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„Die Standards sind gesetzt“
Jatros
30
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23.03.2017
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<p class="article-intro">Seit der Entdeckung der humanen Papillomaviren (HPV) als Krebserreger ist viel geschehen. Mit der Entwicklung des ersten Impfstoffs 2006 war es erstmals möglich, (zunächst nur) Mädchen vor einer Infektion zu schützen. Inzwischen ist die HPV-Impfung geschlechtsneutral zugelassen und auch in Österreich Bestandteil des kostenfreien Impfprogramms für Kinder von neun bis zwölf Jahren. Doch auch danach ist eine Impfung noch sinnvoll, wie Prof. Elmar Joura, Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien, erklärt.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Bisher sind mehr als 200 HPV-Typen bekannt. Welche Relevanz haben HPV als Krankheitserreger?</strong><br /> Es sind zwar über 200 HPV-Typen bekannt, davon sind aber nur 14 krebserregend. Diese sind allerdings für etwa 5 % sämtlicher Krebserkrankungen verantwortlich. Doch auch die nicht kanzerogenen HPV, allen voran die Typen 6 und 11, haben eine große Relevanz. Die durch sie verursachten Warzen sind zwar gutartig, bedeuten für die Betroffenen aber oft eine Belastung und ziehen Behandlungskosten nach sich.<br /><br /> <strong>Die Entwicklung der HPV-Impfung war ein Meilenstein. Seit 2014 ist sie in Österreich für Kinder zwischen 9 und 12 Jahren kostenfrei. Wie hat sich die Durchimpfungsrate seitdem verändert?</strong><br /> Die Entwicklung ist sehr positiv. Vor 2014 lag die Durchimpfungsrate hierzulande bei etwa 2 % . Schon im ersten Jahr nach dem Aufsetzen des kostenfreien Impfprogramms stieg sie auf 50 % . Nach neuesten Zahlen liegt sie inzwischen bei 62 % . Das Programm ist aber auch sehr gut aufgestellt, da es früh einsetzt und geschlechtsneutral impft. Österreich war das erste Land weltweit, das empfohlen hat, auch Knaben zu impfen und dies nun auch umsetzt.<br /><br /> <strong>Gibt es Kontraindikationen zur Impfung?</strong><br /> Nein, keine, abgesehen von den üblichen, zum Beispiel Unverträglichkeiten gegen einen der Inhaltsstoffe der Vakzine oder hohes Fieber. Eine leicht erhöhte Temperatur, wie sie bei einer Erkältung vorkommen kann, spricht nicht gegen eine Impfung.<br /><br /> <strong>Raten Sie auch Erwachsenen, sich impfen zu lassen? Wenn ja, warum?</strong><br /> Die Impfung ist am effektivsten, wenn sie früh erfolgt, am besten vor ersten sexuellen Aktivitäten. Doch auch später schützt sie vor Infektionen und Erkrankungen. Die Impfstoffe sind ohne obere Altersbeschränkung zugelassen, das heißt, sie können in jedem Alter ab dem 9. Geburtstag eingesetzt werden. Erwachsenen bis zum Alter von 40 Jahren würde ich sie uneingeschränkt empfehlen. Es spricht jedoch nichts dagegen, auch ältere Personen zu impfen. Allerdings nimmt der Nutzen mit zunehmendem Alter ab, da die Wahrscheinlichkeit sinkt, mit neuen Infektionen auch an HPV-assoziierten Karzinomen zu erkranken.<br /><br /> <strong>Bei Erwachsenen ist es wahrscheinlich, dass sie bereits mit HPV infiziert sind. Was bringt dann die Immunisierung?</strong><br /> Der größte Teil der Bevölkerung ist nicht infiziert. Aber auch für Infizierte gibt es einen langfristigen Benefit. Wer bereits infiziert ist, trägt meist nur einen Virustyp und ist durch die Impfung sofort gegen eine Infektion mit den acht anderen HPV-Typen geschützt. Außerdem führt eine HPV-Infektion nicht zu einer natürlichen Immunität. Daher ist eine Impfung durchaus sinnvoll, um weitere Infektionen – auch mit den gleichen Virustypen – zu unterbinden. Man hat zudem festgestellt, dass auch Frauen und Männer mit HPV-assoziierten Erkrankungen nach der Behandlung von der Impfung profitieren.<br /><br /> <strong>Inzwischen ist ein nonavalenter Impfstoff zugelassen. Welche zusätzlichen HPV-Typen erfasst er und warum ist das wichtig?</strong><br /> Er umfasst zusätzlich die Typen 31, 33, 45, 52 und 58. Diese HPV-Stämme erzeugen Krebs oft jenseits des 50. Lebensjahres. Sie kommen häufig vor, verursachen aber seltener Krebs als HPV 16 und 18.<br /><br /> <strong>Besteht bei einer solchen Vakzine nicht die Gefahr, dass die einzelnen Bestandteile sich gegenseitig ungünstig beeinflussen und der Impfschutz schwächer ausfällt?</strong><br /> Diese Bedenken wurden ausgeräumt. Eine Studie1, die Immunogenität und Wirksamkeit des Neunfachimpfstoffs gegenüber dem Vierfachimpfstoff untersuchte, zeigte, dass beide gleich wirksam sind.<br /><br /> <strong>Spielen die anderen Impfstoffe (zwei- und vierfach) nun überhaupt noch eine Rolle?</strong><br /> Im Moment ja. Der Neunfachimpfstoff wird auf alle Fälle den vierfachen ersetzen. Der Zweifachimpfstoff kommt von einem anderen Hersteller. Dieser hat sein Produkt schon vom US-Markt zurückgezogen, welcher der größte weltweit ist. Entscheidend ist, dass geimpft wird, alle drei Impfstoffe bieten einen hervorragenden Schutz gegenüber den beiden gefährlichsten HPV-Stämmen HPV 16 und 18.<br /><br /> <strong>Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?</strong><br /> Der Standard ist gesetzt. Jetzt müssen wir noch die Impfraten verbessern. Doch wir sind auf einem guten Weg.<br /><br /> <strong>Werden die durch HPV ausgelösten Tumorarten irgendwann der Vergangenheit angehören?</strong><br /> Sie könnten tatsächlich eliminiert werden, doch das hängt von den Durchimpfungsraten ab. Hier wäre es wichtig, wenn die niedergelassenen Gynäkologen ihre Patientinnen auf die Impfung ansprechen und auch impfen. Das wäre die perfekte Ergänzung zum HPV-Kinderimpfprogramm. Manche sind in dieser Richtung sehr engagiert, andere dagegen sehr zurückhaltend. Doch dafür gibt es keinen Grund, wenn man an die Vorteile denkt, die eine Immunisierung auch Erwachsenen bringt.<br /><br /> <strong>Sehr geehrter Herr Prof. Joura, vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Joura EA et al: A 9-valent HPV vaccine against infection and intraepithelial neoplasia in women. N Engl J Med 2015; 372(8): 711-23. doi: 10.1056/NEJMoa1405044</p>
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