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Hilfe in der Diagnostik und Prognose
Jatros
Autor:
Prof. Harald Zeisler
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: harald.zeisler@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">Eine einfache Blutuntersuchung unterstützt Ärzte bei der Diagnostik und Prognose der Präeklampsie. Der Quotient der beiden Biomarker „Elecsys® sFlt-1 („soluble Fms-like Tyrosinkinase-1“) und Elecsys® PlGF („placental growth factor“) ist ein objektives Tool für die Diskriminierung zwischen „gesund und krank“ und zwischen der Präeklampsie und anderen Formen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Eine einfache Blutuntersuchung liefert jetzt eindeutige, zuverlässige Ergebnisse, mit denen die Patientinnen, bei denen das Risiko für diese möglicherweise lebensgefährliche Schwangerschaftserkrankung besteht, identifiziert werden können.</li> <li>Die Bestimmung des Quotienten aus sFlt-1/PlGF erlaubt eine zuverlässige Diagnose der Präeklampsie und stellt somit eine Hilfestellung vor allem in klinisch/laborchemisch unklaren Fällen dar.</li> <li>Je nach Testergebnis können Ärzte die Entwicklung der Präeklampsie kurzfristig zuverlässig ausschließen oder vorhersagen.</li> </ul> </div> <p>Die Präeklampsie ist traditionell definiert durch das Auftreten von Hypertonie und Proteinurie ab der 20. Schwangerschaftswoche. Es mehren sich jedoch die Beobachtungen, dass es auch Fälle vor diesem Zeitpunkt gibt bzw. dass sich das Vollbild erst nach der Geburt manifestiert. Aufgrund der unterschiedlichen Pathophysiologie und des unterschiedlichen Risikoprofils wird grundsätzlich zwischen früher („early onset“, <34+0 SSW) und später Manifestation („late onset“, ≥34+0 SSW) unterschieden. Seit dem Bericht einer Task-Force des ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) stehen wir aber vor einem Paradigmenwechsel. Der betreuende Arzt soll auch dann an eine Präeklampsie denken, wenn es neben der Hypertonie andere Zeichen gibt (Tab. 1). Die Proteinurie verliert somit ihre diagnostische Bedeutung. Klinische (Verdachts-)Symptome einer Präeklampsie wie starke Kopfschmerzen, plötzliches Anschwellen von Gesicht, Händen und Füßen sowie Schmerzen im Oberbauch können mit Blutdruckmessen und Harnstreifentest nicht immer als Präeklampsie diagnostiziert werden. In diesem Licht war der Bedarf an einem laborchemischen Test sehr groß, der die tatsächlichen pathophysiologischen Mechanismen dieser Erkrankung erfasst und somit eine sichere Diagnose, ein effektives klinisches Management und ein verbessertes Outcome für Mutter und Kind ermöglicht. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1702_Weblinks_seite15.jpg" alt="" /></p> <h2>Pathogenese und Diagnose</h2> <p>Die Prävalenz der Präeklampsie liegt bei 2–5 % weltweit. Die Komplikationen der Präeklampsie sind für die hohe mütterliche und kindliche Morbidität und Mortalität verantwortlich. Die Ursachen einer Präeklampsie sind derzeit noch immer nicht eindeutig geklärt. In den letzten Jahren wurden Substanzen identifiziert, die von der Plazenta gebildet werden und bei der Präeklampsie eine essenzielle Bedeutung haben: Angiogenesefaktoren. Diese spielen bei der Bildung der plazentaren Blutgefäße und damit für die Versorgung des Fötus eine wichtige Rolle. Der Proangiogenesefaktor PIGF („placental growth factor“) stimuliert die Gefäßbildung. Während einer normalen Schwangerschaft sind Gefäßbildung und -funktion ausgeglichen und an die Versorgung des Fötus angepasst. Bei einer Präeklampsie wird der Antiangiogenesefaktor sFlt-1 („soluble Fms-like Tyrosinkinase-1“) im Übermaß produziert. Seine starke Bindungsaffinität zum proangiogenen PIGF resultiert in einem Abfall der PIGF-Konzentration und damit in einem Ungleichgewicht, das zur Unterdrückung der plazentaren Blutgefäßbildung und Unterversorgung des Fötus führen kann.</p> <p>Die automatisierte Messung der Elecsys®-sFlt1/PlGF-Biomarker von Roche steht bereits seit einigen Jahren zur Verfügung. Der Quotient von Elecsys® sFlt-1 und Elecsys® PlGF hat sich als wertvoller erwiesen als die beiden Parameter einzeln. Die Bestimmung der Ratio erlaubt eine präzise Diagnose der Präeklampsie und stellt somit eine Hilfestellung vor allem in klinisch/laborchemisch unklaren Fällen dar. Der Quotient dieser beiden Biomarker ist ein objektives Tool für die Diskriminierung zwischen „gesund und krank“ und zwischen der Präeklampsie und anderen Formen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. Bei einem Wert von über 85 vor der 34. Schwangerschaftswoche bzw. 110 nach der 34. Schwangerschaftswoche gilt die Diagnose mit hoher Wahrscheinlichkeit als bestätigt (Abb. 1). Als besonders wertvoll hat sich der Einsatz des Quotienten in jenen Fällen gezeigt, in denen zwischen der Aggravierung einer Grunderkrankung (Leber- oder Nierenkrankheiten) oder Autoimmunerkrankung, z.B. Lupus erythemadodes, und der Präeklampsie unterschieden werden muss. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Gyn_1702_Weblinks_seite14.jpg" alt="" /></p> <h2>Zuverlässige Prognose möglich</h2> <p>Die Erfahrung lehrt, dass sich die Präeklampsie als eine progressive und unvorhersehbare Erkrankung präsentiert. Die Geburt stellt bis dato die einzige kausale Therapie dar. Die klinische Manifestation und der weitere klinische Verlauf einer Präeklampsie sind sehr unterschiedlich, wodurch die Einschätzung des Krankheitsverlaufs deutlich erschwert werden kann. Die Präeklampsie ist eine Multisystemerkrankung; deshalb lassen Blutdruckmessung und die Eiweißausscheidung nicht immer auf ihren Schweregrad rückschließen. Die Resultate der PROGNOSIS-Studie belegen den prognostischen Wert des Elecsys®-Präeklampsie-Tests, nämlich dass es mithilfe des Quotienten ≤38 nun möglich ist, die Entwicklung einer Prä­eklampsie innerhalb einer Woche mit fast 100 % iger Wahrscheinlichkeit auszuschließen (NPV 99,3 % ). Bei einem Wert zwischen 38 und 85 („early onset“) bzw. 110 („late onset“) gehört die Schwangere in die Gruppe mit intermediärem Risiko. In diesem Fall erhöhen die Blutdruckselbstmessung und der Harnstreifentest plus Bestimmung des Quotienten im Intervall die Chance, eine sichere Diagnose zeitnah zu erheben. Die PROGNOSIS-Studie bestätigte darüber hinaus, dass ein sFlt-1/PlGF-Quotient über 38 vorhersagen kann, ob sich bei Schwangeren mit Verdacht auf eine Präeklampsie die Erkrankung innerhalb von vier Wochen entwickeln wird (Bestätigung der Erkrankung). <br />Das Testergebnis ermöglicht es Ärzten einerseits, durch zuverlässigen Ausschluss einer Präeklampsie für eine Woche unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Andererseits können sie durch die Vorhersage eines hohen Risikos für Prä­eklampsie, die eine optimale Vorsorge erlaubt, den Ausgang der Schwangerschaft für Mutter und Kind verbessern. Im Management dieser Schwangerschaftserkrankung helfen diese beiden Marker, jene Patientinnen zu identifizieren, die eine intensivierte Therapie benötigen. In kritischen Situationen mit unspezifischen klinischen Bildern helfen diese beiden objektiven Parameter bei der klinischen Entscheidungsfindung und rechtzeitigen Intervention. Die neuen Daten setzen neue Maßstäbe in der Schwangerschaftsvorsorge, indem unnötige Krankenhauseinweisungen vermieden und unbegründete Ängste der Mutter und ihrer Familie abgebaut werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Der Elecsys®-sFlt-1/PlGF-Quotient ist ein hervorragendes Tool in der Diagnostik und Prognose der Präeklampsie. Die Anwendung bringt Sicherheit sowohl für den betreuenden Arzt wie auch die schwangere Frau durch Optimierung des Managements. Ein Algorithmus wird noch erarbeitet, wie dieser einfache Test im klinischen Kontext richtig eingesetzt und interpretiert wird.</p> </div> <p> </p> <p><span class="link-color"><a class="article-link" href="../fachthemen/8049" data-locked="0">zurück zum Themenschwerpunkt zur OEGGG Jahrestagung</a></span></p> <p> </p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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