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Osteoporose – was man wissen sollte
Jatros
Autor:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Georg Pfeiler
Leiter der onkologischen Brustambulanz<br> Universitätsklinik für Frauenheilkunde<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: georg.pfeiler@meduniwien.ac.at
30
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09.03.2020
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<p class="article-intro">Die Hauptproblematik besteht darin, dass Osteoporose oft gar nicht diagnostiziert wird und die Patienten unversorgt sind. Die Erkrankung verläuft primär symptomfrei, erst die Komplikation der Osteoporose, nämlich die Fraktur, kann zu Symptomen und damit zu Problemen führen. Eine Basistherapie kann generell jeder postmenopausalen Frau empfohlen werden.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Prävalenz der Osteoporose ist enorm hoch, die Inzidenz aufgrund verschiedener Faktoren – vor allem des zunehmenden Älterwerdens der Gesellschaft – stark steigend. In Deutschland sind 7,8 Millionen Menschen bzw. jede 2. Frau über 50 Jahren an Osteoporose erkrankt. Jede zweite Minute erleidet ein Osteoporosepatient in Deutschland eine Fraktur, das entspricht 333 000 Frakturen pro Jahr. Dividiert man diese Zahlen durch 10, ist man bei den österreichischen Daten: 740 000 der über 50-Jährigen sind von Osteoporose betroffen, davon wiederum 617 000 Frauen. Jährlich erleiden rund 16 500 Personen in Österreich eine hüftgelenksnahe Fraktur. Auch rezente Daten aus den USA zeigen kein besseres Bild. Beim diesjährigen Meeting der ASBMR (American Society of Bone and Mineral Research) in Orlando wurde ein amerikanischer Datensatz präsentiert: 11 % der über 50-Jährigen sind an Osteoporose erkrankt (Frauen: 16,5 % ; Männer: 5,1 % ). Obwohl es in den letzten Jahren zu einer Reduktion der Gesamtfrakturrate gekommen ist, steigt die Zahl der wirklich relevanten Hüft- und Femurfrakturen an. Das wiederum schlägt sich in einem deutlichen Kostenzuwachs von 28,1 Milliarden Dollar im Zeitraum 1998 – 2000 auf 73,6 Milliarden Dollar für den Zeitraum 2012 – 2014 nieder. Die jährlichen Kosten aufgrund von Osteoporoseerkrankungen und vor allem deren Komplikationen belaufen sich in Österreich auf ungefähr 1,7 Milliarden Euro.<br /> Osteoporose, die definiert ist als Verminderung der Knochendichte und / oder Knochenqualität, ist primär symptomlos. Erst die Komplikation der Osteoporose, nämlich die Fraktur, kann zu Symptomen, vor allem Schmerzen, aber auch Parästhesien, bis hin zur Immobilität führen. Die Hauptkomplikation der Osteoporose ist die Hüftfraktur, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann. 80 % der Patienten geben ein Jahr nach der Hüftfraktur Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten an, 40 % beklagen eine Unfähigkeit zum selbstständigen Gehen und mehr als 20 % müssen in einem Pflegeheim weiterbetreut werden. Die Inzidenz der osteoporotischen Hüftfraktur ist gleich hoch wie bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder Brustkrebs – so kanadische Daten. Die Mortalität der osteoporotischen Hüftfraktur übersteigt die des Mammakarzinoms bei Frauen gleichen Alters mit 14–36 % hingegen deutlich. Die 1-Jahres-Mortalität der osteoporotischen Hüftfraktur liegt bei 20–25 % .<br /> Umso erschreckender ist es, dass Patienten mit Osteoporose im Regelfall NICHT therapiert werden. Niemand würde eine Patientin mit Brustkrebs oder Herzinfarkt einfach nicht behandeln. Es werden aber nur 20–25 % der Patienten mit Osteoporose behandelt. Nur für 35 % der 333 000 Patienten mit inzidenter Fraktur in Deutschland wurde eine Knochendichtemessung veranlasst und nur 22 % der 7,8 Millionen Osteoporosepatienten erhalten eine spezifische Therapie, aber 90 % Analgetika. Rezente Daten einer europäischen multinationalen Studie bestätigen dies: Bei 68 % der Patienten mit erhöhtem Frakturrisiko wird die Diagnose Osteoporose nicht gestellt und 75 % der Patienten werden nicht behandelt. Patienten mit erhöhtem Frakturrisiko, bei denen die Diagnose Osteoporose nicht gestellt wurde, werden in bis zu 100 % nicht behandelt. Das bedeutet, unsere erste wichtige Aufgabe ist es, Osteoporose zu diagnostizieren. Erst dann kann adäquat behandelt werden.</p> <h2>Ursachen und Diagnostik</h2> <p>Die Ursachen der Osteoporose sind vielfältig. Der Knochen mit den knochenaufbauenden Osteoblasten und abbauenden Osteoklasten unterliegt verschiedenen feinen Regulationssystemen, deren Störung zu vermindertem Aufbau/vermehrten Abbau bzw. veränderter Mikroarchitektur und erhöhter Fragilität führen kann. Östrogene spielen vor allem im knochenaufbauenden System bei Frauen eine wesentliche Rolle. Osteoblasten weisen Östrogenrezeptoren auf, sodass hier direkte Effekte vorliegen. Aufgrund dieser zentralen Rolle der Östrogene haben jegliche Veränderungen der Östrogenproduktion bzw. des Östrogenspiegels Einfluss auf die Knochengesundheit. In der frühen Phase der Postmenopause verlieren Frauen zunächst den trabekulären Knochen. Dies begünstigt vor allem das Auftreten vertebraler Frakturen. Im höheren Lebensalter kommt es vorwiegend zu einem Verlust im kortikalen Bereich des Knochens, was mit einer signifikanten Zunahme an Hüftfrakturen assoziiert ist.<br /> Nach wie vor ist das wesentliche Diagnostikum der Osteoporose die Knochendichtemessung. Neuere Methoden wie der Trabecular Bone Score (TBS), der über Grauwerte auch eine Aussage über die Qualität des Knochens – zumindest bedingt – macht, können additiv verwendet werden. Die Knochenblutparameter sPINP sowie s-CTX sind vor allem für das Abschätzen des Verlaufs der Erkrankung und auch des Therapieansprechens gut geeignet und in Verwendung. Ein Großteil klinischer Faktoren geht in das FRAX ein, welches im Internet kostenlos befüllt werden kann und das 10-Jahres-Risiko für eine Major Fracture bzw. eine Hüftfraktur berechnet. Ab 20 % 10-Jahres-Risiko für eine Major Fracture bzw. 3–5 % für eine Hüftfraktur besteht die Indikation, eine osteospezifische Therapie zu beginnen.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Eine Basistherapie kann generell jeder postmenopausalen Frau empfohlen werden. Die Basistherapie gemäß DVO (Dachverband Osteologie) beinhaltet körperliche Aktivität und Muskelaufbau als direkten Effekt auf den Knochen, aber auch zur Sturzprophylaxe, genauso wie ausreichende Kalzium- und Vitamin-D3-Zufuhr – was nicht zwingend einer Substitution entspricht. Die Kalziumzufuhr sollte bei 1000 mg Kalzium pro Tag liegen. Im Durchschnitt nimmt die postmenopausale Frau – ohne darauf zu achten – 600–700 mg Kalzium durch die Ernährung auf. Der Rest kann substituiert werden oder aber auch durch gezielte Ernährung zugeführt werden. Man bedenke, dass ca. 10 dag Emmentaler oder Parmesan 1000 mg Ca<sup>2+</sup> beinhalten und somit ein Käsebrot mit 5 dag dieser Käse den restlichen Bedarf deckt. Bei hoher Sturzgefahr und / oder unzureichender Sonnenexposition ist die Zufuhr von 800–100 IE Vitamin D empfohlen.<br /> Als spezifische Therapie können gemäß DVO-Leitlinie sowie der österreichischen Leitlinie von „Arznei & Vernunft“ antiresorptive Therapien, wie Bisphosphonate oder der Antikörper Denosumab, oder aber auch eine anabole Therapie mit Teriparatid eingeleitet werden. Die Hormontherapie soll gemäß unterschiedlichen Leitlinien nicht primär zur Behandlung eingesetzt werden. Die Kalziumsubstitution mit 500 mg Ca<sup>2+</sup> pro Tag muss, genauso wie die adäquate Aufklärung bezüglich des Risikos von Kieferosteonekrosen bei antiresorptiver Therapie, beachtet werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Für die Praxis ist es wichtig, an die Osteoporose im entsprechenden Patientenkollektiv zu denken, sie zu diagnostizieren und den Patienten eine Behandlung zuzuführen. Eine Basistherapie kann generell immer empfohlen werden.</p> </div> <p><br /><em>Erstpublikation in Gyn-Aktiv 1/20. Mit freundlicher Genehmigung von MedMedia Verlag.</em></p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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