
Sofort- oder Dauertherapie: Pessare sind vielseitig einsetzbar
Beim Gynäkologie Update Refresher referierte Dr. med. Julia Münst vom Kantonsspital Frauenfeld über die konservative Deszensusund Inkontinenztherapie, inklusive der Pessartherapie. Wir haben nachgefragt, bei welchen Indikationen eine Pessartherapie indiziert ist und ob es Alternativen dazu gibt.
Bei welcher Erkrankung kommt eine Pessartherapie infrage?
J. Münst: Die Pessartherapie gehört in Kombination mit einer lokalen Östrogenisierung zu den wichtigsten konservativen Massnahmen bei Senkungsbeschwerden und Belastungsinkontinenz. Sie wird nicht als alleinige Massnahme angewendet, sondern immer in Kombination mit Physiotherapie. Auch eine Verhaltensänderung, wie zum Beispiel eine Gewichtsreduktion, kann schon zum Erfolg führen. Im Unterschied zur Physiotherapie, deren Effekt erst mit der Zeit eintritt, kann die Pessareinlage den Urinverlust bei einer Belastungsinkontinenz sofort stoppen.
Eine überaktive Blase mit Reizblasenbeschwerden und Dranginkontinenz ist oft Teil eines urogenitalen Menopausensyndroms und kann mit lokal applizierten Östrogencremes behandelt werden. Eine Pessartherapie ist bei der überaktiven Blase nur dann indiziert, wenn gleichzeitig auch eine Senkung vorliegt. In der Regel wird eine Dranginkontinenz komplementärmedizinisch, medikamentös oder mit Physiotherapie behandelt.
Wann sollte bei Senkungen und Belastungsinkontinenz über eine Operation nachgedacht werden?
J. Münst: Die Physiotherapie stärkt den Beckenboden und kann so die anatomischen Strukturen wieder herstellen. Pessare unterstützen diese konservative Therapie. Wenn sich nach 3 bis 6 Monaten kein Erfolg einstellt, sollte eine Operation diskutiert werden. Bei einer jüngeren Frau wird man eher zu einer Operation tendieren, bei älteren, multimorbiden Frauen, die mit dem Pessar beschwerdefrei sind, spricht nichts gegen eine dauerhafte Anwendung des Pessars.
Wie wichtig ist eine lokale Hormontherapie?
J. Münst: Die lokale Östrogenisierung hat einen grossen therapeutischen Stellenwert bei urogynäkologischen Beschwerden. Ein Nachteil ist, dass die Hormoncremes nicht immer gut vertragen werden. In diesem Fall sollte das Präparat gewechselt werden. Alternative Applikationsformen sind Ovula oder Vaginalringe. Bei Frauen mit einem östrogensensitiven Tumor ist die Behandlung kontraindiziert.
Ist die Laserbehandlung eine Alternative?
J. Münst: Ursprünglich wurden Laser in der ästhetischen Medizin, der Dermatologie und der Zahnmedizin verwendet, später auch in der Gynäkologie. In den letzten sieben Jahren hat man insbesondere begonnen, den «Erbium-YAG-Laser » für ambulante vulväre und vaginale Behandlungen einzusetzen, so zum Beispiel bei Belastungsinkontinenz, bei vaginaler Atrophie oder bei Senkungen. Das Lasergerät wird dabei über ein Spekulum in die Scheide eingeführt. Der Laserstrahl erzeugt Wärme, diese führt dazu, dass das Kollagen im Bindegewebe denaturiert. In der Folge kommt es zur Kollagenneusynthese und Vaskularisation. Bei Belastungsinkontinenz führt die Stärkung des vaginalen Bindegewebes zur besseren Unterstützung der Harnröhre und damit zu weniger Urinverlust. Vor allem bei Frauen mit geringer Belastungsinkontinenz scheint diese Methode wirksam zu sein. Bei der vulvovaginalen Atrophie wird durch die Laserstimulation das Gewebe wieder aufgebaut. Besonders für Frauen mit Mammakarzinom oder anderen östrogensensitiven Tumoren, die nicht mit einer Hormoncreme behandelt werden können, stellt die Lasertherapie eine gute Alternative dar.
Die Laserbehandlung wird heute vor allem im Rahmen von Studien angewendet. Einige Praxen und Abteilungen bieten die Behandlung ebenfalls an, die Kosten werden jedoch nicht von der Krankenversicherung übernommen. Eine generelle Behandlungsempfehlung kann aufgrund der aktuellen Studiendaten noch nicht gegeben werden. Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen sind aber vielversprechend.
Vielen Dank für das Gespräch!
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