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Vulvodynie

Mehr als (nur) Schmerzen beim Sex!

Die Vulvodynie wird definiert als chronische (mind. 3 Monate anhaltende) Schmerzen im Bereich der Vulva, die keinem einzelnen Auslöser zugeordnet werden können. Die häufigste Unterform der Vulvodynie ist die lokalisierte, provozierte Vestibulodynie mit auf das Vestibulum der Vulva lokalisierten Schmerzen bei Provokation wie z.B. Berührung mit einem Wattetupfer. Die Betreuung von Patientinnen mit Vulvodynie ist – wie bei vielen chronisch schmerzhaften Zuständen – eine Herausforderung.

Keypoints

  • Vulvodynie ist eine lokalisierte chronische Schmerzstörung der Vulva, die vor allem in der Sexualität, aber auch in anderen Lebensbereichen Beschwerden verursacht.

  • Die multifaktorielle Genese und nicht ein einzelner Auslöser ist die Basis der oft jahrelangen Krankheitsverläufe.

  • Eine multidisziplinäre Therapie entsprechend der individuellen Situation ist essenziell für den Therapieerfolg.

  • Wissenschaftlich evaluierte assoziierte Faktoren der Vulvodynie wie histologische Aspekte, wiederkehrende lokale Infekte, (hypertone) Beckenbodendysfunktionen, psychische Komorbiditäten oder hormonelle Einflüsse etc. können oft auch therapeutisch genutzt werden.

Die Beschwerden werden oft als brennende Schmerzen vor allem beim (versuchten) vaginalen Verkehr erlebt, aber auch bei Berührung, beim Sport und bei der Menstruation treten häufig deutliche Einschränkungen der Lebensqualität durch die lokalisierten Schmerzen auf. Damit ist die Diagnose „Dyspareunie“ im Sinne von „Schmerzen beim Geschlechtsverkehr“ aus dem ICD-10 für viele dieser Patientinnen keine passende Beschreibung ihres Beschwerdebildes und auch bei der ICD-10-Diagnose „Vaginismus“ im Sinne von „durch muskuläre Anspannung unmögliches bzw. schmerzhaftes vaginales Einführen“ fehlt der Aspekt der oft schon durch Berührung ausgelösten Schmerzen.

In der Konsensusklassifikation von 2015 wurde auch eine Reihe von sog. „assoziierten Faktoren“ benannt. Diese zeigen bisher als einzelne Auslöser entweder wissenschaftlich nicht genug Evidenz oder sind individuell nicht stark genug ausgeprägt, um als Einzelfaktor die chronischen lokalisierten Schmerzen zu erklären (Tab. 1).

Tab. 1: Mit Vulvodynie assoziierte Faktoren und Beispiele entsprechend der Konsensusklassifikation 20151

Diagnose

Der oft lange Krankheitsverlauf bringt auch immer wieder negative Erfahrungen mit Untersuchungen oder Therapien mit sich. Eine vertrauensvolle Arzt-Patientinnen-Beziehung ist eine essenzielle Basis für den Therapieerfolg. Damit brauchen viele Schmerzpatientinnen gerade am Anfang Zeit, um sich sicher und verstanden zu fühlen.

© Valerie Klatte-Asselmeyer

Abb. 1: Anatomische Strukturen der Vulva

Für die Diagnose sind die Anamnese und die Inspektion der Vulva zumeist ausreichend. Hauptsymptom sind die Beschwerden im Vulvabereich vor allem bei Berührung bzw. versuchtem vaginalem Einführen. Die Inspektion sollte mithilfe eines Kolposkops erfolgen, um die starke Lichtquelle und die Möglichkeit der Vergrößerung nützen zu können. Eine genauere Evaluation der schmerzhaften Teilbereiche auf Hautebene erfolgt mithilfe eines Wattestäbchens („Q-Tip-Test“) und schmerzhafte Orte können von der Patientin auf einer Skala von 1 bis 10 genauer eingeordnet werden. Die bimanuelle Palpation mit einem vaginal eingeführten Finger ist hilfreich, um tiefer gelegene Schmerzpunkte vor allem im Bereich des Beckenbodens sowie Beckenbodengrundtonus und Willküraktivierung/Deaktivierung zu evaluieren, und wird von vielen Patientinnen ausreichend gut toleriert. Als Alternative ist eventuell die indirekte Palpation z.B. mit einer geschlossenen Pinzette oder die Palpation des Beckenbodens von außen möglich bzw. können Untersuchungsschritte auf einen nachfolgenden Termin verschoben werden. Eine infektiologische Abklärung ist durchaus sinnvoll, wird erfahrungsgemäß aber eher zu häufig wiederholt und muss dann in der Aussagekraft für die Gesamtsituation nochmal genauer evaluiert werden. Eine weitere gynäkologische Untersuchung ist nur im individuellen Einzelfall notwendig. Eine medizinisch nicht gerechtfertigte zusätzliche Schmerzauslösung sollte unbedingt verhindert werden!

Die gynäkologische Inspektion zeigt oft keine oder kaum Auffälligkeiten im Vulvabereich bei deutlichem Leidensdruck der Betroffenen. Hier ist die Kommunikation über die unauffällige Untersuchung/die unauffälligen Befunde das zentrale Element der ärztlichen Betreuung. Patientinnen fühlen sich schnell durch ein „da ist alles in Ordnung“ nicht ernst genommen, dabei können Ausschluss von Hauterkrankungen und Infektionen als Bestätigung der Vulvodynie betont werden. Sollte hier Unsicherheit bestehen, kann im Einzelfall auch eine Biopsie zum Ausschluss einer schmerzhaften Hauterkrankung wie z.B. Lichen planus in Betracht gezogen werden. Bei Vulvodynie finden sich in der Hautbiopsie gehäuft immunhistochemische Veränderungen wie Mastzellerhöhung oder intraepitheliale Hyperinnervierung. Die Diagnose erfolgt aber grundsätzlich klinisch und bei Unsicherheiten sollte die Indikationsstellung für eine Biopsie durch mit Vulvadermatosen und Vulvodynie vertrauten Fachärzt:innen gestellt werden.

Therapie

Therapeutisch ist wie bei anderen chronischen Schmerzerkrankungen immer auch eine psychotherapeutische bzw. sexualtherapeutische Begleitung/Therapie indiziert. Diese sollte von Anfang an ein integraler Bestandteil der Therapie sein und nicht eine „letzte Chance“, wenn sonst „alles andere nicht hilft“.

Bei der Sexualberatung als integraler Teil der Betreuung geht es auch um das Erarbeiten von genussvollen sexuellen Aktivitäten als Erweiterung des vorhandenen Repertoires und das Stärken der Kommunikation mit evtl. vorhandenen Partner:innen. Bei der häufigsten Variante der Vulvodynie, der lokalisierten provozierten Vestibulodynie, beschränken sich die Beschwerden auf das Vestibulum vulvae rund um den Introitus. Hier sind oft nicht penetrative sexuelle Praktiken schmerzfrei und genussvoll möglich.

Die passende Therapie von gehäuft vorhandenen Komorbiditäten wie z.B. Depression, Angststörungen oder anderen Schmerzstörungen ist auch eine tragfähige Stütze für die Besserung der vulvären Beschwerden.

Eine besonders wichtige Therapieoption, vor allem bei einer klinisch vorhandenen Beckenbodendysfunktion, ist eine spezialisierte Physiotherapie mit Fokus auf den Beckenboden, speziell auf die gezielte Entspannung. Besonders bei Beschwerden rund um das Thema „vaginales Einführen“ profitieren erfahrungsgemäß nahezu alle Patientinnen von den zahlreichen therapeutischen Möglichkeiten spezialisierter Physiotherapeut:innen.

Alle bekannten medikamentösen Ansätze für andere lokalisierte chronische Schmerzstörungen können in Betracht gezogen werden (Gabapentin, Pregabalin, Duloxetin, Amitryptilin,…).

Der Ausgleich einer (lokalen) hormonellen (Östrogen) Mangelsituation ist oft eine hilfreiche Basis.

Auch wiederkehrende Pilzinfekte sind häufig Auslöser bzw. erhaltender Faktor für eine Vulvodynie. Hierbei ist zu beachten, dass in der rezidivierenden Situation sowie bei chronischen lokalen Beschwerden weitestmöglich auf lokale Pilztherapiepräparate zugunsten von oralen Optionen (z.B. mit Fluconazol) verzichtet werden sollte.

Weitere spezifische therapeutische Optionen sind Mastzellstabilisatoren, Botoxinfiltrationen, lokale Testosteronapplikation, Lokalanästhetika, Laser, lokale Anwendungen von Amitryptilin oder Gabapentin, Vestibulektomie etc. Für alle Optionen gibt es wissenschaftliche Studien, die zumindest einen Teilerfolg zeigen können, aber oft fehlen (noch) Daten zu Langzeiteffekten und -erfolgen. Hier ist ein auch sonst wichtiger Grundsatz besonders zu beachten: immer die passende Lösung im interdisziplinären Netzwerk für die individuellen Patientinnen besprechen und in regelmäßigen Abständen evaluieren und anpassen.

1 Bornstein J et al.: 2015 ISSVD, ISSWSH and IPPS Consensus Terminology and classification of persistent vulvar pain and vulvodynia. Obstet Gynecol 2016; 127(4): 745-51

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