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PMS-Beschwerden oft behandlungsbedürftig
Leading Opinions
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Das prämenstruelle Syndrom (PMS) zählt zu den häufigsten gynäkologischen Problemen. Seine vielschichtigen Symptome – physische wie psychische, die variieren oder sich vermischen – und deren Auslöser sind dennoch trotz jahrelanger Forschungen nicht genau identifiziert. PMS tritt während der Lutealphase des weiblichen Zyklus auf und verschwindet mit oder kurz nach Einsetzen der Menstruation. Entsprechend vielfältig sind die Therapiemöglichkeiten, die sich nach den Symptomen richten sollten.</p>
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<p class="article-content"><p>Unabhängig von Kontinent und Hautfarbe berichten epidemiologischen Studien zufolge rund 80 % der Frauen im reproduktionsfähigen Alter über körperliche und psychische prämenstruelle Symptome der unterschiedlichsten Art. Diese reichen von Spannungsgefühlen in den Brüsten über Bauch-, Kopf- und Rückenschmerzen, Krämpfe, Übelkeit und Verdauungsbeschwerden bis hin zu dermatologischen Problemen (Akne, Gesichtsödeme). Zu den psychischen Problemen zählen vor allem depressive Verstimmungen, Depressionen, Angst, Affektlabilität sowie Reizbarkeit und sogar Wutanfälle (Tab. 1a).<sup>1</sup> Über 20 % der Frauen haben hinsichtlich ihrer Arbeitsfähigkeit wie auch ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Zeitraum so starke Probleme, dass sie einen Arzt aufsuchen. Bis zu 18 % dieser Frauen weisen eine extrem schwere Form des PMS auf, die als prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) bezeichnet wird.</p> <h2>Kriterien für die Diagnose</h2> <p>Zwar ist das PMS seit 2000 als Krankheitsbild definiert und anerkannt, dennoch bleiben die PMDS und die schwere PMS oft unbehandelt – oder werden nicht ernst genommen.<br /> Derzeit stellen Symptomtagebücher den Goldstandard in der Diagnostik von PMS dar. Doch die zeitaufwendigen Tagebücher werden von den Betroffenen schlecht akzeptiert. Aussagekräftiger sind Screenings für prämenstruelle Symptome.<sup>2, 3</sup> Für die Diagnose PMDS muss mindestens eines der Kernsymptome als stark beurteilt werden (Tab. 1b), für PMS mindestens eines der Kernsymptome als mässig bis stark, ausserdem bei beiden Beurteilungen zusätzlich mindestens vier weitere Symptome als mässig bis stark.<sup>4</sup><br /> Denn erst wenn die Symptome über mehrere Monate stets ein bis zwei Wochen vor der Menstruation auftreten, liegt medizinischer Ansicht zufolge ein Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus nahe. Zudem muss der Arzt Ursachen ausgeschlossen haben, die ähnliche Symptome auslösen können, beispielsweise eine Hypothyreose oder eine Endometriose. Auch der Hormonstatus (FSH) inkl. Schilddrüsenhormonen und Melatoninspiegel ist erforderlich.<br /> In die Therapieentscheidung müssen neben den vorliegenden Beschwerden das Alter der Patientin (Beginn der Wechseljahre?) einbezogen werden, ihr kardiovaskuläres Risiko sowie Komorbiditäten (z.B. Asthma, Rheuma). Zu berücksichtigen sind psychische Faktoren wie Depressionen, aber auch persönliche Präferenzen der Patientin.<br /> Der Zusammenhang zyklusabhängiger Beschwerden mit hormonellen Prädiktoren wird seit Langem untersucht,<sup>5</sup> bisher allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Zwar wurden zyklusbedingte Östrogen- und Progesteronschwankungen mit den Beschwerden in Verbindung gebracht, bisher sind aber keine systematisch veränderten Östrogen- oder Progesteronspiegel bei betroffenen Frauen gefunden worden.<sup>6</sup><br /> Selbst genetische Faktoren könn(t)en eine Rolle spielen, für PMDS beispielsweise genetische Variationen des Östrogenrezeptor- alpha-Gens.</p> <h2>Therapiemöglichkeiten bei PMS</h2> <p>Eine Therapie des PMS erfordert aufgrund der vielschichtigen Symptome die Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen: praktische Ärzte, Gynäkologen und Psychiater. Um diesen eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, ist von einer interdisziplinären Expertengruppe aus Gynäkologen, gynäkologischen Endokrinologen, Psychiatern, Psychologen und Spezialisten in Phytotherapie unter Leitung von Prof. Dr. med. Petra Stute, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern/Schweiz, ein Schweizer Konsensus zur Diagnostik und Therapie des PMS erarbeitet worden.<sup>4</sup><br /> Bei PMS-Beschwerden lassen sich akute Schmerzen durch Schmerzmittel lindern, ausserdem durch Hormone wie die Antibabypille mit Gestagen, unter Umständen auch mit einem Präparat aus der Yamswurzel mit dem Inhaltsstoff Diosgenin (Vorstufe des Progesterons) oder durch Östrogenpflaster. Stute rät Pillenanwenderinnen, das hormonfreie Intervall eventuell auf vier Tage zu verkürzen. Gegen Aufschwemmungen, etwa an den Fussknöcheln, können Diuretika eingesetzt werden. Mit Vitaminen wie Vitamin B6 und/oder Vitamin E sowie Mineralstoffen wie Kalzium und Magnesium lassen sich leichtere PMS-Beschwerden lindern. Gegen mildere depressive Verstimmungen können Johanniskrautpräparate helfen. Als Erstlinientherapie gegen PMS wie auch PMDS nennt der Schweizer Konsensus Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus L.), der sowohl somatische als auch affektive Beschwerden signifikant lindert und zusätzlich zur oralen Kontrazeption genommen werden kann.<sup>4</sup> Bei manchen Frauen lassen sich die PMS-Symptome auch durch Akupunktur reduzieren. Gegen psychische Beschwerden, speziell bei PMDS, können Antidepressiva (für ca. 14 Tage) eingesetzt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1702_Weblinks_lo_gyn_1702_s39_tab1a+b.jpg" alt="" width="1417" height="1719" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 174. Diskussionsrunde der Münchner Medizinjournalisten,
München, 8. August 2017. Referentin: Prof. Petra Stute, Leitende
Ärztin und Stv. Leiterin der Abteilung für Gynäkologische
Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Universitätsklinik
für Frauenheilkunde, Inselspital Bern, Schweiz
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> K wan I , O nwude J L: P remenstrual s yndrome. B MJ Clin Evid 2015; 2015: 0806 <strong>2</strong> Bentz D et al.: S IPS – Screening-Instrument für prämenstruelle Symptome. Nervenarzt 2012; 83: 33-9 <strong>3</strong> Ditzen B et al.: Deutschsprachiger DSM-IV-TR basierter Fragebogen zum prämenstruellen Syndrom. Psychologisches Institut der Universität Zürich, 2011 <strong>4</strong> Stute P et al.: I nterdisciplinary consensus on management of premenstrual disorders in Switzerland. Gynecol Endocrinol 2017; 33: 342-8 <strong>5</strong> Frank RT: The hormonal causes of premenstrual tension. Arch Neurol Psychiatry 1931; 26: 1053 <strong>6</strong> Jarvis CI et al.: Management strategies for premenstrual syndrome/premenstrual dysphoric disorder. Ann Pharmacother 2008; 42: 967-78</p>
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