Was gibt es Neues?
Bericht:
Dr. med. Lydia Unger-Hunt
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Ein breites Feld wurde auch in diesem Jahr abgedeckt, von Guidelines zum Präeklampsie-Screening und Neuigkeiten in der Nabelschnurblut-Stammzelleinlagerung über die für Studierende und Ärzt:innen wichtigen Megatrends bis hin zur Hormonersatztherapie in Risikosituationen und zu neuen personalisierten Ansätzen in der Brustkrebstherapie.
Ein Hinweis zu den Guidelines vorweg: «Die Anwendung aller unserer Empfehlungen ist natürlich abhängig von der klinischen Situation sowie von lokalen und regionalen Gegebenheiten», stellt Prof. Dr. med. Daniel Surbek vom Universitätsspital Bern klar, nach entsprechender Kritik im Vorjahr, dass den Guidelines in der Praxis nicht immer gefolgt werden könne.
Präeklampsie: Screening spätestens SSW 16
Als erstes Thema stellt Surbek den SGGG-Expertenbrief Nr. 80 zum Ersttrimester-Screening für Präeklampsie (PE) vor. Da die Vorhersage und Prävention in den meisten Fällen möglich ist, werden das PE-Screening sowie die Prävention mit niedrigdosiertem Aspirin für alle schwangeren Frauen mit erhöhtem Risiko empfohlen. Am effizientesten lässt sich dieses Risiko mit dem kombinierten Screening-Algorithmus der FMF London erheben, der neben Body-Mass-Index und früherer PE den mütterlichen Blutdruck (Mittel zweier Messungen beider Oberarme) und den Biomarker PlGF («placental growth factor») sowie die uterine Arterien-Doppler-Untersuchung umfasst. Liegt das damit berechnete Risiko für eine PE bei >1:100, ist die Patientin präventiv zu behandeln. «Damit können 75% aller schwangeren Frauen mit erhöhtem PE-Risiko identifiziert und eine preterm-PE bei rund zwei Drittel vermieden werden», berichtet der Gynäkologe.
Cave: Die Untersuchung ist spätestens zu Schwangerschaftswoche (SSW) 16 durchzuführen, denn «nach SSW 20 ist es zu spät, die Behandlung mit Aspirin 100–150mg/d hat dann nicht die erwünschte Wirkung». Die gute Compliance (>90% Tabletteneinnahme) ist unerlässlich, um den prophylaktischen Effekt nicht abzuschwächen. Kurse zur Risikoevaluierung sind online bei FMF London oder SGUMGG verfügbar, die Abdeckung der Kosten durch die Krankenkassen wird «derzeit neu evaluiert».
Der Expertenbrief Nr. 87 wiederum beinhaltet überarbeitete Empfehlungen bezüglich der Nabelschnurblut-Stammzelleinlagerung (zur Möglichkeit der Transplantation bei passendem HLA-Typ bei Leukämien und ähnlichen Krankheiten). Öffentliche Banken gibt es zurzeit in den Universitätsspitälern Basel, Bern und Genf sowie im Kantonsspital Aarau; die private Einlagerung ist in allen Geburtskliniken möglich. Ein Vergleich: Bei öffentlichen Banken ist die Wahrscheinlichkeit der späteren Verwendung viel grösser, sie können aber aufgrund der hohen Voraussetzungen für Qualität und Zellzahl letztlich nur rund 20% aller Spenden einlagern; Spenden an öffentliche Banken sind gratis, die Kosten für eine private Einlagerung zahlen hingegen die Eltern. Neu ist die Nabelschnurblut-Hybrideinlagerung in einer privaten Bank, womit Vorteile der öffentlichen und der privaten Einlagerungsformen kombiniert werden: Sie beinhaltet sowohl das öffentliche Spenden als auch das private Einlagern für den familiären Gebrauch. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit der Einlagerung von Nabelschnurgewebe oder Plazenta; beide Gewebe enthalten mesenchymale Stammzellen in grosser Zahl, die auch für Krankheiten ausser hämatopoetischen Störungen einsetzbar sind.
Nur wenige möchten in die Gynäkologie/Geburtshilfe
Der weltweit festgestellte «Megatrend» Work-Life-Balance – was bedeutet das für Fachkräfte in der Gynäkologie und Geburtshilfe? Dr. med. Claudia Becker vom Kantonsspital Winterthur fasst die Ergebnisse einer Umfrage an Ärzt:innen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich von 2020, eine Umfragestudie an Schweizer Medizinstudentinnen 2023 sowie erste Resultate der FARBEN-Studie zusammen («FAvorisierte aRBeitszeitmodelle in der GyNäkologie»). An erster Stelle standen hier der Wunsch nach weniger administrativer Arbeit sowie vermehrt Teilzeit-Arbeitsmodelle und maximale Flexibilität bei der Planung von Diensten.
Dr. med. Evelin Beizerman vom Universitätsspital Zürich präsentiert die Ergebnisse der «SGGG Quo Vadis 2024 Umfrage». Demnach wollen zwar alle befragten Studierenden in die Facharztausbildung, «aber mit 8% nur wenige in die Frauenheilkunde». Für Dr. Beizermann ein klarer Auftrag an Spitalsärzt:innen, «im täglichen Kontakt darauf hinzuweisen, dass Gynäkologie und Geburtshilfe das beste Fach ist». Auch hier gaben 96% an, die Work-Life-Balance für sehr wichtig oder wichtig zu halten, und die meisten möchten im Spital oder in der Gemeinschaftspraxis arbeiten.
HRT in Risikosituationen
Wie sieht beispielsweise die Datenlage einer Hormonersatztherapie (HRT) aus bei erhöhtem Brustkrebsrisiko aufgrund von BRCA-Mutation? Laut Metaanalyse an Trägerinnen von BRCA1- und -2-Mutationen und prophylaktischer Salpingo-Oophorektomie hat die HRT keinen Einfluss auf das Brustkrebsrisiko, berichtet Dr. med. Janna Pape vom Universitätsspital Bern.1 In einer weiteren, bereits älteren Metaanalyse aus dem Jahr 2001 von 52 Studien an Frauen mit und ohne Brustkrebs zeigte sich unter Östrogen-Monotherapie das geringste Brustkrebsrisiko aller HRT, «sogar geringer als unter Placebo».2
Andere Daten scheinen diese Ergebnisse allerdings seitdem zu relativieren: Eine Auswertung 58 epidemiologischer Studien stratifizierte Frauen auf Basis des MHT- Scores der «Endocrine Society Guidelines» je nach familiärem Risiko in Gruppen mit hohem (6%), mittlerem (3%) oder niedrigem 5-Jahres-Brustkrebsrisiko (1,5%).3 Diese Studie fand bei Frauen unter HRT mit Östrogen sehr wohl eine Erhöhung des Brustkrebsrisikos, und bei HRT mit Östrogen plus einem synthetischen Gestagen nach rund sieben Jahren sogar eine deutliche Erhöhung des Brustkrebsrisikos, mit jeweils 12, 42 beziehungsweise 85 zusätzlichen Brustkrebsfällen/1000 Frauen. Ein Paper empfahl auf Basis dieser Daten daher, Frauen mit hohem Risiko keine HRT und bei mittlerem Risiko eine HRT nur unter Vorbehalt zu verabreichen; erst ab einem Risiko unter 3% wurde die HRT als «möglich» eingestuft.4 Diese Empfehlung wurde allerdings «nicht überall in Guidelines aufgenommen», fügt Pape hinzu.
Positive Effekte der HRT bei Diabetes
Unter HRT ist das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus (DM) um 30% reduziert.5 Liegt bereits ein DM Typ 2(T2DM) vor, sind unter HRT positive Effekte auf Blutdruck und Lipidstatus zu beobachten.6,7 Die HRT senkt die HbA1c-Werte, allerdings nicht in transdermaler Form.7
Diese Ergebnisse werden in den entsprechenden Leitlinien reflektiert: Der «North American Menopause Society» (NAMS) 2022 zufolge kann die HRT bei symptomatischen menopausalen Frauen mit T2DM erwogen werden, während laut «European Menopause and Andropause Society» (EMAS) Frauen mit T2DM «ausgezeichnete Kandidatinnen» für HRT sein können.8,9 Die EMAS fügt hinzu, dass bei niedrigem kardiovaskulärem Risiko orale Östrogene zu bevorzugen seien, bei adipösen Frauen mit T2DM beziehungsweise bei Frauen mit mittlerem kardiovaskulärem Risiko hingegen transdermales Estradiol als bevorzugte Behandlung eingesetzt werden sollte.
Personalisierte Ansätze bei Brustkrebs
Über «neue Horizonte in der systemischen Therapie» bei Frauen mit Brustkrebs mit PARP-, CDK4/6- und Checkpoint-Inhibitoren referiert Prof. Dr. med. Isabell Witzel vom Universitätsspital Zürich.
Immunhistochemisch werden Patientinnen in drei Gruppen unterteilt: Hormonrezeptor-positiv, HER-negativ (70%), triple-negativ (15%) und HER2-positiv (15%).
Bei triple-negativen Fällen ist die pathologische komplette Ansprechrate (pCR) ein sehr wichtiger prognostischer Marker: Frauen mit Erreichen der pCR haben ein signifikant besseres ereignisfreies 5-Jahres-Überleben (EFS) als solche ohne pCR (90% vs. 57%).10 Bei non-pCR-Status können Checkpoint-Inhibitoren nachweislich das Outcome verbessern helfen: So erhöhte der Zusatz von Pembrolizumab zur Standardchemo die pCR und verlängerte auch das ereignisfreie Überleben (EFS) bei Patientinnen mit und ohne pCR.11,12 Weitere mögliche Strategien: Postoperatives Capecitabin zusätzlich zur systemischen Therapie verlängert das Überleben, und bei HER-negativen BRCA-Mutationsträgerinnen senkt der PARP-Inhibitor Olaparib das Mortalitätsrisiko um 32%.13,14 «Offen ist derzeit noch, ob diese adjuvanten Strategien kombiniert oder in Serie einzusetzen sind», kommentiert Witzel.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugat senkt Mortalitätsrisiko
In HER2-positiven Fällen ist das Vorliegen einer pCR nach neoadjuvanter Chemotherapie ebenfalls mit einem besseren Überleben assoziiert.10 Bei HER2-positiven Patientinnen mit non-pCR sollte laut neuesten Daten das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) zum Einsatz kommen: Im Vergleich zum Standard-Wirkstoff Trastuzumab ist nach sieben Jahren ein absoluter Vorteil im Gesamtüberleben (OS) von knapp 5% zu beobachten, das entspricht einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 34%.15 Auch bei ER+/HER2-negativen Fällen gilt ein CDK4/6-Inhibitor mittlerweile als Option: Sowohl Abemaciclib als auch Ribociclib zeigten in zwei Studien einen Benefit im krankheitsfreien Überleben, aber (noch) nicht im OS; zudem ist hier auf die hohe Abbruchrate von fast 20% in beiden Trials hinzuweisen.16, 17«Daher ist es insgesamt sicher noch zu früh, um in diesen Fällen auf die Chemotherapie zu verzichten und stattdessen CDK4/6 einzusetzen», schliesst Witzel.
Quelle:
Jahreskongress der gynécologie suisse, 26–28. Juni 2024, Interlaken
Literatur:
1 Marchetti C et al.: Hormone replacement therapy after prophylactic risk-reducing salpingo-oophorectomy and breast cancer risk in BRCA1 and BRCA2 mutation carriers: A meta-analysis Crit Rev Oncol Hematol 2018;132:111-115 2 Collaborative group on hormonal factors in breast cancer: Familial breast cancer: collaborative reanalysis of individual data from 52 epidemiological studies including 58,209 women with breast cancer and 101,986 women without the disease Lancet 2001;358(9291):1389-99 3 Santen RJ et al.: Underlying breast cancer risk and menopausal hormone therapy. J Clin Endocrinol 2020; 105:dgaa073 4 Rozenberg S et al.: Menopausal hormone therapy and breast cancer risk. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2021; 35(6):101577 5 Reeves AN et al.: Symptom clusters predict risk of metabolic-syndrome and diabetes in midlife: the Study of Women’s Health Across the Nation. Ann Epidemiol 2021;58:48-55 6 Kim J-E et al.: Associations of postmenopausal hormone therapy with metabolic syndrome among diabetic and non-diabetic women. Maturitas 2019;121:76-82 7 Speksnijder EM et al.: Effect of postmenopausal hormone therapy on glucose regulation in women with type 1 or type 2 diabetes: a systematicreview and meta-analysis. Diabetes Care 2023; 46:1866-1875 8 The North American Menopause Society: https://www.menopause.org/docs/default-source/professional/nams-2022-hormone-therapy-position-statement.pdf ; zuletzt abgerufen am 3.9.2024 9 Slopien R et al.: Menopause and diabetes: EMAS clinical guide. Maturitas 2018; 117:6-10 10 Cortazar P et al.: Pathological complete response and long-term clinical benefit in breast cancer: the CTNeoBC pooled analysis. Lancet 2014;384:164-162 11 Schmid P et al.: Pembrolizumab for early triple-negative breast cancer. New Engl J Med 2020;382:810-821 12 Schmid P et al.: Neoadjuvant pembrolizumab or placebo plus chemotherapy followed by adjuvant pembrolizumab or placebo for early-stage triple-negative breast cancer: Updated event-free survival results from the phase 3 KEYNOTE-522 study. 2023 SABCS, Abstr. LB01-01 13 Van Mackelenbergh MT et al.: Effects of capecitabine as part of neo-/adjuvant chemotherapy - A meta-analysis of individual breast cancer patient data from 13 randomised trials including 15,993 patients. Eur J Cancer 2022;166:185-201 14 Geyer CE Jr et al.: Overall survival in the OlympiA phase III trial of adjuvant olaparib in patients with germline pathogenic variants in BRCA1/2 and high-risk, early breast cancer Ann Oncol 2022;33:1250-1268 15 Loibl S et al.: Phase III study of adjuvant ado-trastuzumab emtansine vs trastuzumab for residual invasive HER2-positive early breast cancer after neoadjuvant chemotherapy and HER2-targeted therapy: KATHERINE final IDFS and updated OS analysis. SABCS 2023, Abstr. GS03-12 16 Johnston SRD et al.: Abemaciclib combined with endocrine therapy for the adjuvant treatment of HR+, HER2-, node-positive, high-risk, early breast cancer (monarchE). J Clin Oncol 2020;38:3987-3998 17 Slamon DJ et al.: Rationale and trial design of NATALEE: a phase III trial of adjuvant ribociclib + endocrine therapy versus endocrine therapy alone in patients with HR+/HER2- early breast cancer. Ther Adv Med Oncol 2023;15:17588359231178125
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