
Neues zur Therapie des Zervixkarzinoms
Autor:
Prof. Dr. med. Mathias Fehr
Gynäkologie & Geburtshilfe
Kantonsspital Frauenfeld
E-Mail: mathias.fehr@stgag.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
In den vergangenen vier Jahren hat sich viel im Staging und dementsprechend auch in der chirurgischen sowie medikamentösen Therapie des Zervixkarzinoms geändert.
Keypoints
-
Das neue Staging beim IA1-Karzinom schafft Klarheit: Die oberflächliche Ausdehnung ist nicht mehr relevant, alleine die Invasionstiefe zählt.
-
Das chirurgische laparoskopische Lymphknotenstaging ist dem Staging mit Bildgebung überlegen, was sich im besseren Outcome widerspiegelt.
-
Die minimal invasive Operation hat beim frühen Zervixkarzinom unter gewissen Voraussetzungen immer noch seinen Platz.
-
Checkpoint-Inhibitoren kombiniert mit Polychemotherapie und Neoangiogenesehemmer sind Standard beim metastasierten Zervixkarzinom.
Die Schweiz ist mit einer Inzidenz von 5/100000 Frauen pro Jahr ein Niedrigrisikoland betreffend Zervixkarzinom. Über 99% aller Zervixkarzinome werden durch onkogene humane Papillomaviren (HPV) verursacht, einzelne Adenokarzinome des oberen Zervikalkanals sind offenbar HPV-negativ. Mit der HPV-Impfung wird die Inzidenz in der Schweiz hoffentlich auch so niedrig bleiben oder sogar weiter sinken, wie populationsbasierte Studien aus Schweden und England vermuten lassen. Dort zeigte sich, dass Mädchen, welche sich vor dem 17. Lebensjahr impfen liessen, beinahe vollständig vor Zervixkarzinomen geschützt sind.1
Abb. 1: Plattenepithelkarzinom von 8 mm Durchmesser und 2,5 mm Invasionstiefe: FIGO IA1, gemäss UICC 2017 wäre das ein pT1b1
Die FIGO-2018-Klassifikation und das AJCC-Staging Version 9 von 2021 berücksichtigen die oberflächliche Ausdehnung eines frühen Karzinoms nicht mehr und klassifizieren alleine aufgrund der Invasionstiefe: IA1 mit <3mm Invasionstiefe (Abb.1), IA2 mit 3,1–<5 mm, IB1 >5mm Invasionstiefe und unter 2cm Tumordurchmesser.2
Neu ist auch, dass bei einem frühen Karzinom IA1 und IA2 mit Lymphangiose die alleinige Sentinellymphknotenexzision als Lymphknotenstaging akzeptiert ist. Bei höheren Stadien wird die Sentinellymphknotenexzision zusammen mit der pelvinen Lymphknotenexzision empfohlen, da die Sentinellymphknoten einem Ultrastaging unterzogen werden können. Ultrastaging ist wichtig, da Mikrometastasen eine gleich schlechte Prognose haben wie Makrometastasen.3
Die Uterus-11-Studie randomisierte 255 Patientinnen zu chirurgischem laparoskopischem Staging mit pelviner Lymphonodektomie versus Staging mittels Bildgebung. Bei befallenen pelvinen Lymphknoten wurde die paraaortale Lymphonodektomie durchgeführt, um bei befallenen paraaortalen Lymphknoten das Bestrahlungsfeld nach paraaortal auszudehnen. Für das Stadium IIB sowie für das krebsspezifische Überleben zeigte sich mit dem chirurgischen Staging ein Überlebensvorteil, nicht jedoch in der Gesamtpopulation, die hierfür eine zu kleine Patientinnenanzahl beinhaltete (Abb. 2).4
Abb. 2: A) krankheitsfreies Überleben, B) Gesamtüberleben, C) krankheitsfreies Überleben FIGO-Stadium IIb und D) krebsspezifische Mortalität (mod. nach Marnitz et al. 2020)4
Somit scheint ein chirurgisches Staging mit laparoskopischer Sentinellymphknotenexzision mit Ultrastaging und pelviner Lymphonodektomie beim Stadium IB ein optimales Vorgehen darzustellen. Bei befallenen Lymphknoten oder extrauteriner Tumorausbreitung soll auf die radikale Hysterektomie verzichtet werden, da dann die Indikation für die Chemo-Radiotherapie mit Cisplatin wöchentlich als Radiosensibilisator besteht.
Minimal invasive Operation des frühen Zervixkarzinoms
Die LACC-Studie wurde 2018 nach 2,5 Jahren Nachkontrollzeit abgebrochen, da die minimal invasiven Methoden, wie laparoskopische oder roboterassistierte laparoskopische radikale Hysterektomie, mit 93,8% eine geringere 3-Jahres-Überlebensrate zeigten als die offene radikale Hysterektomie mit 99%.5
Allerdings war der Effekt der minimal invasiven Operation bei Tumoren kleiner als 2cm statistisch nicht signifikant. Gleichzeitig zeigte die SEER-Registeranalyse in den USA für Stadium-IA2- oder IB1-Zervixkarzinome eine ähnliche Verschlechterung der Gesamtüberlebensrate bei minimal invasiver Operation.6
Zusätzlich wies eine Metaanalyse von 2394 Patientinnen mit minimal invasiver Operation bei Tumoren unter 2cm Durchmesser verglichen mit 2541 Patientinnen mit offener radikaler Hysterektomie ein schlechteres progressionsfreies Überleben bei minimal invasiver Operation aus. Das Risiko für ein Rezidiv (HR) lag bei minimal invasiver Operation bei diesen Tumoren unter 2cm Durchmesser bei 1,68.7
Retrospektive Kohortenstudien suggerieren jedoch, dass bei Vermeidung eines Uterusmanipulators und Abschirmung des Tumors von vaginal durch Zunähen der Vaginalmanschette über dem Tumor diese negativen Effekte der minimal invasiven Operation vermieden werden können.8 Ebenso scheint eine vorausgehende Konisation den negativen Effekt der minimal invasiven Operation auszugleichen. Somit scheint eine minimal invasive Operation bei einem Stadium IA2 oder bei Status nach Konisation des IB1-Karzinoms im Gesunden nach wie vor vertretbar zu sein.9
Metastasiertes Zervixkarzinom
Die KEYNOTE-826-Studie verglich randomisiert den bisherigen «standard of care», nämlich Paclitaxel kombiniert mit Carboplatin oder Cisplatin, und den Neoangiogenesehemmer Bevacizumab mit dieser Standardtherapie plus dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab. Bei PD-L1-positiven Tumoren (CPS >1%) zeigte die Kombination mit Pembrolizumab eine Hazard-Ratio bezüglich des Gesamtüberlebens von 0,64. Somit muss diese Kombination als neuer Standard beim PD-L1-positiven Zervixkarzinom betrachtet werden.10
Literatur:
1 Lei J et al.: HPV vaccination and the risk of invasive cervical cancer. N Engl J Med 2020; 383(14): 1340-8 2 Bhatla N et al.: Cancer of the cervix uteri: 2021 update. Int J Gynecol Obstet 2021; 115(Suppl 1): 28-44 3 Cibula D et al.: Prognostic significance of low volume sentinel lymph node disease in early-stage cervical cancer. Gynecol Oncol 2012; 124(3): 496-501 4 Marnitz S et al.: Surgical versus clinical staging prior to primary chemoradiation in patients with cervical cancer FIGO stages IIB-IVA: oncologic results of a prospective randomized international multicenter (Uterus-11) intergroup study. Int J Gynecol Cancer 2020; 30(12): 1855-61 5 Ramirez PT et al.: Minimally invasive versus abdominal radical hysterectomy for cervical cancer. N Engl J Med 2018; 379(20): 1895-1904 6 Melamed A et al.: Survival after minimally invasive radical hysterectomy for early-stage cervical cancer. New Engl J Med 2018; 379(20): 1905-14 7 Nasioudis D et al.: Oncologic outcomes of minimally invasive versus open radical hysterectomy for early stage cervical carcinoma and tumor size < 2 cm: a systematic review and meta-analysis. Int J Gynecol Cancer 2021; 31(7): 983-90 8 Chiva L et al.: SUCCOR study: an international European cohort observational study comparing minimally invasive surgery versus open abdominal radical hysterectomy in patients with stage IB1 cervical cancer. Int J Gynecol Cancer 2020; 30(9): 1269-77 9 Chacon E et al.: SUCCOR cone study: conization before radical hysterectomy. Int J Gynecol Cancer 2022; 32(2): 117-24 10 Colombo N et al.: Pembrolizumab for persistent, recurrent, or metastatic cervical cancer. N Engl J Med 2021; 385(20): 1856-67
Das könnte Sie auch interessieren:
Verbesserung der Ästhetik ohne onkologische Kompromisse
In der Brustchirurgie existiert eine Vielzahl an unterschiedlich komplexen onkoplastischen Operationstechniken mit verschiedenen Klassifikationen. Die kritische Selektion der Patient: ...
Neue Erkenntnisse zur Kolporrhaphie
Die Kolporrhaphie ist eines der etabliertesten chirurgischen Verfahren in der Beckenbodenchirurgie, welches vorrangig zur Behandlung von Beckenorganprolaps (BOP) eingesetzt wird. Die ...
Die Kunst ärztlicher Kommunikation bei Breaking Bad News
Worte haben entscheidende Wirkungen. In Gesprächen mit Patient:innen und Angehörigen gibt es meist eine hohe Erwartungshaltung gegenüber der Ärztin, dem Arzt. Vor allem die Übermittlung ...