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Verlaufskontrolle von TP53-Genmutationen in HPV-negativen Vulvakarzinomen

TP53-Genmutationsstatus als prognostischer Marker für krankheitsfreie Intervalle

<p class="article-intro">75 % aller invasiven Vulvakarzinome entstehen unabhängig von humanen Papillomaviren. Patientinnen mit HPV-negativen Vulvakarzinomen sind oft mit Lichen planus und Lichen sclerosus assoziiert und haben hohe Rezidivraten trotz In-sano-Resektionen. Für die schlechtere Prognose im Vergleich zu HPV-induzierten Vulvakarzinomen werden Mutationen im TP53-Gen verantwortlich gemacht.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Patientinnen mit Wildtypp53- Karzinomen entwickelten Rezidivkarzinome mit TP53-Genmutationen nach krankheitsfreien Intervallen von &gt;5 Jahren; prim&auml;re TP53-genmutierte Vulvakarzinome rezidivierten nach kurzen krankheitsfreien Phasen mit komplexeren TP53-Genmutationen.</li> <li>Es gibt keine Vulvakarzinomspezifischen TP53-Genmutationen; die h&auml;ufigen TP53- Genmutationen sind als Folge der genetischen Instabilit&auml;t in chronisch-entz&uuml;ndlichen Dermatosen zu werten.</li> <li>Der TP53-Genmutationsstatus kann als prognostischer Marker eingesetzt werden.</li> </ul> </div> <p>Vulvakarzinome sind seltene gyn&auml;kologische Tumoren. Im Gegensatz zu Karzinomen der Cervix uteri entstehen allerdings nur etwa 25 % aller invasiven Vulvakarzinome durch eine transformierende Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV).<sup>1</sup> Ausl&ouml;ser sind Genotypen der karzinogenen Gruppe 1, die sog. HPVHigh- Risk-Subtypen (International Agency for the Research on Cancer; available online: http://monographs.iarc.fr/ENG/ Monographs/vol90/ accessed on 11 July 2015). Der weitaus gr&ouml;&szlig;ere Anteil der invasiven Vulvakarzinome weltweit entsteht jedoch unabh&auml;ngig von HPV und ist h&auml;ufig mit den chronisch-entz&uuml;ndlichen Hauterkrankungen Lichen planus und Lichen sclerosus assoziiert.<sup>2, 3</sup> Etwa zwei Drittel der HPV-negativen Vulvakarzinome zeigen eine gro&szlig;e Bandbreite an somatischen TP53-Genmutationen.<sup>4</sup> Allerdings gelten somatische TP53-Genmutationen als finales Ereignis in &uuml;ber 50 % aller humanen Krebsarten. Bisher konnten f&uuml;r Vulvakarzinome keine spezifischen TP53-Genmutationen identifiziert werden. Im Vergleich zu HPV-induzierten Karzinomen zeigen HPV-negative Vulvakarzinome einen deutlich aggressiveren klinischen Verlauf mit h&auml;ufigen Rezidiven &ndash; trotz In-sano-Resektion &ndash; und k&uuml;rzerem Gesamt&uuml;berleben.<sup>5&ndash;7</sup> Die hohe Rezidivrate nach Resektion mit Sicherheitsabstand wird durch neuerliche maligne Entartung in der nicht zur G&auml;nze resezierten Dermatose erkl&auml;rt.<sup>5</sup> Derzeit ist es unklar, welchen Einfluss TP53-Genmutationen auf den klinischen Verlauf von Vulvakarzinomen haben und ob sie urs&auml;chlich f&uuml;r die Rezidive verantwortlich sind. Zeigen invasive Vulvakarzinomrezidive den gleichen Mutationsstatus wie das Prim&auml;rkarzinom (Wildtyp-p53-Protein versus TP53-Genmutationen) und wenn ja, k&ouml;nnen in Rezidiven die gleichen TP53- Mutationen nachgewiesen werden? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten wir 24 Patientinnen mit in sano resezierten HPV-negativen, Dermatosen-assoziierten prim&auml;ren Vulvakarzinomen, die nach mindestens 12 Monaten krankheitsfreien Intervallen ein neuerliches invasives Vulvakarzinom entwickelt haben.<sup>8</sup></p> <h2>Verlaufskontrolle von TP53- Genmutationen in Rezidiven HPV-negativer Vulvakarzinome</h2> <p>Wir identifizierten 19/24 Patientinnen mit nur einem vulv&auml;ren Rezidiv und 5/24 Patientinnen mit mehrfachen invasiven Vulvakarzinomrezidiven. Das erste invasive Vulvakarzinomrezidiv wurde nach durchschnittlich 46 Monaten (12&ndash;180 Monate) diagnostiziert, das zweite invasive Karzinomrezidiv nach etwa 22 Monaten. Nur 3/24 Patientinnen hatten 3 Rezidive nach durchschnittlich 29 Monaten. Alle Rezidive entstanden in residualer Haut/ Schleimhaut, die an Lichen planus oder Lichen sclerosus erkrankt war. 17/24 (71 % ) der prim&auml;ren Vulvakarzinome hatten somatische TP53-Genmutationen und 7/24 (29 % ) der prim&auml;ren Vulvakarzinome enthielten Wildtyp-p53-Protein.</p> <h2>Vulvakarzinome mit TP53- Genmutationen</h2> <p>14/17 prim&auml;re Vulvakarzinome wiesen 1 somatische TP53-Genmutation auf, 3 Vulvakarzinome wiesen 2 verschiedene TP53- Genmutationen auf. In 12/17 Plattenepithelkarzinomen wurden Missense-Genmutationen identifiziert, darunter waren auch sogenannte &bdquo;Oncogenic gain-of-function&ldquo;- oder &bdquo;Hot spot&ldquo;-Mutationen an den Codons R175H &gt;&gt; R248Q, R273, R278A, R282, P278A. Mutationen an diesen Codons f&uuml;hren zu erh&ouml;hter Invasion und Migration, Angiogenese, Entdifferenzierung und schneller Metastasierung. Insgesamt 5/17 Vulvakarzinome zeigten TP53-Genmutationen mit &bdquo;Loss-of-function&ldquo;-Mutation (2 &bdquo;Stop-gain&ldquo;- und 3 &bdquo;Frameshift&ldquo;-Mutationen), also Verlust der p53-Protein- Funktion. Das erste Rezidiv in der Gruppe der TP53-genmutierten Karzinome wurde nach durchschnittlich 33 Monaten diagnostiziert. Lediglich 5/17 Patientinnen (29 % ) hatten krankheitsfreie Intervalle von &gt;5 Jahren. 5/17 Patientinnen (29 % ) hatten identische TP53-Genmutationen im ersten Rezidiv. Eine Patientin hatte eine zus&auml;tzliche Mutation im Rezidiv nach 96 Monaten. Die Mehrzahl der Patientinnen aber zeigte komplexere und/oder zahlreichere TP53- Genmutationen in den invasiven Rezidiven. Die Verteilung der &bdquo;Hot spot&ldquo;-TP53-Genmutationen in Vulvakarzinomen entsprach der Verteilung in menschlichen Tumoren im Allgemeinen. Die immunhistochemische Analyse dieser Tumoren mit Antik&ouml;rpern gegen p53 zeigte ein positives Ergebnis mit nukle&auml;rer &Uuml;berexpression in Tumorzellen bei Missense-Mutation. Lag eine &bdquo;Loss-of-function&ldquo;-Mutation vor, zeigte sich keine immunhistochemische Reaktion in den Tumorzellen.</p> <h2>Vulvakarzinome ohne TP53- Genmutationen</h2> <p>7/24 Patientinnen (29 % ) hatten keine TP53-Genmutationen im prim&auml;ren Vulvakarzinom. Das erste invasive Karzinomrezidiv in dieser Patientengruppe trat nach durchschnittlich 65 Monaten, also mehr als 5 Jahren auf. Der Wildtyp-p53-Status wurde in Rezidiven von 3/7 Patientinnen (43 % ) nach 14, 20 und 69 Monaten beibehalten, w&auml;hrend die &uuml;brigen 4/7 Patientinnen (57 % ) nach &gt;5 Jahren (60&ndash;144 Monaten) unterschiedliche TP53-Genmutationen im Rezidivkarzinom zeigten.</p> <h2>L&auml;nge der krankheitsfreien Intervalle</h2> <p>Die krankheitsfreien Intervalle zwischen prim&auml;rem und rezidiviertem invasivem Karzinom waren mit durchschnittlich 33 Monaten in der TP53-genmutierten Karzinomgruppe deutlich k&uuml;rzer als in der Wildtyp-p53-Karzinomgruppe mit durchschnittlich 65 Monaten. Krankheitsfreie Intervalle von mehr als 5 Jahren wurden insgesamt in 10/24 (42 % ) Patientinnen mit pT1-Karzinomen ohne regionale Lymphknotenmetastasen beobachtet. Dabei waren die langen Krankheitsintervalle bei 5/7 Patientinnen mit prim&auml;rem Wildtyp-p53-Vulvakarzinom mit 71 % &uuml;berrepr&auml;sentiert, nur 29 % (5/17) der Patientinnen mit prim&auml;ren TP53-genmutierten Karzinomen dagegen hatten krankheitsfreie Intervalle &gt;5 Jahre. Auff&auml;llig war der Wechsel von Wildtyp-p53 zu TP53-Genmutationen in Rezidiven von 8 der 10 Patientinnen mit &gt;5 Jahren krankheitsfreien Intervallen. Rezidive nach &gt;5 Jahren und die &Auml;nderung des TP53-Genmutationsstatus legen die Vermutung nahe, dass es sich bei diesen F&auml;llen um De-novo-Karzinogenese handelt.</p> <h2>Klinische Bedeutung dieser Beobachtungen</h2> <p>Auch diese Arbeit best&auml;tigt, dass es kein spezifisches TP53-Genmutationsmuster f&uuml;r Vulvakarzinome gibt und die Verteilung der &bdquo;Oncogenic gain-of-function (hot spot)&ldquo;-Mutationen der von humanen Karzinomen im Allgemeinen entspricht. Nur ein kleiner Teil der rezidivierten invasiven Vulvakarzinome war klonalen Ursprungs mit gleichen TP53-Genmutationen. Die zunehmende Komplexit&auml;t bzw. Zunahme an TP53-Genmutationen in Rezidivkarzinomen reflektiert in erster Linie die genetische Fragilit&auml;t und Instabilit&auml;t in fortgeschrittenen, meist unbehandelten, chronisch-entz&uuml;ndlichen vulv&auml;ren Dermatosen und nicht den initialen karzinogenen Schritt. Eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs solcher Patientinnen besteht also in einer aggressiven Behandlung des residualen Lichen planus oder Lichen sclerosus. Chronisch rezidivierende Entz&uuml;ndungen f&uuml;hren zur Akkumulation von Lymphozyten und Entz&uuml;ndungszellen in Lichen sclerosus und Lichen planus. Eine reaktive T-Zell-Proliferation mit klonaler T-Lymphozyten-Population wurde sowohl in chronisch-entz&uuml;ndlichen Dermatosen wie auch den assoziierten Plattenepithelkarzinomen nachgewiesen.<sup>9</sup> Da eine andauernde chronische Entz&uuml;ndung zu genomischer Instabilit&auml;t f&uuml;hrt, ist die Behandlung der entz&uuml;ndlichen Dermatosen, also Reduktion der Aktivit&auml;t durch Reduktion des Entz&uuml;ndungsinfiltrates, die logische Konsequenz in der onkologischen Nachsorge dieser Patientinnen. In einer prospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass die Behandlung von vulv&auml;rem Lichen sclerosus und Lichen planus einen positiven Effekt auf die Krebsentwicklung hatte.<sup>10</sup> <br />Der TP53-Genmutationsstatus k&ouml;nnte auch Therapiekonsequenzen nach sich ziehen, obwohl in den derzeitig aktuellen Therapieempfehlungen der FIGO und ESGO-Leitlinien<sup>11</sup> die &auml;tiologischen Unterschiede der Vulvakarzinome nicht ber&uuml;cksichtigt werden. Dies ist haupts&auml;chlich der Seltenheit von Vulvakarzinomen und den deshalb fehlenden randomisierten Therapiestudien geschuldet. Ber&uuml;cksichtigt man die neueren Erkenntnisse zu Vulvakarzinomen, ist bei einem Vulvakarzinom mit TP53-Genmutationen eine chirurgische Therapie einer prim&auml;ren Chemo-Radiatio auf jeden Fall vorzuziehen, da diese aufgrund des gest&ouml;rten p53-Mechanismus wahrscheinlich weniger effektiv und erfolgreich ist. Auch wenn &uuml;ber die Therapie der Wahl bei Vulvakarzinomen &ndash; die chirurgischen Resektion &ndash; Einigkeit herrscht, stellt sich die Frage, ob man entgegen dem Trend zu minimal chirurgischen Eingriffen mit 1cm oder weniger Sicherheitsabstand die gesamte oder zumindest ein gr&ouml;&szlig;eres Areal der erkrankten und betroffenen Haut mitresezieren sollte, solange die anatomischen Voraussetzungen gegeben sind. Beobachtungen aus den letzten 30 Jahren aus Graz legen nahe, dass Patientinnen mit ausgedehnteren chirurgischen Eingriffen wesentlich l&auml;ngere krankheitsfreie Phasen hatten. Alternativ k&ouml;nnte man &uuml;ber eine pharmakologische Behandlung von TP53-genmutierten Vulvakarzinomen nachdenken. F&uuml;r andere TP53-genmutierte gyn&auml;kologische Karzinome werden bereits Medikamente wie Paclitaxel zur Behandlung eingesetzt, es gibt jedoch bisher keine Berichte &uuml;ber dessen Anwendung bei Vulvakarzinomen. <br />Genmutationsanalysen zur Bestimmung des TP53-Genmutationsstatus sind derzeit im Routineeinsatz recht teuer. Missense-Mutationen k&ouml;nnen aber durch eine immunhistochemische Untersuchung mit Antik&ouml;rpern gegen p53 mittels nukle&auml;rer &Uuml;berexpression in Tumorzellen identifiziert werden. Eine komplett negative immunhistochemische F&auml;rbung mit Antik&ouml;rpern gegen p53 w&auml;re somit ein Indikator einer komplexen Mutation mit Verlust von p53-Protein. Die Anf&auml;rbung einzelner Kerne w&auml;re als Karzinom mit Wildtyp- p53-Protein zu werten. Auch wenn der TP53-Genmutationsstatus derzeit noch keine therapeutischen Auswirkungen hat, k&ouml;nnte der direkte oder indirekte Nachweis einer TP53-Genmutation in Vulvakarzinomen aber schon jetzt als prognostischer Marker f&uuml;r krankheitsfreie Intervalle eingesetzt werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Trotz In-sano-Resektion von prim&auml;ren Dermatosen-assoziierten, HPV-negativen Vulvakarzinomen entstehen in den residuellen Dermatosen invasive Rezidive. TP53-Genmutationen in prim&auml;ren und rezidivierten Vulvakarzinomen treten als Folge erh&ouml;hter genetischer Instabilit&auml;t auf, die u.a. durch die lange bestehende chronisch-entz&uuml;ndliche Grunderkrankung Lichen planus oder Lichen sclerosus bedingt ist. Eine konsequente Behandlung dieser Dermatosen (vor Karzinomentwicklung und insbesondere in der onkologischen Nachsorge) kann somit das Karzinomrisiko verringern. Der TP53-Genmutationsstatus kann als prognostischer Marker f&uuml;r die L&auml;nge von krankheitsfreien Intervallen genutzt werden.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> de Sanjose S et al.: Worldwide human papillomavirus genotype attribution in over 2000 cases of intraepithelial and invasive lesions of the vulva. Eur J Cancer 2013; 49(16): 3450-61 <strong>2</strong> Regauer S et al.: Vulvar cancers in women with vulvar lichen planus: a clinicopathological study. J Am Acad Dermatol 2014; 71(4): 698-707 <strong>3 </strong>Crum C et al.: Tumours of the Vulva. Epithelial tumours. In: World Health Organisation, Classification of Tumours of the Female Genital Tract. R.J. Kurman et al., Editors. IARC: Lyon, 2014. 232-6. <strong>4</strong> Kashofer K, Regauer S: Analysis of full coding sequence of the TP53 gene in invasive vulvar cancers: implications for therapy. Gynecol Oncol 2017; 146: 314-8 <strong>5</strong> Regauer S: Residual anogenital lichen sclerosus after cancer surgery has a high risk for recurrence: a clinicopathological study of 75 women. Gynecol Oncol 2011; 123(2): 289-94 <strong>6</strong> Hay CM et al.: Biomarkers p16, human papillomavirus and p53 predict recurrence and survival in early stage squamous cell carcinoma of the vulva. J Low Genit Tract Dis 2016; 20(3): 252-6 <strong>7</strong> Dong F et al.: Squamous cell carcinoma of the vulva: a subclassification of 97 cases by clinicopathologic, immunohistochemical, and molecular features (p16, p53, and EGFR). Am J Surg Pathol 2015; 39(8): 1045-53 <strong>8</strong> Regauer S et al.: Time series analysis of TP53 gene mutations in recurrent HPV-negative vulvar squamous cell carcinoma. Mod Pathol 2018; epub, in press <strong>9</strong> Regauer S et al.: Monoclonal gamma Tcell receptor rearrangement in vulvar lichen sclerosus and squamous cell carcinomas. Am J Pathol 2002; 160(3): 1035-45 <strong>10</strong> Cooper S et al.: Reduced risk of squamous cell carcinoma with adequate treatment of vulvar lichen sclerosus. JAMA Dermatol 2015; 151(10): 1059-60 <strong>11</strong> Oonk MHM et al.: European Society of Gynaecological Oncology Guidelines for the Management of Patients With Vulvar Cancer. Int J Gynecol Cancer 2017; 27(4): 832-7</p> </div> </p>
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