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Narbensparende Mastektomie – Evidence-based
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Gunda Pristauz-Telsnigg
Klinische Abteilung für Gynäkologie<br> Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br> Medizinische Universität –<br> Landeskrankenhaus Graz<br> E-Mail: gunda.pristauz-telsnigg@klinikum-graz.at
30
Min. Lesezeit
06.12.2018
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<p class="article-intro">Nach den aktuellen Leitlinien (S3-Leitlinie, NCCN Guidelines) zur Therapie des Mammakarzinoms sollten Patientinnen, bei denen eine Mastektomie durchgeführt werden muss, über die Möglichkeit einer Rekonstruktion der Brust aufgeklärt werden. Doch auf welcher Evidenz basieren diese Empfehlungen eigentlich?</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Seit einigen Jahren haben in der Mammachirurgie die „Nipple sparing“- Mastektomie (NSM) und die „Skin sparing“-Mastektomie (SM) einen wichtigen Stellenwert. Dabei wird die Brustdrüse entfernt, der Hautmantel mit oder ohne Mamille bleibt bestehen. Der Hautmantel kann dann in derselben Operation (Sofortrekonstruktion) oder in einer weiteren Operation („delayed“ Rekonstruktion) mit einem Silikonimplantat oder mit Eigengewebe (Fett- oder Muskellappen) gefüllt werden. Der Grundgedanke dieser rekonstruktiven Maßnahmen ist der, dass Neoplasien der Brustdrüse von den „terminalen duktolobulären Einheiten“ der Brustdrüse ausgehen, welche sich großteils an der Basis der Brustdrüse befinden. Arbeiten von Stolier et al.<sup>1</sup> zeigten, dass sich diese „terminalen duktolobulären Einheiten“ zu 91 % nicht in der Mamille befanden und bei den 9 % , bei denen sie in der Mamille zu finden waren, sich lediglich an der Basis der Mamille zeigten. Somit scheint eine Brustdrüsenentfernung mit Aushöhlen der Mamille („Coring“) die „terminalen duktolobulären Einheiten“ nahezu zur Gänze entfernen zu können. Der Hautmantel mit oder ohne Mamille kann belassen werden.</p> <h2>Studienlage nicht eindeutig</h2> <p>Wissenschaftliche Daten, die die Evidenz dieser neuen operativen Methoden belegen, sind allerdings von unterschiedlicher Qualität. Es existieren keine prospektiven randomisierten Studien darüber, lediglich retrospektive Studien, prospektive Kohortenstudien und Metaanalysen. Die Generierung der Evidenz ist aber auch dementsprechend schwierig, da erstens die Operationsverfahren (NSM, SM) unterschiedlich sind und zweitens auch die Indikationen für diese Operationen nicht immer vergleichbar sind. So wird die NSM einerseits zur operativen Therapie von ausgeprägten Karzinomen (evtl. bei Multizentrizität) wie auch bei großen DCIS (duktale Carcinomae in situ) eingesetzt, andererseits aber auch zur Prophylaxe bei Mutationsträgerinnen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko angewandt. Drei unterschiedliche Indikationen, die wohl kaum miteinander vergleichbar sind. Die Frage ist auch, was der optimale Endpunkt von chirurgischen Studien in diesem Bereich ist. Sollte es das Lokalrezidiv, das kontralaterale Rezidiv, das DFS („disease-free survival“) oder das OS („overall survival“) sein? Der wichtigste und interessanteste Endpunkt wäre sicherlich die onkologische Sicherheit. Diese ist allerdings wiederum abhängig von Parametern wie vorhandenem Restgewebe, Systemtherapie, Strahlentherapie und Nachbeobachtungszeit. Bezüglich des Restdrüsengewebes konnte in einer Arbeit von Torresan et al.<sup>2</sup> nachgewiesen werden, dass der Hautmantel nach Drüsenentfernung ca. 0,6cm beträgt und bei 59 % der Patientinnen, bei denen zuerst eine NSM durchgeführt wurde und anschließend der Hautmantel entfernt wurde, Restdrüsengewebe vorhanden war. Bei 9,5 % der Patientinnen konnten sogar noch Reste eines DCIS oder invasive Karzinome nachgewiesen werden. <br />Aufgrund dessen könnte man eine verminderte onkologische Sicherheit vermuten, dies hat sich aber in den vorhandenen Daten nie bestätigen lassen. Die sicherlich größte Arbeit diesbezüglich wurde von De La Cruz<sup>3</sup> 2015 publiziert. Es ist eine Metaanalyse von 20 Studien, in der 5594 Patientinnen 3–5 Jahre nachbeobachtet wurden und verschiedenste onkologische Endpunkte von Patientinnen mit NSM mit jenen mit Patientinnen mit SM/Mastektomie verglichen wurden. Es konnte kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich OS, DFS und LR (Lokalrezidiv) in beiden Gruppen festgestellt werden (Abb. 1 und 2). Ähnliche Studienergebnisse konnten Lanitis<sup>4</sup> und seine Studiengruppe zeigen. Sie verglichen in einer Metaanalyse neun Studien mit insgesamt 3739 Patientinnen, bei denen in der einen Gruppe eine NSM und in der anderen Gruppe eine konventionelle Mastektomie durchgeführt wurde. Als Endpunkt wurde das Lokalrezidiv herangezogen. In der Gruppe der Patientinnen mit NSM zeigte sich eine LR-Rate von 6,2 % und in der Gruppe der Patientinnen mit konventioneller Mastektomie eine LR-Rate von 4,0 % (p=0,29 n.s.); somit scheinen beide Verfahren onkologisch gleich sicher zu sein. Die neuesten Studienergebnisse kommen von Al-Himdani et al.<sup>5</sup>, welche Daten von insgesamt 577 Patientinnen untersucht haben. In einem relativ langen Follow-up von 80 Monaten wurden Patientinnen mit SM und simpler Mastektomie hinsichtlich Lokalrezidiven verglichen. Wiederum konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Verfahren festgestellt werden (LR 7,9 % für SM vs. 5,0 % für einfache Mastektomie).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1805_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="1040" height="573" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1805_Weblinks_s34_abb2.jpg" alt="" width="1040" height="612" /></p> <h2>Lebensqualität verbessert</h2> <p>Ein statistisch signifikanter Vorteil für die NSM/SM verglichen mit der simplen Mastektomie zeigt sich allerdings in der Lebensqualität der Patientinnen. Vor einiger Zeit wurde vom Memorial Sloan Kettering Institute of Cancer Research ein Fragebogen (BreastQ) entwickelt, der Auskunft über die Zufriedenheit und die Lebensqualität von Patientinnen nach brustchirurgischen Eingriffen gibt. Romanoff et al.<sup>6</sup> befragten 1866 Patientinnen nach NSM und konventioneller Mastektomie und konnten zeigen, dass es zwar in der Zufriedenheit mit der Operation keinen Unterschied zwischen den beiden Techniken gab, das psychosoziale und sexuelle Wohlbefinden aber in der Gruppe der Patientinnen mit NSM signifikant höher war. Eine ähnliche Studie,<sup>7</sup> die die Lebensqualitätsdaten von Patientinnen mit SM und NSM verglichen hat, konnte zeigen, dass das sexuelle Wohlbefinden in der NSM-Gruppe höher war.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Zusammenfassend kann man sagen, dass narbensparende Mastektomien eine große Bereicherung in der Brustchirurgie darstellen. Die Evidenz der Datenlage ist ausreichend, obwohl wie bei vielen chirurgischen Verfahren prospektiv randomisierte Studien fehlen. Auf jeden Fall wird die Lebensqualität der Patientinnen durch diese neuen Operationstechniken verbessert. Somit sollte jeder Patientin leitliniengerecht eine Rekonstruktion bei geplanter Mastektomie angeboten werden.</div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Stolier AJ et al.: Ann Surg Oncol 2008; 15: 438-42 <strong>2</strong> Torresan RZ et al.: Ann Surg Oncol 2005; 12: 1037-44<strong> 3</strong> De La Cruz L et al.: Ann Surg Oncol 2015; 22: 3241-9 <strong>4</strong> Lanitis S et al.: Ann Surg 2010; 251: 632-9 <strong>5</strong> Al-Himdani S et al.: Eur J Surg Oncol 2016; 42: 935-41 <strong>6</strong> Romanoff A et al.: Ann Surg Oncol 2018; 25: 2909-16 <strong>7</strong> Yoon-Flannery K et al.: J Surg Oncol 2018; 118: 238-42</p>
</div>
</p>