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Endometriose in der Adoleszenz

<p class="article-intro">Bei mehr als der Hälfte der an chronischen Unterbauchschmerzen oder Dysmenorrhö leidenden Adoleszentinnen lässt sich eine Endometriose nachweisen. Dabei können Beschwerden wie Unterbauchschmerzen schon lange vor der Menarche vorhanden sein. Die Ziele einer frühen Diagnosesicherung müssen die Entlastung der jungen Patientin und die Limitierung der Spätfolgen einer Endometriose sein.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine Endometriose bei jungen M&auml;dchen ist noch vor dem Einsetzen der Menarche, aufgrund der schon Jahre vorausgehenden &Ouml;strogenisierung, m&ouml;glich.</li> <li>Die richtige Diagnose verbessert die Lebensqualit&auml;t und verringert Komorbidit&auml;ten (Depression).</li> <li>Mittel der ersten Wahl sind NSAIDs, kombinierte, orale Kontrazeptiva sind die zweite Wahl (je nach Alter und Lebenssituation differenzierter Einsatz).</li> <li>Operative Diagnostik und Therapie bei erfolgloser medikament&ouml;ser Intervention oder bei tief infiltrierender Endometriose</li> </ul> </div> <h2>Die junge (Endometriose-)Patientin</h2> <p>Neben Dyspareunie, abnormen oder unregelm&auml;&szlig;igen Uterusblutungen sowie &bdquo;cyclic pelvic pain&ldquo; und Infertilit&auml;t ist die Dysmenorrh&ouml; mit 64 % das f&uuml;hrende Leitsymptom bei Patientinnen mit symptomatischer Endometriose. Betrachtet man jedoch die sehr junge Adoleszentin, so k&ouml;nnen gerade diese so typischen und pr&auml;diktiven Symptome fehlen oder nur atypisch vorhanden sein.<br /> H&auml;ufig zeigen sich bei jungen Patientinnen auch nicht zyklische Unterbauchschmerzen, Blasenkr&auml;mpfe, Darmkr&auml;mpfe bis hin zur Dyschezie w&auml;hrend der Menstruation sowie Depression und Angstzust&auml;nde. Weiters kann auch ein Nichtansprechen auf nichtsteroidale Antiphlogistika oder kombinierte, hormonelle Kontrazeptiva vorliegen. Fehlzeiten in der Schule sind oft die Folge, aber auch die Beeintr&auml;chtigung des Alltagslebens, wie sie auch bei Frauen mit Endometriose im adulten Alter vorkommt.<br /> Junge Patientinnen, vor allem M&auml;dchen ohne Menstruation, haben somit nicht selten einen langen Leidensweg bis zur Diagnosestellung und der Installation einer geeigneten Therapieform. Im Schnitt vergehen 23 Monate bis zur Diagnosesicherung. In dieser Zeit finden im Durchschnitt drei Facharztkonsultationen statt. Neben der Gyn&auml;kologie konsultierte Fachgebiete sind die Orthop&auml;die, die Gastroenterologie, die Schmerztherapie, die Psychiatrie und die Urologie.</p> <h2>Die &Ouml;strogenisierung beginnt schon vor der Menarche</h2> <p>Das Fehlen einer Menarche oder gar die mehr oder weniger regelm&auml;&szlig;ig vorkommende Menstruationsblutung ist bestimmt ein Grund, warum junge M&auml;dchen nicht prim&auml;r eine Vorstellung in der Gyn&auml;kologie erfahren. Eine Endometriose kann aber bereits vor dem Einsetzen der Menarche bestehen und symptomatisch sein. Die &Ouml;strogenisierung beginnt gut zweieinhalb Jahre vor der Menarche und es herrscht &auml;hnlich wie in der perimenopausalen Phase eine &Ouml;strogendominanz, die der Endometriose den n&ouml;tigen Vorschub bietet. In der Studie von Erica C. Dun et al. konnte gezeigt werden, dass die Endometriose bei Jugendlichen h&auml;ufig fehldiagnostiziert wurde und Fehldiagnosen oft zu &Auml;ngsten und Verunsicherung f&uuml;hrten.<sup>1</sup> Eine gyn&auml;kologische Abkl&auml;rung beschleunigt den Prozess bis zur richtigen Diagnose und hilft, die Lebensqualit&auml;t zu verbessern. Das Alter der Patientinnen in dieser Studie lag zwischen 10 und 21 Jahren. Stuparich et al. zeigten in einer anderen Untersuchung, dass in 50 % der F&auml;lle die korrekte Diagnose nur mit Zuhilfenahme der gyn&auml;kologischen Anamnese gelang.<sup>2</sup> Weiterhin wurde beschrieben, dass nur 15 % der von Schmerzen geplagten M&auml;dchen einen Arzt aufsuchten.</p> <h2>Risikofaktoren f&uuml;r eine Endometriose in der Adoleszenz</h2> <p>Neben einer positiven Familienanamnese bez&uuml;glich Endometriose, die im Untersuchungsgespr&auml;ch unbedingt mit abgefragt werden muss, gelten eine fr&uuml;he Menarche (vor dem 12. Lebensjahr), eine verl&auml;ngerte Menstruation sowie Adipositas als Risikofaktoren f&uuml;r die Entstehung einer Endometriose in der Adoleszenz. Hier sollte neben der Sensibilisierung anderer Fachrichtungen wie der Kinderheilkunde in Bezug auf die Endometriose bei jungen M&auml;dchen auch die Lifestyle-Modifikation im Sinne einer fr&uuml;hen Prophylaxe gesehen werden, um so z.B. eine Hyper&ouml;strogen&auml;mie durch &Uuml;bergewicht zu verhindern. In diesem Licht sehe ich besonders die interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit mit der gyn&auml;kologischen Endokrinologie als extrem hilfreich. Sie kann schon fr&uuml;h helfen, eine prim&auml;re Insulinresistenz zu erkennen und geeignete Ma&szlig;nahmen (Ern&auml;hrungsberatung, Sport, medikament&ouml;se Therapie) einzuleiten, um die Entwicklung hin zu einer sekund&auml;ren und schlie&szlig;lich einer gest&ouml;rten Glukosetoleranz zu verz&ouml;gern oder im besten Fall zu vermeiden. Nicht selten ist sonst der Weg zur&uuml;ck zum Normgewicht frustran und das metabolische Syndrom in all seiner Schwere unvermeidbar. Dieser Circulus vitiosus wird uns in der Zukunft auch in der Diskussion im Zusammenhang mit der fetalen, intrauterinen Programmierung und &ouml;strogenabh&auml;ngigen Erkrankungen der Frau, wie Myomen und eben auch der Endometriose, geh&auml;uft begegnen. Gerade bei der Adoleszentin noch ohne Menstruation tritt die Entstehungstheorie der retrograden Menstruation in den Hintergrund und die Z&ouml;lom-Metaplasie-Theorie sowie der Verdacht der Entstehung aus embryonalen Resten des M&uuml;ller-Ganges treten ins Zentrum der Diskussion. Obstruktive M&uuml;ller- Gang-Anomalien sind ebenfalls detektierte Risikofaktoren. Des Weiteren komplettieren ein Geburtsgewicht von unter 3500g, eine &uuml;berdurchschnittliche K&ouml;rpergr&ouml;&szlig;e und die fr&uuml;he Einnahme von oralen Kontrazeptiva ohne Verh&uuml;tungswunsch sowie gegen die &bdquo;prim&auml;re Dysmenorrh&ouml;&ldquo; die Liste der bekannten Risikofaktoren.</p> <h2>Diagnostik und Therapie der Endometriose in der Adoleszenz</h2> <p>Das Erkennen der individuellen Situation der jungen Patientin, auch im Kontext ihres pers&ouml;nlichen Umfeldes (Familie, Schule, Ausbildung etc.), sollte am Beginn einer vertrauensvollen Patientin-Arzt- Beziehung stehen. Eine mit Gewalt &uuml;bergest&uuml;lpte apparative Medizin oder gar operative Ma&szlig;nahmen bei jungen Patientinnen mit einem schon l&auml;nger bestehenden Leidensweg bahnt eher den Weg f&uuml;r eine schon fr&uuml;he Chronifizierung und Stigmatisierung. Ziel sollte zu Beginn immer die Entlastung sein, Kompetenzen sollen gest&auml;rkt und Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, wenn n&ouml;tig im interdisziplin&auml;ren Setting. Es wird wenig Sinn machen, einem Teenager die Wichtigkeit einer diagnostischen oder therapeutischen Ma&szlig;nahme anhand des Fertilit&auml;tserhalts zu verdeutlichen, auch wenn die behandelnde &Auml;rztin oder der behandelnde Arzt die Therapie in Anbetracht der momentanen und kommenden Lebensphasen abstimmen muss und im Sinne der Patientin in die Zukunft denken sollte.<br /> In der Anamnese sollte aktiv nach Dysmenorrh&ouml; und Unterbauchschmerzen gefragt werden. Die Intensit&auml;t einer vorhandenen Dysmenorrh&ouml; kann mittels visueller Analogskala verifiziert werden. Ebenfalls sollte nach Schmerzen bei der Def&auml;kation und &ndash; falls schon praktiziert &ndash; beim Geschlechtsverkehr gefragt werden. Auch die Frage, inwieweit die Schmerzen den Alltag und die Lebensqualit&auml;t beeintr&auml;chtigen, sollte in die Anamnese mit eingehen (Krankschreibungen, Verlust an Freizeitaktivit&auml;ten etc.). Gefragt werden sollte, ob schon Medikamente eingenommen wurden. Wenn dies der Fall ist, sollte nach der Art der Medikation gefragt werden und ob diese auch geholfen haben. Hier kann die Empfehlung zur Pflege eines Patiententagebuches sehr hilfreich sein. Auch die Frage nach der Familienanamnese, ob es Verwandte gibt, die an Endometriose oder an Unterbauchschmerzen/Dysmenorrh&ouml; leiden, und ob Probleme mit dem Schwangerwerden in der Familie ein Thema sind muss erhoben werden.<br /> Ab der Menarche kann auch eine Virgo intacta gefragt werden, ob sie mit einer bimanuellen Untersuchung einverstanden ist (rektale Palpation als Alternative m&ouml;glich). Auch ein Ultraschall kann entweder von abdominal bei gef&uuml;llter Blase oder von rektal durchgef&uuml;hrt werden. Die Anwendung des MRT besteht ebenfalls als Option. Diese Techniken dienen eher weniger dem Nachweis von Endometriomen oder einer tief infiltrierenden Endometriose als dem Ausschluss anderer Ursachen f&uuml;r die Beschwerden (Ovarialzysten, &bdquo;pelvic inflammatory disease&ldquo;, interstitielle Cystitis). Grund hierf&uuml;r ist, dass die Endometriose sich bei Adoleszentinnen h&auml;ufig in fr&uuml;hen Stadien mit atypischen L&auml;sionen zeigt (s.u.). Diese entziehen sich h&auml;ufig einer Palpation oder einem bildgebenden Verfahren. In einer Studie von Janssen et al. zur Pr&auml;valenz von Endometriose bei Adoleszentinnen, die mittels Laparoskopie diagnostiziert worden war, wurden 880 M&auml;dchen und junge Frauen im Alter von 10 bis 21 Jahren untersucht.<sup>3</sup> Die Gesamtpr&auml;valenz f&uuml;r das Vorhandensein einer gesicherten Endometriose betrug 62 % . Bei Patientinnen mit therapierefrakt&auml;ren Unterbauchschmerzen &uuml;ber 6 Monate betrug die Pr&auml;valenz gar 75 % und bei Dysmenorrh&ouml; 70 % . Nach der American Society for Reproductive Medicine Revised Classification of Endometriosis (rASRM) wurde bei 50 % der Grad 1 gefunden, bei 27 % Grad 2, bei 18 % Grad 3 und bei 14 % Grad 4. Es fanden sich h&auml;ufig rote, klare oder wei&szlig;e peritoneale Herde, die vesikelartig imponierten. Die typischen polymorphen, pigmentierten Herde wie bei adulten Patientinnen waren nur selten anzutreffen. Ebenfalls selten waren ovarielle Endometriome und das Vorliegen einer tief infiltrierenden Endometriose. Die gleiche Tendenz fand sich in der schon oben genannten Studie von Erica C. Dun et al., wenn auch bei deutlich geringerer Fallzahl (n=25). Hier war Grad 1 analog zur rASRM in 68 % zu finden, Grad 2 in 20 % , Grad 3 in 12 % und Grad 4 &uuml;berhaupt nicht. Hier erfolgten postoperativ die Versorgung mit kombinierten oralen Kontrazeptiva bei 64 % und die Verwendung von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAIDs) bei 12 % .<sup>1</sup> Das Outcome nach einem Jahr war bei 64 % eine v&ouml;llige Beschwerdefreiheit und bei 12 % eine Verbesserung der Schmerzsituation. 12 % hatten keinen Benefit und nur 8 % hatten eine kurzzeitige Verbesserung mit folgendem Rezidiv. Gesamt gesehen lag die Erfolgsrate nach der Intervention bei 80 % .<br /> Allgemein gilt die Verwendung von NSAIDs als Mittel der ersten Wahl, gefolgt von kombinierten oralen Kontrazeptiva, wobei hier das Alter und die momentane Lebenssituation in die Therapieentscheidung mit einflie&szlig;en m&uuml;ssen. Bei einer jungen, sexuell aktiven Frau mit dem Wunsch nach einer sicheren Kontrazeption f&auml;llt die Entscheidung eher auf ein geeignetes hormonelles Pr&auml;parat als bei einem M&auml;dchen, das noch keine Menarche bzw. noch keinen regelm&auml;&szlig;igen Menstruationzyklus hat. Der zu fr&uuml;he Einsatz von Hormonen kann sich auf das Uteruswachstum negativ auswirken. Generell muss das Nebenwirkungsprofil einer medikament&ouml;sen Therapie bei jungen Patientinnen differenziert bewertet werden. Eine operative Diagnostik und Therapie sollte sich bei Medikamenten-refrakt&auml;rer Form anschlie&szlig;en, prim&auml;r eingesetzt bei infiltrierender Endometriose. Analog zur deutschen S2k- Leitlinie sollte vor allem bei ovariellen Endometriomen die medikament&ouml;se Therapie Mittel der ersten Wahl sein.<sup>4</sup> In diesem Rahmen ist nat&uuml;rlich zu diskutieren, ob eine fr&uuml;hzeitige Diagnose f&uuml;r den weiteren Verlauf und den Fertilit&auml;tserhalt von Bedeutung ist (Psyche). Eine fr&uuml;he Laparoskopie bedeutet ein geringeres Trauma als eine Operation bei ausgepr&auml;gten Befunden. Auch ist hier h&auml;ufig das &bdquo;Singleport&ldquo;- OP-Verfahren ausreichend; in der Hand des ge&uuml;bten Operateurs ist die einzige Narbe im Bereich des Nabels sp&auml;ter nicht mehr sichtbar. F&uuml;r die Senkung der Rezidivrate nach fr&uuml;her Laparoskopie existiert derzeit noch keine Evidenz. Jedoch scheint eine fr&uuml;he Resektion von ovariellen Endometriomen die Follikelreserve zu schonen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1901_Weblinks_jatros_gyn_1901_s12_abb1.jpg" alt="" width="600" height="357" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zwei Drittel der Adoleszentinnen mit chronischen Unterbauchschmerzen/ Dysmenorrh&ouml; haben eine gesicherte Endometriose. Zwei Drittel davon haben die ersten Symptome vor dem 20. Lebensjahr, die durchschnittliche Zeit vom Beginn der Symptome bis zur Diagnose betr&auml;gt 6 bis 10 Jahre. Eine Dysmenorrh&ouml; ist die h&auml;ufigste gyn&auml;kologische Erkrankung junger M&auml;dchen, jedoch konsultieren nur 15 % deswegen einen Arzt. Im Einzelfall kann eine fr&uuml;he Laparoskopie diskutiert werden.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dun EC et al.: Endometriosis in adolescents. JSLS 2015; 19(2): e2015.00019 <strong>2</strong> Stuparich MA et al.: Endometriosis in the adolescent patient. Semin Reprod Med 2017; 35(1): 102-9 <strong>3</strong> Janssen EB et al.: Prevalence of endometriosis diagnosed by laparoscopy in adolescents with dysmenorrhoea or chronic pelvic pain: a systematic review. Hum Reprod Update 2013; 19(5): 570-82 <strong>4</strong> S2k-Leitlinie Endometriose</p> </div> </p>
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