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Großes Potenzial für die Therapie
Jatros
30
Min. Lesezeit
05.07.2018
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<p class="article-intro">Stammzellen sind die Grundlage für die Zellerneuerung im Körper. Im letzten Drittel der Schwangerschaft wandern die Stammzellen des Babys mit dem Blut in sein Knochenmark und die Organe. Nach der Geburt ist daher das Nabelschnurblut reich an Stammzellen. Über die Forschung mit diesen Stammzellen und den klinischen Nutzen daraus informierten namhafte Experten im Rahmen eines Symposiums in Berlin.</p>
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<p class="article-content"><p>Prof. Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Berliner Charité, führte in das Thema ein. „Schätzungsweise wird bei 98 % der Geburten das Nabelschnurblut verworfen, obwohl es sehr kostbar ist“, sagte er. Weltweit werde jedoch daran geforscht, wie man mit den Stammzellen aus dem Nabelschnurblut angeborene Schäden und Krankheiten bei Kindern behandeln kann. In der Charité konzentriert man sich dabei auf Hirnschäden, die während der Schwangerschaft und Geburt, etwa durch eine Hypoxie, entstehen können. Bisher seien in solchen Fällen die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt, berichtete Henrich. Die Frage sei, ob man Stammzellen nutzen kann, und wenn ja, in welcher Hinsicht bzw. wie man sie bekommt.</p> <h2>Stammzellforschung zu Hirnschäden</h2> <p>Prof. Daniel Surbek vom Inselspital Bern berichtete über die präklinische Forschung zu mesenchymalen Stammzellen. Ihre Fähigkeit, sich in verschiedene Gewebe zu differenzieren, ist hinsichtlich der Neuroprotektion und -regeneration interessant. Die Wirkmechanismen seien zwar noch nicht geklärt, sagte Surbek, doch die bisherigen Studienergebnisse seien vielversprechend. Er hofft, dass mit dieser Form einer Stammzelltherapie frühkindliche Hirnschäden zukünftig behandelbar werden.</p> <h2>Einsatz von Stammzellen aus Nabelschnurblut</h2> <p>Prof. Joanne Kurtzberg von der Duke University, Durham/USA, eine Pionierin in der Verwendung von Nabelschnurblut als alternativer Quelle für Stammzellen, gab einen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung. Nabelschnurblut enthält verschiedene Typen von Stammzellen. Besonders interessant sind die Monozyten, vor allem die CD14-Linie. Aus diesen Zellen haben Wissenschaftler um Kurtzberg eine Zelltherapie namens DUOC- 01 entwickelt, die bei demyelinisierenden Krankheiten eingesetzt werden soll. Im Tierversuch konnte eine Remyelinisierung nachgewiesen werden; ebenso konnten Schäden aufgrund einer intrauterinen Ischämie behoben werden.<sup>1, 2</sup><br /> Dass die Anwendung autologer Stammzellen aus dem Nabelschnurblut bei Neugeborenen wirksam und sicher ist, zeigte eine Untersuchung mit 23 Kindern, die an einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie litten.<sup>3</sup> In einer weiteren Studie wurde die Wirkung von Infusionen mit autologen Stammzellen aus Nabelschnurblut bei Kindern mit Zerebralparese untersucht. Auch hier zeigte sich nach einem und zwei Jahren ein signifikanter Effekt der Stammzellinfusion auf die motorischen Fähigkeiten und die Gehirnfunktion.<sup>4</sup></p> <h2>World Stem Cell Summit</h2> <p>Dr. Angela Segler von der Klinik für Geburtsmedizin an der Berliner Charité berichtete vom World Stem Cell Summit (WSCS), das im Jänner in den USA stattfand. Die Konferenz ist ein Projekt der Regenerative Medicine Foundation, einer Non-Profit-Organisation, die gegründet wurde, um ein weltweites Netzwerk für regenerative Medizin zu schaffen. Die Stammzellforschung sei sehr komplex und entwickle sich rasch weiter, sagte Segler. Daher müssten Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenarbeiten, um die medizinischen, juristischen, ethischen, politischen und finanziellen Fragen neuer Technologien zu klären. Auf der Konferenz wurden unter anderem neue Diagnoseverfahren, Methoden zur künstlichen Herstellung biologischer Gewebe und Organe sowie für beschleunigte Wundheilung vorgestellt. Die möglichen Einsatzgebiete der Produkte aus perinatalen Stammzellen sind beispielsweise Knorpelersatz in Gelenken, Autoimmunkrankheiten wie Morbus Crohn sowie ischämische Kardiomyopathien.<sup>5–7</sup> Ebenfalls diskutiert wurden kritische Aspekte für die Zukunft der Stammzellforschung wie die hohen Kosten und ethische Fragen zur Zellgewinnung, berichtete Segler. In ihrem Fazit betonte sie das große Potenzial der Stammzellen aus Nabelschnurblut, das noch viel Raum für Forschung bietet.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Tagung „Stammzellen und Nabelschnurblut in der modernen
Medizin“. 18. Mai 2018, Berlin
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<p><strong>1</strong> Saha A et al.: A cord blood monocyte-derived cell therapy product accelerates brain remyelination. JCI Insight 2016; 1: e86667 <strong>2</strong> Drobyshevsky A et al.: Human umbilical cord blood cells ameliorate motor deficits in rabbits in a cerebral palsy model. Dev Neurosci 2015; 37: 349- 62 <strong>3</strong> Cotten CM et al.: Feasibility of autologous cord blood cells for infants with hypoxic-ischemic encephalopathy. J Pediatr 2014; 164: 973-9 <strong>4</strong> Sun JM et al.: Effect of autologous cord blood infusion on motor function and brain connectivity in young children with cerebral palsy: a randomized, placebo-controlled trial. Stem Cells Transl Med 2017; 6: 2071-8 <strong>5</strong> Sadlik B et al.: Cartilage repair in the knee using umbilical cord wharton’s jelly-derived mesenchymal stem cells embedded onto collagen scaffolding and implanted under dry arthroscopy. Arthrosc Tech 2017; 7: e57-e63 <strong>6</strong> Zhang J et al.: Umbilical cord mesenchymal stem cell treatment for Crohn’s disease: a randomized controlled clinical trial. Gut Liver 2018; 12: 73-8 <strong>7</strong> Hare JM et al.: A combination of allogeneic stem cells promotes cardiac regeneration. J Am Coll Cardiol 2017; 70: 2504-15</p>
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