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Schwangerschaft ab 40 Jahren
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Immer häufiger wird über Frauen berichtet, die in einem Alter Kinder zur Welt bringen, in dem andere bereits in der Menopause sind. Dank moderner Diagnostik und gegebenenfalls entsprechender Techniken ist dies heute möglich. Im Hinblick auf die Gesundheit des Kindes und der Mutter sollten jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, so Prof. Daniel Surbek, Chefarzt der Abteilung Geburtshilfe und fetomaternale Medizin, Universitätsfrauenklinik Bern.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Das Durchschnittsalter der Erstgebärenden ist seit 1975 stetig angestiegen: von 27,7 Jahre auf 31,2 Jahre im Jahr 2004.</li> <li>Das Risiko für Chromosomenanomalien steigt fast linear mit dem mütterlichen Alter an, ebenso nimmt die Wahrscheinlichkeit für Schwangerschaftskomplikationen zu.</li> <li>Frauen über 40 Jahre mit Kinderwunsch sollten vor einer Schwangerschaft entsprechend beraten und über mögliche Risiken aufgeklärt werden.</li> <li>Ältere Frauen sollten während der Schwangerschaft besonders intensiv überwacht werden, um pathologische Veränderungen frühzeitig zu erkennen.</li> </ul> </div> <p>In den letzten Jahrzehnten hat sich das Durchschnittsalter, in dem Frauen ihr erstes Kind gebären, nach oben verschoben: Betrug es 1975 noch 27,7 Jahre, lag es 2004 schon bei 31,2 Jahren. Besonders bei Schweizerinnen, so Surbek, liegt das Durchschnittsalter für das erste Kind noch höher als bei Frauen in anderen Ländern. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Lebendgeburten bei über 34-jährigen Müttern von seinerzeit 11,3 % (1970) um mehr als das Doppelte auf 29,8 % (2012). Doch auch Männer werden immer später Vater. Prinzipiell gilt, dass das Risiko von Chromosomenanomalien fast linear mit dem mütterlichen Alter steigt, während das Alter des Vaters dafür nicht relevant ist, dagegen aber für das Risiko genetischer Erkrankungen. Mit steigendem Alter nimmt jedoch auch die Zahl von Schwangerschaften mit reproduktionsmedizinischer Hilfe zu.</p> <h2>Untersuchungen und mögliche Komplikationen</h2> <p>Bestimmte Faktoren sollten nach Surbeks Ansicht bei einer Schwangerschaft von über 40-jährigen Frauen beachtet werden: ihre Ovarialreserve, die Möglichkeit von Mehrlingsschwangerschaften (die bei älteren Müttern steigt), Chromosomenanomalien, das Abortrisiko, mögliche internistische Krankheiten, geburtshilfliche Komplikationen, die Entscheidung zwischen Sectio (deren Rate mit zunehmenden Alter steigt) und vaginaler Geburt und letztendlich auch schwangerschaftsunabhängige Erkrankungen.<br /> Einer der wichtigsten Parameter ist die Diagnostik von FSH (follikelstimulierendes Hormon) und AMH (Anti-Müller- Hormon), da diese Hormone ab 35 Jahren steil sinken. Die Folgen sind eine mögliche Sterilität, was eine Sterilitätstherapie erforderlich macht.<br /> Die übliche In-vitro-Fertilitätstherapie (IVF) mit autologen Eizellen erhöht die Möglichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft, aber auch das Risiko für eine Frühgeburt und eine intrauterine Wachstumsretardierung (IUWR). Eine IVF mit Eizellspende erhöht ebenfalls das Risiko einer Mehrlingsgeburt und einer IUWR, ausserdem einer Präeklampsie sowie eines Gestationsdiabetes. Gerade bei einer Eizellspenden- IVF ist auch das Alter der Eizellspenderin wichtig. Insgesamt ist bei älteren Schwangeren das (habituelle) Abortrisiko höher, sowohl das Risiko eines Frühaborts als auch eines Spätaborts (12.–24. SSW).<br /> Zu den geburtshilflichen Komplikationen zählen neben Mehrlingsschwangerschaften (mono- und dichoriale Zwillinge) Frühgeburten, IUWR, das Risiko des intrauterinen Fruchttods (IUFT) bei Terminüberschreitung, das bei über 40-Jährigen fast um das Dreifache erhöht ist, Placenta praevia, intrapartale Uterusruptur bei Sectio sowie postpartale Hämorrhagie.<br /> Als internistische Komplikationen zählt Surbek vor allem die (präexistente) arterielle sowie die Gestationshypertonie auf, (Pfropf-)Präeklampsie, thromboembolische sowie kardiale Ereignisse und präexistenten bzw. Gestationsdiabetes. Um thromboembolische Komplikationen zu vermeiden, sollte eine Thrombophilie grosszügiger abgeklärt (familiäre/genetische Faktoren) und die Prophylaxe grosszügig indiziert werden. Thromboembolische Ereignisse und mögliche Schwangerschaftskomplikationen sollten vermieden werden, beispielsweise durch die Gabe niedermolekularer Heparine während der Schwangerschaft sowie sechs Wochen postpartal, ggf. plus ASS 100mg. Als Therapie sollte die Patientin niedermolekulare Heparine hoch dosiert erhalten, etwa in Form einer intravenösen Heparinisierung.<br /> Auch die Gefahr eines Gestationsdiabetes steigt mit zunehmendem mütterlichem Alter. Hier sind Diät (Übergewicht abbauen), körperliche Bewegung sowie Insulin bei Bedarf (25 % ) wichtig, seitens der werdenden Mutter Blutzuckerselbstkontrollen, seitens des Arztes Ultraschallkontrollen (Wachstum, Fruchtwassermenge, Doppler). Bei vorbestehendem Diabetes sollte ein möglichst niedriger HbA1c-Wert ohne Hypoglykämien erreicht werden, da eine strikte glykämische Kontrolle fetale Fehlbildungen reduziert.<br /> Zur Schwangerschaftsbetreuung insgesamt gehören Surbek zufolge eine Präkonzeptionsberatung, Screeningmassnahmen während der Schwangerschaft, Früherkennung pathologischer Entwicklungen sowie eine Frühintervention zur Outcome- Verbesserung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1702_Weblinks_s25_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="1045" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Vortrag von Prof. Daniel Surbek «Betreuung der schwangeren
Frau ab 40», FOMF Update Refresher Gynäkologie,
15.–17. Mai, Zürich
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