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Pathologie in Schwangerschaft und Perinatalperiode

<p class="article-intro">Das Zusammenwirken der drei Faktoren „Mutter, Plazenta und Kind“ macht die Zeit der Schwangerschaft und Geburt zu einer höchst vulnerablen Periode im Leben des Menschen und bei pathologischen Veränderungen zu einer interdisziplinären Herausforderung. Die klinischen Spezialdisziplinen wie Pränataldiagnostik, insbesondere pränatale Bildgebung, Humangenetik, Neonatologie, ggf. Kinderchirurgie und die Pathologie arbeiten zusammen, um eine bestmögliche Diagnostik, Therapie und weiterführende Beratung zu ermöglichen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Schwangerschaftspathologie hat als Aufgabe, Aborte bestm&ouml;glich abzukl&auml;ren, die Ursache eines intrauterinen Fruchttodes herauszufinden und Fehlbildungen zu diagnostizieren.</li> <li>Nach medizinisch indizierten Abruptiones/Fetoziden ist die Obduktion von Fehl- und Totgeborenen als Qualit&auml;tskontrolle zur Verifikation und Pr&auml;zisierung von Fehlbildungen unerl&auml;sslich.</li> <li>Die pathologische Aufarbeitung der Plazenta ist bei m&uuml;tterlichen Erkrankungen wie Diabetes mellitus und kindlichen Erkrankungen wie intrauteriner Wachstumsretardierung bedeutsam.</li> <li>Die Perinatalpathologie besch&auml;ftigt sich mit Fr&uuml;hgeburtlichkeit und der Analyse bei subpartalem Exitus. Dies und die Aufarbeitung von postpartalen Hysterektomien bilden ein Grenzgebiet zur Forensik, besonders in heutiger Zeit.</li> </ul> </div> <p>In der folgenden Zusammenstellung werden die Aufgaben und die Zielsetzung dieses Spezialgebietes der Pathologie anhand von Beispielf&auml;llen von fr&uuml;hen Aborten bis zum Wochenbett pr&auml;sentiert</p> <h2>1. Trimenon</h2> <p>Bei Aborten des 1. Trimenons gelangt Curettagematerial zur Einsendung, das nur in Ausnahmef&auml;llen einen erhaltenen Embryo und h&auml;ufig keinerlei Fruchtanteile aufweist.<br />Die pathologische Untersuchung dient dem Nachweis der intrauterinen Gravidit&auml;t, kann einen Hinweis auf chromosomale Anomalien des Kindes geben und soll die Mutter gef&auml;hrdende Pathologien wie Partialmole (&bdquo;partial hydatidiform mole&ldquo;), Blasenmole (&bdquo;complete hydatidiform mole&ldquo;) oder Chorionkarzinom ausschlie&szlig;en. Eine Molenplazenta ist sonografisch bereits im ersten Trimenon sichtbar und im voll entwickelten Stadium auch am Makropr&auml;parat (Abb. 1). Zur weiteren Differenzierung ist die histologische Untersuchung n&ouml;tig, die durch Flowzytometrie oder FISH-Untersuchung eine Partialmole nachweisen kann und durch eine immunhistochemische Untersuchung mit Antik&ouml;rpern gegen p57Kip2 die Blasenmole. Beide Molen zeigen im Gegensatz zum Chorionkarzinom eine Wahrscheinlichkeit von unter 20 % , eine persistierende trophoblast&auml;re Erkrankung nach sich zu ziehen. Dennoch sind von klinischer Seite bei dieser Diagnose regelm&auml;&szlig;ige Nachkontrollen des postabortalen &beta;-HCG-Spiegels n&ouml;tig, um eine &bdquo;gestational trophoblastic disease&ldquo; (GTD) auszuschlie&szlig;en.<br />Die Pr&auml;nataldiagnostik unterzieht das Kind bereits im ersten Trimenon einer intensiven sonografischen Untersuchung, dem &bdquo;Ersttrimesterscreening&ldquo;, das von Prof. K. Nicolaides in London entwickelt, standardisiert und erweitert wurde. Die Untersuchung der Nasenbeinossifikation und die Messung der Nackendichte/-transparenz geben erste Hinweise z.B. auf eine Trisomie 21 (Abb. 2). Durch eine Chorionzottenbiopsie kann diese genetisch verifiziert werden. <br />Auch ein h&auml;ufig mit Trisomie 21 einhergehender Herzfehler kann sonografisch bei g&uuml;nstigen Sichtverh&auml;ltnissen und Expertise bereits im 1. Trimenon gesehen werden. Die Obduktion pr&auml;zisiert dann das Vitium und dokumentiert Stigmata und eventuelle weitere Fehlbildungen.<br />St&ouml;rungen der ZNS-Entwicklung wie mangelnder Verschluss des Neuralrohrs am kranialen Pol resultieren in einer sonografisch im 1. Trimenon meist detektierbaren Exenzephalie, die sich im weiteren Verlauf zum lange bekannten Anencephalus als letale Malformation entwickelt (Abb. 3 und Abb. 4). Skelettfehlbildungen k&ouml;nnen im Ultraschall schon fr&uuml;h suspiziert werden. (Abb. 5) Die Osteogenesis imperfecta stellt in ihrem Untertyp II eine letale Verlaufsform dar und ist durch Obduktion und Kinderradiologie eindeutig zu klassifizieren (Abb. 6).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1802_Weblinks_s32_1.jpg" alt="" width="2160" height="1227" /></p> <h2>2. Trimenon</h2> <p>Das pr&auml;natale &bdquo;Organscreening&ldquo; zwischen der 19. und 22. Schwangerschaftswoche (SSW) beinhaltet eine detaillierte Ultraschalluntersuchung, welche aktuellen Standards der Ultraschallgesellschaften entsprechen muss.<br />Klassisches Beispiel daf&uuml;r ist die mit Anhydramnie einhergehende Nierenagenesie. Durch Dopplerultraschall kann das Fehlen der Aa. renales verdeutlicht und die Diagnose gesichert werden (Abb. 7). Die nicht seltenen (1:10.000) autosomal rezessiv vererbten polyzystischen Nieren (ARPKD) sind sonografisch bereits fr&uuml;h auff&auml;llig und bieten ein eindrucksvolles Bild als Makropr&auml;parat (Abb. 8). <br />Ein sonografisch in der 19. SSW festgestelltes Vitium cordis mit rigidem und kugelig ausgeweitetem linkem Ventrikel zeigt die Schwierigkeiten in der Beratung der Eltern bez&uuml;glich der kindlichen Prognose (Abb. 9). Nach der Abruptio ergab die Obduktion in diesem Fall eine Endokardfibroelastose des linken Ventrikels in der Dilatationsform (Abb. 10) und eine Ebstein-Anomalie in der rechten Herzh&auml;lfte.<br />Die Zervixinsuffizienz als h&auml;ufigste Ursache einer aszendierenden Amnioninfektion ist sonografisch im Extremfall eindrucksvoll als Fruchtblasenprolaps darzustellen (Abb. 11). Nicht jede Chorioamnionitis bietet klinische Infektionszeichen, kann aber dennoch im zweiten Trimenon zur Totgeburt f&uuml;hren. Ihr pathologischer Nachweis wird nach der Untersuchung der Plazenta und nach der Obduktion des Kindes histologisch gef&uuml;hrt.<br />Der Fall eines pr&auml;- und postsakral gelegenen Stei&szlig;teratoms wird in der Parallelit&auml;t von Bildgebung und Makropathologie dargestellt (Abb. 13 und 14). Solide Tumoren wie Stei&szlig;teratome, aber auch Plazentatumoren wie ein gro&szlig;es Chorangiom stellen eine Belastung des kindlichen Kreislaufs dar und k&ouml;nnen &uuml;ber eine Kardiomegalie zur Herzinsuffizienz des Kindes f&uuml;hren. H&auml;ufig gehen sie mit einem Hydramnion und einem Hydrops placentae einher. Es kann hier also aus der Plazentamorphologie auf die kindliche Pathologie geschlossen werden.</p> <h2>Untersuchungen der Plazenta</h2> <p>Die Plazentauntersuchung ist auch bei m&uuml;tterlicher Pr&auml;-/Eklampsie von essenzieller Bedeutung und kann kindliche Wachstumsretardierung oder Fr&uuml;hgeburt als plazentogen bedingt erkl&auml;ren. Bei m&uuml;tterlichem Diabetes mellitus dient die Plazentamorphologie indirekt der Qualit&auml;tskontrolle der Diabeteseinstellung der Mutter w&auml;hrend der Schwangerschaft. Ein besonderes Kapitel bildet die Pathologie von Zwillingen, insbesondere von eineiigen Zwillingen mit monochorialer Plazenta. Dabei kann es zu verschiedenen Formen des fetofetalen Transfusionssyndroms (FFTS) kommen, die mit hoher Mortalit&auml;t beider Kinder assoziiert sind. Im Laserzentrum an der Grazer Frauenklinik werden intrauterin die Gef&auml;&szlig;anastomosen zwischen den Zwillingen an der Plazentaoberfl&auml;che verschlossen (Abb. 15 und 16). Die nachfolgende Plazentauntersuchung verdeutlicht die Spuren des Eingriffs und dient der Qualit&auml;tskontrolle der Laserung (Abb. 17, 18a und 18b).<br />Implantationsst&ouml;rungen wie Placenta increta oder Placenta percreta sind durch Fehlen der basalen Deziduaschicht verursacht. Sie treten geh&auml;uft nach einer vorangegangenen Sectio auf und kommen infolge steigender Sectiofrequenz zunehmend h&auml;ufiger vor. Eine Placenta percreta f&uuml;hrt zu kritischen peripartalen Situationen im Krei&szlig;saal und stellt mittlerweile eine h&auml;ufige Ursache der postpartalen Hysterektomie dar. Die pr&auml;natale Diagnose kann hier f&uuml;r die Geb&auml;rende lebensrettend sein (Abb. 19 und 20).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1802_Weblinks_s32_2.jpg" alt="" width="2152" height="2056" /></p> <h2>Sensibler Umgang gefordert</h2> <p>Zuletzt muss noch auf die menschliche Seite dieses Spezialkapitels der Pathologie hingewiesen werden.<br />Die Schwangerschaftspathologie bewegt sich in einem sensiblen Bereich. Es sind heikle F&auml;lle, sowohl in ethischer Hinsicht rund um (Sp&auml;t-)Abbruch und Fetozid als auch im emotionalen Bereich f&uuml;r die betroffenen Familien, wenn die Erwartung eines gesunden Kindes nicht erf&uuml;llt wurde. Auch in forensischer Hinsicht ist eine moderne Fetalpathologie wichtig, da die Klagebereitschaft wegen angeblicher pr&auml;nataldiagnostischer Fehldiagnosen steigt.<br />Somit sind f&uuml;r alle Beteiligten neben fachlicher Expertise und guter Kooperation der jeweils betroffenen Fachdisziplinen Fingerspitzengef&uuml;hl und achtsamer Umgang mit den betroffenen Angeh&ouml;rigen unerl&auml;sslich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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