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Eine schwergewichtige Herausforderung
Leading Opinions
30
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21.09.2017
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<p class="article-intro">Das Problem Adipositas bei jungen und älteren Frauen wird in der gynäkologischen Sprechstunde immer häufiger zum Thema. Dr. med. Michael Egloff ist Stv. Leitender Arzt Endokrinologie/ Diabetologie am Kantonsspital Baden und diskutierte am FOMF Update Refresher Gynäkologie den aktuellen Wissensstand rund um diese «gewichtige» Herausforderung.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Da bei ansonsten gesunden Jugendlichen und Frauen im gebärfähigen Alter der Gynäkologe oft über lange Jahre der einzige ärztliche Ansprechpartner sein kann, liegt es häufig an ihm, Übergewicht und Adipositas zu thematisieren. Welche Argumente vorgebracht werden sollten und welche therapeutischen Optionen es gibt, erläuterte Dr. med. Michael Egloff.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1702_Weblinks_lo_gyn_1702_s7_foto.jpg" alt="" width="724" height="967" /></p> <h2>Übergewicht und gesundheitliche Probleme</h2> <p>Wie wirken sich zu viele Kilos in frühen Jahren aus? Nebst den bekannten Adipositas-assoziierten internistischen Erkrankungen führen sie zu einer Vielzahl von gynäkologischen Problemen. Sie vermindern die Fertilität und erhöhen das Risiko für Spontanaborte, Gestationsdiabetes, Sectios und weitere Schwangerschaftskomplikationen.<sup>1, 2</sup> Postpartal sind Thrombosen, Depressionen und Stillprobleme häufiger. Es bestehen vermehrt Probleme bei der Auswahl von Antikonzeptiva und ein erhöhtes Anästhesie- und Operationsrisiko. Bei Adipositas steigt auch das Tumorrisiko, beim Endometriumkarzinom um den Faktor 4,5, beim Mammakarzinom um den Faktor 1,75. Im späteren Leben treten bei Übergewichtigen vermehrt Beckenbodenprobleme wie Stressinkontinenz oder Reizblase auf.<sup>3, 4</sup><br /> Viele Gründe, um immer wieder das Thema in der Sprechstunde anzuschneiden, wenn die Waage zu viel anzeigt. Der BMI (Übergewicht beginnt bei 25, Adipositas bei 30) ist einfach zu bestimmen und korreliert gut mit komplexeren Messgrössen, während der Bauchumfang und die «waist-to-hip ratio» eine zusätzliche Aussage über die Fettverteilung erlauben.<br /> Meist liegt die Ursache der Adipositas in einer Energie-Dysbalance, einem Missverhältnis zwischen Nahrungszufuhr und körperlicher Aktivität.<sup>5</sup> Es sollte aber auch an eine mögliche, wenngleich auch viel seltenere, angeborene oder erworbene sekundäre Ursache gedacht werden. Neben einem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) können andere endokrine, aber auch genetische Ursachen dahinterstecken. Eine Gewichtsabnahme kann den Schweregrad eines PCOS senken.<sup>6</sup></p> <h2>Therapiemöglichkeiten</h2> <p>Die hochkomplexe Regulation der Nahrungsaufnahme führt dazu, dass es bis heute weder die Diät noch die «Abnehmpille für alle» gibt. Gesunde Ernährung und körperliche Aktivität im Duo sind am besten wirksam.<sup>5</sup> «Alles, was die Energiebilanz günstig beeinflusst, viel Bewegung im Alltag und gesundes Essverhalten sowie realistische Ziele sind immer noch die besten Empfehlungen», führte Egloff aus. In einer der grössten Studien zur konservativen Adipositastherapie konnte durch Gewichtsabnahme zwar kein Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko erzielt werden. Es zeigte sich aber eine Verbesserung in vielen sekundären Endpunkten wie körperlicher Fitness, Schlafapnoe, Lebersteatose, Depression, Urininkontinenz und Sexualleben.<sup>7</sup><br /> Und die Medikamente? Orlistat führt zu einer Fettmalabsorption mit den Nebenwirkungen Meteorismus und Flatulenz. Liraglutid ist ein GLP-1-Analogon, das subkutan gespritzt wird und zu Nausea führen kann. Letzteres ist bei Nichtdiabetikern nicht kassenpflichtig und schlägt mit Behandlungskosten von 350 CHF pro Monat zu Buche. Bei Diabetespatienten haben neben den verschiedenen GLP-1-Rezeptor-Agonisten Metformin und SGLT-2-Inhibitoren, die die Glukoseausscheidung steigern, einen günstigen Gewichtseffekt.<br /> Immer mehr Patienten gelten als Kandidaten für eine chirurgische Therapie. Für eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse muss ein BMI von ≥35kg/ m<sup>2</sup> nach mindestens zweijähriger konservativer Therapie vorliegen. «Der Effekt der bariatrischen Chirurgie ist nicht nur mechanisch, sondern beruht vor allem auch auf multiplen endokrinen Wirkungen», erläuterte Egloff. In der Schweiz ist heutzutage der Magenbypass die Standardoperation, in bestimmten Fällen wird als neuere Alternative ein Schlauchmagen gewählt.<sup>8</sup> Wichtig sei in jedem Fall der Wille der Patientin, aktiv etwas an ihrem Lebensstil zu ändern. Neben einer durchschnittlichen Gewichtsabnahme um bis zu 30 % nach Magenbypass kommt es zu einer Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren. Häufig kann eine Remission des Diabetes beobachtet werden und das Karzinomrisiko bei Frauen kann ebenfalls sinken. Es steigt nicht nur die Lebensqualität, auch die Kosteneffizienz ist belegt.<sup>9</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Vortrag von Dr. med. Michael Egloff «Adipositas – die
schwergewichtige Herausforderung», FOMF Update Refresher
Gynäkologie, 15.–17. Mai, Zürich
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Catalano PM, Shankar K: Obesity and pregnancy: mechanisms of short term and long term adverse consequences for mother and child. BMJ 2017; 356: j1 <strong>2</strong> Carlson NS et al.: Parturition dysfunction in obesity: time to target the pathobiology. Reprod Biol Endocrinol 2015; 13: 135 <strong>3</strong> Beavis AL et al.: Lifestyle changes and the risk of developing endometrial and ovarian cancers: opportunities for prevention and management. Int J Women's Health 2016; 8: 151-67 <strong>4</strong> Moley KH, Colditz GA: Effects of obesity on hormonally driven cancer in women. Sci Transl Med 2016; 8: 323ps3 <strong>5</strong> Apovian CM et al.: Pharmacological management of obesity: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100: 342-62 <strong>6</strong> Dumesic DA et al.: Scientific statement on the diagnostic criteria, epidemiology, pathophysiology, and molecular genetics of polycystic ovary syndrome. Endocr Rev 2015; 36: 487-525 <strong>7</strong> The Look AHEAD Research Group: Cardiovascular effects of intensive lifestyle intervention in type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369: 145-54 <strong>8</strong> Schiesser M: Adipositaschirurgie im Wandel. Schweiz Med Forum 2015; 15: 225-30 <strong>9</strong> Gulliford MC et al.: Costs and outcomes of increasing access to bariatric surgery: cohort study and cost-effectiveness analysis using electronic health records. Value Health 2017; 20: 85-92</p>
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