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Management im niedergelassenen Bereich
Jatros
30
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23.03.2017
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<p class="article-intro">Moderne Tumortherapien greifen den Krebs immer gezielter an. Dennoch lösen auch sie unerwünschte Wirkungen aus. Darauf müssen sich die behandelnden Ärzte vor allem in der Nachsorge einstellen. Prof. Daphne Gschwantler-Kaulich, Brustgesundheitszentrum der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, AKH Wien, erläuterte in ihrem Vortrag bei der Fortbildungsveranstaltung „Brustkrebstherapie 2016“, zu welchen Nebenwirkungen es kommen kann und wie man diese behandelt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mit den neuen zielgerichteten Therapien beim Mammakarzinom treten zum Teil auch andere Nebenwirkungen auf.</li> <li>Da die Nachsorge der Patientinnen häufig beim niedergelassenen Gynäkologen erfolgt, ist es wichtig, die unerwünschten Wirkungen zu kennen und behandeln zu können.</li> <li>Durch gutes Management der Nebenwirkungen werden Therapieabbrüche vermieden und der Behandlungserfolg gesichert.</li> </ul> </div> <p>Die Nebenwirkungen der klassischen Chemotherapie sind hinlänglich bekannt. Gschwantler-Kaulich ging vor allem auf die Neutropenie ein. Besonders gefürchtet sei die febrile Neutropenie (FN) mit Zellzahlen von <0,5x10<sup>9</sup> Zellen und Temperaturen über 38°C. Die Gabe eines Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktors (G-CSF) wie Filgrastim oder Pegfilgrastim konnte die Inzidenz der FN von 38 % auf bis zu 18 % bzw. 9 % senken.<sup>1</sup> Ein auf den Guidelines des US-amerikanischen National Comprehensive Cancer Network (NCCN) beruhender Entscheidungsbaum hilft, die Patientinnen auszuwählen, die eine G-CSF-Gabe benötigen.<br /> Weitere, sehr belastende Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind Übelkeit und Erbrechen. Hier gibt es eine Reihe wirksamer Antiemetika aus der Gruppe der 5HT<sub>3</sub>-Rezeptorantagonisten, die vorwiegend gegen akutes Erbrechen eingesetzt werden. Der Antagonist des Neurokinin- 1-Rezeptors (NK1) Aprepitant wirkt auch gegen das verzögert einsetzende Erbrechen. Gschwantler-Kaulich wies auf ein neues Präparat hin, das den 5HT<sub>3</sub>- Rezeptorantagonisten Palonosetron mit dem NK1-Rezeptorantagonisten Netupitant kombiniert und so sowohl das akute wie das verzögerte Erbrechen bekämpft. In einer Studie hat es vollständige Ansprechraten von 90 % gezeigt. Diese waren so definiert, dass nach einer einmaligen Gabe innerhalb von fünf Tagen nach Beginn einer Chemotherapie kein Erbrechen auftrat und auch keine andere antiemetische Medikation nötig war.<sup>2</sup></p> <h2>Nebenwirkungen der antihormonellen Therapie</h2> <p>Da die meisten Patientinnen die Antihormon- Therapie über viele Jahre einnehmen müssen, seien niedergelassene Gynäkologen in der Nachsorge vermehrt mit den unerwünschten Wirkungen der Behandlung konfrontiert, allen voran Hitzewallungen und Arthralgien, sagte Gschwantler- Kaulich. Sie zeigte die Ergebnisse eines Cochrane-Reviews zu den Behandlungsmöglichkeiten von therapieassoziierten Hitzewallungen. Analysiert wurden dabei zehn Studien: zwei mit dem Antihypertensivum Clonidin, eine mit dem Antiepileptikum Gabapentin, sechs mit unterschiedlichen Antidepressiva der Klassen SSRI/ SNRI und eine mit Vitamin E. Dabei zeigte sich, dass Clonidin, Gabapentin und die Antidepressiva die Zahl und Schwere der Hitzewallungen reduzieren konnten. Sechs weitere Studien mit nicht pharmakologischen Behandlungen wurden ebenfalls analysiert: zwei mit homöopathischen Mitteln, zwei mit Entspannungstechniken und je eine mit Akupunktur und Magnetfeldtherapie. Die Entspannungstherapie zeigte als einzige eine Wirkung.<sup>3</sup> Viele Patientinnen erhalten nicht hormonelle pharmakologische Behandlungen gegen ihre Hitzewallungen. Da es dabei ebenfalls zu Nebenwirkungen kommen kann, haben norwegische Wissenschaftler eine entsprechende Untersuchung vorgenommen. Sie werteten zwölf Studien mit insgesamt mehr als 1400 Brustkrebspatientinnen aus. Alle Teilnehmerinnen litten an therapieassoziierten Hitzewallungen. Sie nahmen dagegen Venlafaxin, Gabapentin oder Clonidin ein. Milde Nebenwirkungen traten bei rund 67 % , moderate bei 33 % der Frauen auf, wobei vor allem bei Venlafaxin und Gabapentin die Häufigkeit sowie die Schwere dosisabhängig waren.<sup>4</sup><br /> Die bei Wechseljahresbeschwerden häufig eingesetzte Traubensilberkerze ist bei Brustkrebspatientinnen umstritten, weil sie möglicherweise eine Östrogenwirkung entfaltet. Gschwantler-Kaulich betonte jedoch, dass in 26 Untersuchungen zu diesem Thema kein Zusammenhang zwischen der Traubensilberkerze und einem erhöhten Brustkrebsrisiko gefunden wurde.<br /> Etwa die Hälfte aller Patientinnen leidet während der Behandlung mit Aromatasehemmern unter Arthralgien. Risikofaktoren seien neben bereits bestehenden Arthralgien oder Osteoarthritiden Adipositas (BMI >30) und eine vorangegangene Hormonersatztherapie, so Gschwantler- Kaulich. Mit Lebensstiländerungen wie Gewichtsabnahme und regelmäßiger Bewegung könnten die Beschwerden gelindert werden, erklärte die Gynäkologin. Auch Yoga oder Akupunktur könnten helfen. Wichtig sei die Gabe von Vitamin D in Kombination mit Kalzium und von Bisphosphonaten bei Osteoporose. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, ist eine Schmerztherapie anhand eines Stufenschemas zu empfehlen, angefangen mit nicht steroidalen Antirheumatika bis hin zu Antidepressiva und Opioiden.<br /> Möglich sei auch, den Aromataseinhibitor zu wechseln. Eine entsprechende Studie5 zeigte, dass Patientinnen, die eine Anastrozol-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrachen, Letrozol oft besser vertrugen. Eine Alternative zu den Aromatasehemmern ist Tamoxifen.</p> <h2>Nebenwirkungen der mTOR -Inhibition</h2> <p>Der mTOR-Inhibitor Everolimus wird bei Frauen mit hormonempfindlichem metastasiertem Mammakarzinom eingesetzt, wenn es unter der alleinigen Behandlung mit einem Aromatasehemmer zu einem Rezidiv oder zum Krankheitsprogress gekommen ist. Die Substanz wird in Kombination mit dem Aromatasehemmer Exemestan gegeben und steigert die Empfindlichkeit der Krebszellen für dieses Medikament. Mögliche Nebenwirkungen sind Stomatitis, Infektionen, nicht infektiöse Pneumonitis, Hyperlipidämie und Hyperglykämie. Bei eingeschränkter Leberfunktion ist eine Dosisanpassung erforderlich. Patienten mit bereits bestehender Hyperlipidämie sollten engmaschig überwacht werden, um keine akute Pankreatitis auszulösen. Einer Stomatitis kann man mit Mundspüllösungen vorbeugen. Dabei sind Dexamethason-haltige Lösungen besonders wirksam.<sup>6</sup> Zudem wirkt Everolimus immunsuppressiv, weshalb während der Behandlung Impfungen mit Lebendimpfstoffen kontraindiziert sind. Bei Anzeichen für eine nicht infektiöse Pneumonitis sollten der Patient beobachtet und die Dosis angepasst werden. Kortikosteroide helfen, die Entzündung einzudämmen. Kommt eine Infektion hinzu, sind Antibiotika angezeigt.</p> <h2>Nebenwirkungen bei CDK4/6-Inhibition</h2> <p>Eine neue Therapieoption für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs sind die CDK4/6-Inhibitoren. Vor allem beim Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom sind die Enzyme CDK4 und CDK6, die in Verbindung mit dem Protein Cyclin D1 aktiv werden, überaktiv. CDK4/6-Inhibitoren wie Palbociclib hemmen die beiden Cyclin-abhängigen Kinasen. Der Wirkstoff wird in Kombination mit dem Antiöstrogen Fulvestrant verabreicht und hat beim metastasierten, Hormonrezeptor- positiven/HER2-negativen (HR+/HER2–) Mammakarzinom zu einem deutlich verlängerten progressionsfreien Überleben im Vergleich zu Fulvestrant allein geführt (9,2 vs. 3,8 Monante; p<0,000001).<sup>7</sup> Die häufigsten Nebenwirkungen der Therapie sind Neutro- und Leukopenien, Fatigue und Übelkeit.8 Daher sei es notwendig, zu Beginn eines jeden Behandlungszyklus das Blutbild zu überprüfen, so Gschwantler-Kaulich. Während der ersten beiden Zyklen sollte das Blutbild alle 14 Tage untersucht werden, betonte sie. Es sei eine sehr vielversprechende Therapie, die sehr bald zum Einsatz kommen werde, schloss sie.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „Brustkrebstherapie 2016“, Zuweiserveranstaltung der
Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und gynäkologische
Onkologie der Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Wien, 13. Oktober 2016, Wien
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Holmes FA et al: Blinded, randomized, multicenter study to evaluate single administration pegfilgrastim once per cycle versus daily filgrastim as an adjunct to chemotherapy in patients with high-risk stage II or stage III/IV breast cancer. J Clin Oncol 2002; 20: 727-31 <strong>2</strong> Fachinformation Akynzeo<sup>®</sup> 300 mg/0,5 mg Hartkapseln. www.angelini. at <strong>3</strong> Rada G et al: Non-hormonal interventions for hot flushes in women with a history of breast cancer. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010; 9: CD004923 (DOI: 10.1002/14651858.CD004923.pub2) <strong>4</strong> Hervik JB, Stub T: Adverse effects of non-hormonal pharmacological interventions in breast cancer survivors, suffering from hot flashes: A systematic review and metaanalysis. Breast Cancer Res Treat 2016; 160: 223-36 <strong>5</strong> Briot K et al: Effect of a switch of aromatase inhibitors on musculoskeletal symptoms in postmenopausal women with hormone-receptor-positive breast cancer: the ATOLL (articular tolerance of letrozole) study. Breast Cancer Res Treat 2010; 120: 127-34 <strong>6</strong> Rugo HS et al: Prevention of everolimus/ exemestane (EVE/EXE) stomatitis in postmenopausal (PM) women with hormone receptor-positive (HR+) metastatic breast cancer (MBC) using a dexamethasonebased mouthwash (MW): Results of the SWISH trial. J Clin Oncol 2016; 34: suppl; Abstract #525 <strong>7</strong> Turner NC et al: PALOMA3: a double-blind, phase III trial of fulvestrant with or without palbociclib in pre- and post-menopausal women with hormone receptor-positive, HER2-negative metastatic breast cancer that progressed on prior endocrine therapy. J Clin Oncol 2015; 33: suppl; Abstract #LBA502 <strong>8</strong> Turner NC et al: Palbociclib in hormone-receptor- positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2015; 373: 209-19</p>
</div>
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