Ein Meilenstein in der Therapie des Mammakarzinoms
Autor:innen:
Dr. med. Sophie Reinhart
Dr. med. Ursula Hasler-Strub
Dr. med. Michael Schwitter
Kantonsspital Graubünden
Departement Innere Medizin
Onkologie und Hämatologie
Korrespondenz:
E-Mail: sophie.reinhart@ksgr.ch
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Mit der Entwicklung von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten («antibody-drug conjugates»; ADCs) hat sich die Therapie insbesondere des metastasierten Mammakarzinoms grundlegend verändert und die Prognose der Patientinnen deutlich verbessert. Seit der Zulassung des ersten ADC in der Schweiz im Jahre 2013 sind fortlaufend weitere Präparate hinzugekommen. ADCs kombinieren den grossen Fortschritt der Präzisionsonkologie mit der zytotoxischen Wirkung der Chemotherapie.
Wirkprinzip der ADCs
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bestehen aus drei Teilen: dem monoklonalen Antikörper, der an das entsprechende Antigen (HER2 oder TROP2) auf der Zelloberfläche der Tumorzelle bindet und somit den Wirkstoff (das Zytostatikum) an den gewünschten Ort transportiert; einem Verbindungsstück (Linker) und dem Zytostatikum als Wirkstoff (Payload). Nach der Bindung des ADC an die Tumorzelle und der intrazellulären Aufnahme des Komplexes wird der Chemotherapie-Wirkstoff in der Zelle freigesetzt. Somit wird die Chemotherapie zielgerichtet an den Ort transportiert, an dem die zytotoxische Wirkung in hoher Dosis gewünscht ist.
Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die verschiedenen ADCs.
Trastuzumab-Emtansin (T-DM1, Kadcyla®)
Trastuzumab-Emtansin (T-DM1, Kadcyla®) wurde im Jahre 2013 als erstes ADC zur Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms zugelassen. In der EMILIA-Studie wurde T-DM1 als Zweitlinientherapie beim metastasierten HER2-positiven Mammakarzinom versus Capecitabin/Lapatinib untersucht. In der T-DM1-Gruppe wurde dabei ein signifikanter Überlebensvorteil nachgewiesen (OS plus 5,8 Monate, 30,9 Monate vs. 25,1 Monate; HR: 0,68), mit weniger Grad-≥-3-Nebenwirkungen (41% vs. 57%).1 T-DM1 wurde somit damals zur Standard-Zweitlinientherapie beim HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom. Durch die Zulassung von Trastuzumab-Deruxtecan wurde T-DM1 folgend in eine spätere Therapielinie verschoben. In der adjuvanten Situation wurde durch die KATHERINE-Studie gezeigt, dass bei Patientinnen mit einem HER2-positiven Mammakarzinom und einer fehlenden pathologischen Komplettremission (pCR) nach der neoadjuvanten Therapie durch die postneoadjuvante Therapie mit T-DM1 (vs. Trastuzumab) ein signifikanter Vorteil bezüglich des krankheitsfreien Überlebens (DFS) und des Gesamtüberlebens erreicht werden konnte (Siebenjahres-DFS plus 13,7%, 80,8% vs. 67,1%; Siebenjahres-OS plus 4,7%, 89,1% vs. 84,4%; HR: 0,66).2 T-DM1 ist somit aktuell die Standardtherapie bei Patientinnen, die nach der neoadjuvanten Chemotherapie/HER2-Blockade keine pathologische Komplettremission erreicht haben. Gemäss der am ESMO-Kongress 2025 präsentierten DestinyBreast05-Studie ist zu erwarten, dass die postneoadjuvante Therapie mit T-DM1 in Zukunft durch T-DXd ersetzt werden wird.
Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd, Enhertu®)
Mit der Einführung von T-DXd im Jahre 2021 hat sich die Therapie des metastasierten HER2-positiven Mammakarzinoms grundlegend verändert. Zusätzlich hat sich durch den Studieneinschluss von Patientinnen mit einem HER2-low-Status (entsprechend IHC 1+ oder 2+ mit einer negativen FISH-Analyse) oder HER2-ultralow-Status (IHC 0, Membranfärbung bei 1% bis ≤10% der Tumorzellen), die zuvor als HER2-negativ behandelt wurden, eine vollständig neue Therapiemöglichkeit eröffnet.
In der DestinyBreast03-Studie wurde bei Patientinnen mit einem HER2-positiven Mammakarzinom in der 2. Therapielinie T-DXd mit der damaligen Standard-Zweitlinientherapie T-DM1 verglichen. Es zeigte sich dabei ein eindrücklicher Benefit durch T-DXd bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS plus 21,8 Monate, 29 Monate vs. 7,2 Monate; HR: 0,3), des Gesamtüberlebens (OS plus 9,9 Monate, 52,6 Monate vs. 42,7 Monate; HR: 0,73) sowie der Ansprechrate (ORR: 79,7% vs. 34,9%) und der Dauer des Ansprechens (DoR: 20,8 Monate vs. 10,3 Monate).3 Folgend wurde T-DXd als neuer Zweitlinien-Therapiestandard festgelegt.
Bedeutend ist, dass T-DXd einen ausgeprägten Bystander-Effekt aufweist: Das freigesetzte Zytostatikum Deruxtecan ist membrangängig und kann somit nach der Freisetzung in der Tumorzelle in das umliegende Gewebe diffundieren, wodurch zusätzlich auch umgebende Tumorzellen ohne HER2-Expression erreicht werden. Damit erklärt sich vereinfacht die Wirkung dieses ADC bei HER2-low-/HER2-ultralow-Mammakarzinomen. In der DestinyBreast04-Studie wurden Patientinnen mit einer HER2-low-Expression und mindestens einer vorhergehenden palliativen Chemotherapielinie mit T-DXd versus eine Standard-Chemotherapie behandelt. Dabei zeigte sich ein signifikanter Benefit bezüglich des PFS (plus 4,8 Monate, 9,9 Monate vs. 5,1 Monate) und OS (plus 6,1 Monate, 22,9 Monate vs. 16,8 Monate; HR: 0,69).4 Mit diesen Daten und der folgenden Zulassung von T-DXd bei HER2-low-Tumoren wurden die Therapiemöglichkeiten dieser zuvor als HER2-negativ behandelten Erkrankungen grundlegend erweitert.
In der DestinyBreast06-Studie wurden neben Patientinnen mit einer HER2-low-Expression zusätzlich 153 Patientinnen (17,7%) mit einer HER2-ultralow-Expression eingeschlossen und mit T-DXd vs. eine Standard-Chemotherapie nach einer palliativen endokrinen Vortherapie (im Unterschied zur DestinyBreast04-Studie ohne vorhergehende Chemotherapie) behandelt. Dabei zeigte sich durch T-DXd ein signifikanter PFS-Benefit (plus 5 Monate, 13,2 Monate vs. 8,2 Monate; HR: 0,62), mit vergleichbaren Resultaten in der Subgruppe mit einer HER2-ultralow-Expression, dies aber bei einer geringen Patientinnenzahl.5 Die OS-Daten sind ausstehend.
In der 2025 präsentierten DestinyBreast09-Studie wurden als palliative Erstlinientherapie drei Therapiearme verglichen: T-DXd plus Pertuzumab, die Standardtherapie Taxan/Trastuzumab/Pertuzumab (THP) und T-DXd als Monotherapie. Es zeigte sich dabei durch die Kombinationstherapie mit T-DXd/Pertuzumab ein signifikanter PFS-Benefit von 13,8 Monaten (40,7 Monate vs. 26,9 Monate; HR: 0,56) gegenüber der Standardtherapie THP. Die Daten für den Arm mit T-DXd alleine sind ausstehend.6 Offen bleibt die Frage, ob eine Induktionstherapie mit T-DXd, gefolgt von Trastuzumab/Pertuzumab, ausreichend wäre.
Sacituzumab-Govitecan (SG, Trodelvy®)
Sacituzumab-Govitecan (SG) ist gegen TROP2 gerichtet, ein bei vielen soliden Tumoren überexprimiertes Oberflächenprotein mit Funktionen bei der Signalübertragung, dem Zellwachstum und der Zellproliferation. In der ASCENT-Studie wurden Patientinnen mit einem metastasierten triple-negativen Mammakarzinom nach mindestens zwei Vortherapien mit SG versus eine Standard-Chemotherapie behandelt. Es zeigte sich dabei durch SG ein signifikanter Benefit bezüglich PFS von3,1 Monaten (4,8 vs. 1,7 Monate; HR: 0,41), OS von 4,9 Monaten (11,8 vs. 6,9 Monate; HR: 0,51) und der Ansprechrate (31% vs. 4%).7 Seit der Zulassung von SG im Jahre 2021 besteht somit auch bei Patientinnen mit einem triple-negativen Mammakarzinom die Möglichkeit einer ADC-Therapie. In den beiden 2025 präsentierten Studien ASCENT03 und ASCENT04 wurde SG als palliative Erstlinientherapie beim triple-negativen Mammakarzinom untersucht (ASCENT03: PD-L1-negativ, SG vs. Standard-Chemotherapie; ASCENT04: PD-L1-positiv [CPS≥10], SG plus Pembrolizumab [PD-1-Inhibitor] vs. Chemotherapie + Pembrolizumab). In beiden Studien wurde ein signifikanter PFS-Benefit nachgewiesen, abzuwarten bleiben die OS-Resultate.
In der TROPiCS02-Studie wurden stark vorbehandelte Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven/HER2-negativen Mammakarzinom mit SG versus eine Standard-Chemotherapie behandelt, mit Nachweis eines signifikanten OS-Benefits von 3,2 Monaten (14,4 Monate vs. 11,2 Monate; HR: 0,79).8 SG ist somit eine Therapieoption sowohl beim Hormonrezeptor-positiven/HER2-negativen und triple-negativen Mammakarzinom.
Datopotamab-Deruxtecan (Dato-DXd, Datroway®)
Datopotamab-Deruxtecan ist ein ebenfalls gegen TROP2-gerichteter Antikörper mit dem Zytostatikum Deruxtecan als Wirkstoff. In der TROPION-Breast01-Studie wurden Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven/HER2-negativen Mammakarzinom nach mehreren Vortherapien mit Dato-DXd versus eine Standard-Chemotherapie behandelt, wobei ein signifikanter Benefit bezüglich PFS (plus 2 Monate, 6,9 Monate vs. 4,9 Monate; HR: 0,63) und Ansprechrate (ORR: 36% vs. 22,9%) erreicht werden konnte, die OS-Daten sind ausstehend. Unter Dato-DXd traten deutlich weniger Grad-≥-3-Nebenwirkungen auf (20,8% vs. 44,7%).9
Nebenwirkungsprofil
ADCs können schwere Nebenwirkungen verursachen. Es bedarf daher einer sorgfältigen Auswahl der geeigneten Patientinnen, einer engmaschigen Betreuung mit regelmässigen klinischen, laboranalytischen und bildgebenden Verlaufskontrollen und einer korrekten medikamentösen Nebenwirkungsprophylaxe. Die Häufigkeit und die Ausprägung der Nebenwirkungen unterscheiden sich dabei je nach ADC, unter anderem bedingt durch die unterschiedlichen Zytostatika als Payload. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Fatigue, Übelkeit, Appetitmangel, Diarrhö, Hämatotoxizität, Transaminasenanstieg, periphere Neuropathie und Alopezie.1–9 Besonders unter der Therapie mit T-DXd und Dato-DXd muss die mögliche pulmonale Toxizität mit Auftreten einer interstitiellen Lungenerkrankung/Pneumonitis sorgfältig überwacht werden. Unter T-DXd wurde bei 10–12% der Patientinnen eine Pneumonitis beschrieben, bei 2–3% mit einer Ausprägung Grad ≥3.3–5 Selten kann eine kardiale Toxizität auftreten.
Diskussion und Zukunftsaussichten
ADCs haben als hochwirksame und zielgerichtete Therapien die Behandlungsmöglichkeiten bei allen molekularen Subtypen des Mammakarzinoms revolutioniert und grundlegend erweitert. Mit dem Einschluss von Patientinnen mit einem HER2-low-Status wurde zudem eine vollständig neue therapeutisch relevante Subgruppe adressiert. Weiterhin offen und zu diskutieren bleibt die optimale Therapiesequenz. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass weitere Kombinationstherapien mit CDK4/6-Hemmern, Immuncheckpoint-Inhibitoren und/oder PARP-Hemmern untersucht und zusätzliche Targets sowie verbesserte Linker- und Payload-Technologien entwickelt werden. Es ist zu erwarten, dass ADCs zukünftig auch die Therapie des frühen Mammakarzinoms neu definieren werden, erste vielversprechende Daten zur neoadjuvanten Therapie wurden in der DestinyBreast11-Studie am ESMO-Kongress 2025 präsentiert.
Literatur:
1 Verma S et al.: Trastuzumab emtansine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012; 367: 1783-91 2 Geyer CE et al.: Survival with trastuzumab emtansine in residual HER2-positive breast cancer. N Engl J Med 2025; 392: 249-57 3 Cortés J et al.: Trastuzumab deruxtecan versus trastuzumab emtansine in HER2-positive metastatic breast cancer: long-term survival analysis of the DESTINY-Breast03 trial. Nat Med 2024; 30: 2208-15 4 Modi S et al.: Trastuzumab deruxtecan in HER2-low metastatic breast cancer: long-term survival analysis of the randomized, phase 3 DESTINY-Breast04 trial. Nat Med 2025; published online 5 Bardia A et al.: Trastuzumab deruxtecan after endocrine therapy in metastatic breast cancer. N Engl J Med 2024; 391: 2110-22 6 Tolaney SM et al.: Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) + pertuzumab vs taxane + trastuzumab + pertuzumab for first-line treatment of patients with HER2+ advanced/metastatic breast cancer: interim results from DESTINY-Breast09. ASCO 2025 Oral Abstract Session7 Bardia A et al.: Final results from the randomized phase III ASCENT clinical trial in metastatic triple-negative breast cancer and association of outcomes by human epidermal growth factor receptor 2 and trophoblast cell surface antigen 2 expression. J Clin Oncol 2024; 42: 1738-44 8 Hugo HS et al.: Overall survival with sacituzumab govitecan in hormone receptor-positive and human epidermal growth factor receptor 2-negative metastatic breast cancer (TROPiCS-02): a randomised, open-label, multicentre, phase 3 trial. Lancet 2023; 402: 1423-33 9 Bardia A et al.: Datopotamab deruxtecan vs chemotherapy in previously treated inoperable/metastatic hormone receptor-positive human epidermal growth factor receptor 2-negative breast cancer: primary results from TROPION-Breast01. J Clin Oncol 2025; 43: 285-96
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