreas G&uuml;nthert, Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital Luzern. Er setzt sich daf&uuml;r ein, die Krankheit bei Patientinnen bekannter zu machen und das Bewusstsein seiner Kolleginnen und Kollegen daf&uuml;r zu sch&auml;rfen, denn: &laquo;Die H&auml;ufigkeit wird wahrscheinlich untersch&auml;tzt, bei Frauen nach der Menopause wird der LS bei etwa einer von 30 Frauen diagnostiziert &raquo;, betont er. Auch die famili&auml;re H&auml;ufung des LS ist h&ouml;her als angenommen und liegt vermutlich in bis zu 50 % der F&auml;lle vor.</p> <h2>Diagnostik und Therapie</h2> <p>Die betroffenen Frauen stellen sich zumeist wegen Schmerzen, Juckreiz und Brennen im Genitalbereich vor. Bei der klinischen Untersuchung k&ouml;nnen h&auml;ufig verschiedene Hautver&auml;nderungen gleichzeitig beobachtet werden, unter anderem Hyperkeratosen, Rhagaden, Erosionen und Exkoriationen. In der Regel resultiert daraus eine ausgepr&auml;gte Atrophie. &laquo;Typisch sind aber vor allem auch Lichenifizierungen der Haut, also weissliche Ver&auml;nderungen mit pergamentartiger Struktur &raquo;, so G&uuml;nthert. Zur Diagnose des LS m&uuml;sse nicht immer eine Gewebeprobe durchgef&uuml;hrt werden, da man die Krankheit in den meisten F&auml;llen durch eine Blickdiagnose identifizieren k&ouml;nne. &laquo;Im Zweifelsfall kann eine Gewebeprobe jedoch n&uuml;tzlich sein&raquo;, sagt der Gyn&auml;kologe.<br /> Behandelt wird der LS mittels einer topischen Immunsuppression, insbesondere in Form von Salben mit ultrahochoder hochpotenten Steroiden wie Clobetasolpropionat und Mometason. &laquo;Sollten diese unvertr&auml;glich sein, dann k&ouml;nnen auch Calcineurin-Inhibitoren eingesetzt werden, etwa Pimecrolimus und Tacrolimus &raquo;, erkl&auml;rt er. Eine Heilung sei nicht m&ouml;glich, aber die Therapie k&ouml;nne das Fortschreiten der Krankheit verz&ouml;gern oder aufhalten. Zu Beginn oder bei erneuten Beschwerden im Verlauf der Behandlung werden die Immunsuppressiva t&auml;glich gegeben. Anschliessend ist eine Erhaltungstherapie mit gr&ouml;sseren Intervallen dringend zu empfehlen. Bei korrekter Anwendung kommt es nicht zu einer Atrophie der Haut. Erg&auml;nzend sollten bestimmte pflegerische Massnahmen erfolgen, vor allem die Anwendung von fettenden Salben. Wird nicht oder zu sp&auml;t behandelt, kann es zu Verwachsungen und Narbenbildung kommen, die unter Umst&auml;nden einen chirurgischen Eingriff erfordern.<br /> Grunds&auml;tzlich k&ouml;nne jeder Gyn&auml;kologe LS-Patientinnen behandeln, sagt G&uuml;nthert. &laquo;Wenn jemand gut ausgebildet ist, ben&ouml;tigt es keine Spezialisten. Eine sehr gute Beratung und Instruktion sind notwendig. Ausserdem ein gutes Netzwerk mit Physio- und Sexualtherapeuten, weil die Betroffenen h&auml;ufig gleichzeitig an physischen, psychischen und sexuellen Problemen leiden. Bei Unsicherheiten ist aber eine Anbindung an eine Spezialsprechstunde zu empfehlen.&raquo;</p> <h2>Wissen mehren, Bewusstsein sch&auml;rfen</h2> <p>Lichen sclerosus wird oftmals sehr sp&auml;t diagnostiziert und behandelt. Viele Patientinnen blicken auf ein jahrelanges Leiden zur&uuml;ck, bevor sie die richtige Diagnose und Therapie erhalten. Eine Ursache liegt in den zun&auml;chst unspezifischen Symptomen. &laquo;Der LS kann im Anfangsstadium sehr schwierig zu diagnostizieren sein, weil oft charakteristische Ver&auml;nderungen noch fehlen und die Symptome denen eines Harnwegsinfektes oder einer vulvovaginalen Mykose &auml;hneln k&ouml;nnen&raquo;, betont G&uuml;nthert. Im Fr&uuml;hstadium sei auch eine Biopsie oft nicht konklusiv. &laquo;Zudem wurde dieses Krankheitsbild lange Zeit schlichtweg ignoriert, wie auch das betroffene Organ selbst, die Vulva. Sie fehlte bisher praktisch vollst&auml;ndig in der Ausbildung und tritt erst in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund &ndash; und damit verbunden auch die Krankheitsbilder dieses Organs. Bei fr&uuml;hzeitiger Diagnose und ad&auml;quater Langzeittherapie lassen sich die Folgen eines LS praktisch vollumf&auml;nglich aufhalten. Auch das Krebsrisiko scheint dann nicht erh&ouml;ht zu sein, bei unbehandeltem Lichen sclerosus allerdings sehr wohl.&raquo;<br /> Der Chefarzt der Frauenklinik am Kantonsspital Luzern, der auch an der europ&auml;ischen S3-Leitlinie &laquo;Lichen sclerosus &raquo; mitgewirkt hat, setzt sich aktiv daf&uuml;r ein, die Situation zu verbessern. Wichtig sei eine systematische Aus-, Fort- und Weiterbildung f&uuml;r die &Auml;rzte. Gleichzeitig m&uuml;ssten die Patientinnen verst&auml;rkt informiert und aufgekl&auml;rt werden, damit sie sich nicht scheuen, mit ihren &Auml;rzten &uuml;ber das Thema zu sprechen. Und schliesslich spiele auch die &Ouml;ffentlichkeitsarbeit eine grosse Rolle, etwa die Pr&auml;senz auf medizinischen Kongressen sowie Berichte in Zeitschriften und im Fernsehen.<br /> G&uuml;nthert r&auml;t allen Gyn&auml;kologen, auch an LS zu denken, wenn Patientinnen sich mit wiederkehrenden vermeintlichen Pilzinfektionen, Blasenentz&uuml;ndungen ohne Bakteriennachweis oder Rissen in der Vulvahaut nach dem Geschlechtsverkehr vorstellen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Interview mit Prof. Dr. med. Andreas Günthert, Chefarzt Frauenklinik, Kantonsspital Luzern, European Dermatology Forum: Guideline on Lichen sclerosus. 2014 </p>
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