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Rezidivierende Vulvovaginalcandidose: Überblick und Ausblick
Jatros
Autor:
DI DDr. Marion Noe-Letschnig
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Wien<br> E-Mail: office@frau-und-gesundheit.at
30
Min. Lesezeit
01.06.2020
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<p class="article-intro">Die chronisch-rezidivierende Vulvovaginalcandidose (RVVC) betrifft etwa 5 % aller Frauen weltweit. Bei der RVVC gesellt sich zur Infektion eine fortgesetzte Entzündungsreaktion. Neue Therapiekonzepte müssen der Erreger-Wirt-Interaktion und spezifischen Biofilm-vermittelten Resistenzmechanismen Rechnung tragen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die vulvovaginale Candidose (VVC) ist eine der häufigsten gynäkologischen Infektionen. Die Prävalenz beträgt etwa 25–30 % der Frauen im Alter zwischen 15 und 65. Während die sporadische Candida-Vaginitis in der Mehrzahl der Fälle mit einer Standardtherapie erfolgreich zu behandeln ist, stellt die chronisch-rezidivierende Form der Erkrankung ein großes therapeutisches Problem dar. Die Häufigkeit der Rückfälle, die in einem Teil der Fälle bis zu ununterbrochen andauernden Beschwerden reicht, erzeugt bei den betroffenen Frauen einen sehr hohen Leidensdruck.<sup>1–3</sup></p> <h2>Klinische Charakteristik und Diagnosestellung</h2> <p>Unter vulvovaginaler Candidose (VVC) versteht man eine Infektion der Vaginalschleimhaut durch Candida-Hefepilze. Leitsymptom ist der vaginale Juckreiz. Häufig treten auch brennende Schmerzen und Wundgefühl auf. Von chronisch-rezidivierender Vulvovaginalcandidose (RVVC) spricht man, wenn es innerhalb von 12 Monaten mindestens viermal zu Krankheitsepisoden kommt. Der vaginale Fluor ist bei chronisch-entzündlichem Verlauf – im Gegensatz zum sporadischen Verlauf – oft stark vermindert. Die Diagnosestellung erfolgt durch das klinische Bild in Kombination mit dem Nachweis von Hyphen durch Mikroskopie. Die Sekretkultur kann zusätzlich zur Absicherung der Diagnose und zur Speziestypisierung dienen.<br /> Die mikroskopische Befundaufnahme ist einfach und deswegen von großer Bedeutung, weil eine ähnliche klinische Symptomatik auch häufig durch bakterielle Fehlbesiedelungen hervorgerufen werden kann – sowohl durch eine reine bakterielle Vaginose (BV) als auch durch Mischinfektionen (= gleichzeitiges Vorliegen einer bakteriellen Vaginose und einer Pilzinfektion). Die Häufigkeit einer ärztlichen Fehldiagnose ohne mikroskopische oder mikrobiologische Untersuchung wird mit bis zu 50 % angegeben, die Selbstdiagnostik durch die Patientin hat eine noch höhere Fehlerquote.<sup>2, 4</sup> Häufig ergibt sich daher eine Chronifizierung der Beschwerden durch eine unzureichende Behandlung beim Vorliegen von Mischinfektionen oder eine gänzliche Fehlbehandlung bei einer BV als Ursache der Beschwerden. Eine direkte mikroskopische Untersuchung (nativ oder Gramfärbung) ist in diesen Fällen auch zielführender als die Sekretkultur, weil im Mikroskop eine bessere Quantifizierung der Milchsäurebakterien im Verhältnis zu anderen Bakterien erfolgen kann.<sup>5</sup></p> <h2>Pathogenese</h2> <p>Was im Einzelfall der Auslöser einer Chronifizierung ist, bleibt letztlich unklar. Als Risikofaktoren werden in der Regel Stress und Immunsuppression wie bei Diabetes mellitus oder unter immunsuppressiver Therapie genannt. Auch nach Antibiotikaeinnahme wird häufig über Rückfälle berichtet. Hormonelle Faktoren spielen sicherlich eine gewisse Rolle, was durch die typische Häufung in der zweiten Zyklushälfte oder auch in der Schwangerschaft belegt wird. In beiden Situationen ergibt sich eine gewisse Immunsuppression. Aber schon bei den ebenfalls häufig zitierten hormonellen Kontrazeptiva wird das Bild etwas unklarer, da diese natürlich auch ein Hinweis auf die sexuelle Aktivität sind, was für sich einen Risikofaktor darstellt. Insgesamt spricht vieles dafür, dass RVVC sich aus dem Zusammentreffen verschiedener krankheitserhaltender Faktoren entwickelt und dass die fortgesetzte Interaktion zwischen Mikroorganismus und Wirt einen entscheidenden Beitrag zur Chronifizierung liefert.</p> <h2>Resistenzmechanismen</h2> <p>Publikationen, in denen bei RVVC über vermehrtes Auftreten resistenter Candida-Hefen, entweder aufgrund der Spezies oder einer Resistenzentwicklung, berichtet wird, bleiben vereinzelte Befunde. Mit großem Abstand ist Candida albicans, welche in 85–90 % der Fälle isoliert wird, das häufigste Pathogen.<sup>6</sup> Candida albicans weist keine pharmakologische Resistenz gegen Clotrimazol und Fluconazol auf.<sup>4</sup> Unabhängig von der erhaltenen Suszeptibilität gegenüber Antimykotika kommt es jedoch bei der RVVC häufig zu einer klinischen Resistenz, die sich zunächst in einer deutlich verminderten Ansprechrate in der primären Heilungsrate nach Standardtherapie äußert. So liegt die primäre Ansprechrate bei RVVC-Patientinnen bei topischer Clotrimazol-Therapie oder der äquivalenten Therapie mit einer Einmaldosis 150 mg Fluconazol bei 57 % (vs. 80 % bei Patientinnen mit sporadischer VVC).</p> <h2>Biofilm</h2> <p>Einer der Gründe für das Auftreten von Resistenzen dürfte in der Ausbildung von Biofilmen liegen.<sup>7</sup> Die verminderte Empfindlichkeit gegenüber antimykotischer Therapie beruht in diesem Fall im Wesentlichen auf drei Faktoren:</p> <ul> <li>Schutz der im Biofilm enthaltenen Zellen durch die umgebende Matrix</li> <li>Austausch bzw. „gemeinsame Nutzung“ von Resistenzfaktoren</li> <li>„Persister“-Zellen: metabolisch inaktive Zellen an der Basis des Biofilms, die durch Antimykotika, deren Wirkung in den meisten Fällen gegen wachsende Zellen (Zellwandsynthese) gerichtet ist, nicht angegriffen werden</li> </ul> <p>Diese Mechanismen sind ein Grund für das Auftreten der häufigen Rückfälle, da immer ein ausreichend großes Reservoir an Pilzzellen im Organismus verbleibt, um bei günstigen Bedingungen einen neuen Krankheitsschub auszulösen.</p> <h2>Chronische Entzündung</h2> <p>Der zweite wesentliche Faktor bei der Entstehung einer RVVC ist die Ausbildung einer chronischen Entzündung, die auch nach dem Abklingen einer akuten Episode auf niedrigem Niveau weiter bestehen bleibt. Während der Umwandlung der Candida-albicans-Hefe vom harmlosen Kommensalen zum pathogenen Organismus beginnt der Hefepilz Prostaglandin E andere Entzündungsmediatoren sowie direkt zellschädigende Substanzen zu produzieren.<sup>8–10</sup> Gleichzeitig erfolgt eine morphologische Transformation mit der Aussprossung von Hyphen. Im Rahmen der Entzündungsreaktion wird überdies sowohl beim Wirt als auch in den Pilzhyphen die Bildung von Adhäsionsmolekülen induziert. Diese ermöglichen die Anheftung der Pilzkolonien an den Schleimhautepithelien des Wirtsorganismus und sind die Grundlage der Ausbildung von Biofilmen und für die Invasion der Pilzzellen in tiefere Epithelschichten. Da der Pilz in seiner Hyphenform durch die laufende Produktion von Prostaglandinen und zellschädigenden Substanzen den Nachschub an Entzündungsmediatoren im Biofilm ständig aufrechterhält, kommt es zu einer Verselbstständigung der krankheitserhaltenden Mechanismen und zu einer chronischen Entzündung.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die chronisch-rezidivierende Vulvovaginalcandidose (RVVC) ist therapeutisch oft schwer zu beherrschen. Die Behandlungserfolge nehmen mit zunehmender Verlaufsdauer und steigender Rückfallhäufigkeit ab.<sup>11</sup> Leitlinienkonform wird für die Behandlung der RVVC nach einer hoch dosierten oralen antimykotischen Induktionstherapie eine antimykotische orale Langzeittherapie empfohlen. Die vorgeschlagenen Therapieschemata mit sechsbis zwölfmonatiger Behandlungsdauer reduzieren die Rückfallhäufigkeit zwar unter laufender Therapie, jedoch beträgt die Rückfallrate nach Absetzen der Therapie 45 bis 57 % innerhalb von sechs Monaten.<sup>11, 12</sup> Bei RVVC wirkt die antimykotische Behandlung also in einer Vielzahl der Fälle nur beschwerdelindernd und supprimierend, aber nicht kurativ.</p> <h2>Zukunftsaussichten</h2> <p>Die RVVC wurde über lange Zeit primär als eine Krankheit angesehen, welche lediglich ein persönliches Problem für wenige Frauen sei. Daher ist die Verbreitung von kaum effizienten Gelegenheitstherapien weiter nicht überraschend. Erst in jüngerer Zeit finden sich gesteigerte Bemühungen zu einer gezielten Therapie von RVVC.<br /> Die Entwicklung von Impfungen geht nur schleppend voran, es gibt derzeit keine Fortschritte zu vermelden.<br /> Derzeit laufen klinische Phase-III-Studien mit zwei neuen Vertretern von Azolwirkstoffen (Oteseconazol, VT-1161 und Ibrexafungerp, Scy-078) zur systemischen Anwendung. Diese sind pharmakologisch aktiver als Fluconazol und verfolgen im Grunde den gleichen Therapieansatz, nämlich die Hemmung der Ergosterolbiosynthese. Für Oteseconazol zeigte sich in einer ersten Phase-IIa-Studie eine reduzierte Rückfallrate nach Langzeittherapie im Vergleich zu Placebo.<br /> Mit Prof-001 (Clotrimazol und Diclofenac) wird ein neues Therapiekonzept umgesetzt, welches durch gleichzeitige Hemmung von Entzündung, Adhäsion und antimykotische Wirkung die Überwindung der biofilmspezifischen Resistenzmechanismen und der chronischen Entzündung zum Ziel hat. In einer von 2017 bis 2018 durchgeführten klinischen Studie wurde bereits eine deutlich verbesserte Ansprechrate in der Behandlung akuter Episoden bei RVVC gezeigt. Somit wird eine vollständige Ausheilung als Voraussetzung für eine erniedrigte Rückfallrate ermöglicht. Seit Oktober 2019 läuft eine multinationale Phase-IIb/III-Studie unter anderem an den Universitätskliniken für Frauenheilkunde in Wien und Innsbruck sowie in sechs zusätzlichen Zentren in Wien, Tirol und Vorarlberg.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Ramsay S et al.: Practical management of recurrent vulvovaginal candidiasis. Trends in Urology, Gynaecology & Sexual Health 2009; 14(6): 18-22 <strong>2</strong> Blostein F et al.: Recurrent vulvovaginal candidiasis. Ann Epidemiol 2017; 27(9): 575-82 <strong>3</strong> Denning DW et al.: Global burden of recurrent vulvovaginal candidiasis: a systematic review. Lancet Infect Dis 2018; 18(11): e339-e347 <strong>4</strong> eigene unveröffentlichte Arbeiten <strong>5</strong> Donders G: Das Mikroskop in der gynäkologischen Praxis: Obsolet oder unzureichend genützt? Speculum 2004; 1: 14-23 <strong>6</strong> Dovnik A et al.: Treatment of vulvovaginal candidiasis: a review of the literature. Acta Dermatovenerol Alp Pannonica Adriat 2015; 24(1): 5-7 <strong>7</strong> Muzny CA, Schwebke JR: Biofilms: an underappreciated mechanism of treatment failure and recurrence in vaginal infections. Clin Infect Dis 2015; 61(4): 601-6 <strong>8</strong> Noverr MC et al.: Pathogenic yeasts Cryptococcus neoformans and Candida albicans produce immunmodulatory prostaglandins. Infect Immun 2001; 69(5): 2957-63 <strong>9</strong> Noverr MC et al.: Regulation of Candida albicans morphogenesis by fatty acid metabolites. Infect Immun 2004; 72(11): 6206-10 <strong>10</strong> Naglik J et al.: Candida albicans proteinases and host/pathogen interactions. Cell Microbiol 2004; 6(10): 915-26 <strong>11</strong> Donders G et al.: Individualized decreasing-dose maintenance fluconazole regimen for recurrent vulvovaginal candidiasis (ReCi- DiF trial). Am J Obstet Gynecol 2008; 199(6): 613.e1-9 <strong>12</strong> Sobel JD et al.: Maintenance fluconazole therapy for recurrent vulvovaginal candidiasis. N Engl J Med 2004; 351(9): 876-83</p>
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</p>
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