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Menopausale Hormontherapie

Der natürliche Weg ist der sicherste

<p class="article-intro">Den objektiv messbaren gesundheitlichen Vorteilen, von denen Frauen mit menopausaler Hormontherapie (MHT) gegenüber Frauen ohne MHT profitieren, werden seit vielen Jahren emotional gesteuerte und wissenschaftlich nicht belegbare Vorurteile entgegengehalten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Diese in erster Linie das Mammakarzinomrisiko betreffenden Vorurteile wurden paradoxerweise durch eine 2002 publizierte Studie der Women&rsquo;s Health Initiative (WHI), die gar keine Studie zur MHT (= HRT) war und in der das Risiko f&uuml;r Mammakarzinome gar nicht signifikant erh&ouml;ht war, in die Welt gesetzt. Seither werden sie beharrlich von ignoranten und destruktiven Kr&auml;ften gen&auml;hrt, und sie werden immer noch einer verunsicherten &Ouml;ffentlichkeit als &bdquo;Fakten&ldquo; gegen die Sicherheit einer MHT und f&uuml;r die vermeintliche Sicherheit &bdquo;hormonfreier Produkte&ldquo; verkauft. Die Wirksamkeit der einen und der anderen steht erst in zweiter Linie und ebenso verzerrt und ideologisiert wie die Sicherheit zur Diskussion.</p> <h2>WHI-Studie</h2> <p>Die WHI-Studie hatte das prim&auml;re Ziel, die Effekte zweier Anfang der 1990er-Jahre in den USA verwendeten Hormonpr&auml;parate auf die Inzidenz kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen bei haupts&auml;chlich &auml;lteren asymptomatischen Frauen, NICHT aber deren Effekte auf peri- und k&uuml;rzlich postmenopausale symptomatische Frauen zu evaluieren: 0,625mg konjugierte equine &Ouml;strogene (CEE)/Tag als Monotherapie bei hysterektomierten Frauen und 0,625mg CEE kontinuierlich kombiniert mit 2,5mg Medroxyprogesteronacetat (MPA)/Tag bei nicht hysterektomierten Frauen. Nichtsdestotrotz wurden unerlaubterweise die Ergebnisse der &auml;lteren, f&uuml;r HRT-Anwenderinnen atypischen Population auf j&uuml;ngere, typische Anwenderinnen &uuml;bertragen.<br />Die Hazard-Ratios von 1,26 f&uuml;r Brustkrebs und 1,29 f&uuml;r koronare Herzkrankheit (KHK) im CEE-+-MPA-Arm waren &uuml;brigens, entgegen immer wieder kolportierten Behauptungen, NICHT signifikant. Es traten bei 10 000 Frauenjahren zus&auml;tzlich 7 Herzinfarkte und 8 Mammakarzinome, d.h. etwa 1 zus&auml;tzliches Karzinom pro 1200 Frauen, auf. <br />Die einzigen signifikanten Ergebnisse der bereinigten Daten waren eine Reduktion aller Frakturen und ein Anstieg ven&ouml;ser Thromboembolien.</p> <h2>Indikationen</h2> <p>Eine zunehmend besser informierte &Auml;rzteschaft erkennt aber die &uuml;ber die Behandlung klimakterischer Symptome hinausgehenden Indikationen der MHT, wie die Pr&auml;vention von Fragilit&auml;tsfrakturen und die Reduktion des kardiovaskul&auml;ren Risikos, als wesentliche Beitr&auml;ge zum Management chronischer Erkrankungen an.<br />Die gute Wirksamkeit der MHT bei der Behandlung vasomotorischer, psychischer und urogenitaler Beschwerden des Klimakteriums ist ein Indikator f&uuml;r den Schutz vor der postmenopausalen Osteoporose und deren Folgen. Ihre diesbez&uuml;gliche Wirkung wurde in unz&auml;hligen Studien bewiesen und kann mit einer den knochenspezifischen Resorptionshemmern ebenb&uuml;rtigen Signifikanz der Frakturreduktion aufwarten. Deshalb sollte die MHT, dem Kausalit&auml;tsprinzip folgend, eine pharmakologische Ma&szlig;nahme der ersten Wahl zur Frakturpr&auml;vention darstellen.</p> <h2>Sicherheit</h2> <p>Neben der Diskussion zu MHT und Brustkrebs werden vor allem die Risiken von ven&ouml;sen Thromboembolien, Schlaganf&auml;llen und Herzinfarkten thematisiert. Zu Recht, denn diese potenziellen Risiken gilt es durch Beachtung wesentlicher Empfehlungen zur korrekten Anwendung und durch sorgf&auml;ltiges Monitoring zu minimieren. <br />Die Evolution hat &Ouml;stradiol (E2) und Progesteron (P4) als nat&uuml;rliche Sexualhormone ausgew&auml;hlt. Deshalb dr&auml;ngt sich die Frage auf, ob wir den Empfehlungen der Natur folgen sollen und mit der Anwendung dieser nat&uuml;rlichen Substanzen jene Risiken vermeiden k&ouml;nnen, die mit der Anwendung synthetischer Substanzen assoziiert werden.</p> <h2>Progestogene und Brustkrebs</h2> <p>In praktisch allen Studien zur Inzidenz des Mammakarzinoms w&auml;hrend einer MHT konnten die synthetischen Progestogene als die urs&auml;chlichen Faktoren f&uuml;r ein erh&ouml;htes Risiko identifiziert werden. Mit dem nat&uuml;rlichen Progesteron (P4), das in mikronisierter Form zur oralen Substitution zur Verf&uuml;gung steht, ist das Risiko hingegen auch bei Langzeitanwendung nicht erh&ouml;ht.<br />In der deutschsprachigen Nomenklatur wird der Begriff &bdquo;Gestagen&ldquo; sowohl f&uuml;r das P4 als auch f&uuml;r die synthetischen Wirkstoffe verwendet und ist neben der semantischen Unsch&auml;rfe auch ein Grund f&uuml;r potenziell fatale Folgen durch die Verwechslungen von Substanzen mit h&ouml;chst unterschiedlichen Wirkungen in diversen Geweben und Organsystemen, z.B. der Proliferation und Apoptose im Brustdr&uuml;sengewebe. Deshalb ist es besser, in &Uuml;bereinstimmung mit der international gebr&auml;uchlichen englischsprachigen Nomenklatur die Begriffe &bdquo;Progesteron&ldquo; f&uuml;r das nat&uuml;rliche, auch endogen pro&shy;duzierte, Hormon, &bdquo;Gestagene&ldquo; f&uuml;r die synthetischen Substanzen (engl. &bdquo;progestins&ldquo;) und Progestogene (engl. &bdquo;progestogens&ldquo;) als Sammelbegriff f&uuml;r beide zu gebrauchen.</p> <h2>Anwendungsweg: ven&ouml;se Thromboembolie und Schlaganfall</h2> <p>Die orale Substitution mit &Ouml;strogenen ist wegen der &bdquo;ersten Leberpassage&ldquo; nach der intestinalen Resorption mit einer erh&ouml;hten Proteinsynthese, folglich einer erh&ouml;hten Konzentration an Gerinnungsfaktoren und schlie&szlig;lich einem erh&ouml;hten Thromboserisiko verbunden. Mit der transdermalen Substitution, z.B. mit einem Estradiol (E2) enthaltenden Gel, wird die erste Leberpassage vermieden und das Thromboserisiko ist nicht erh&ouml;ht. Die Progestogen-Komponente hat auf das Risiko einen relativ geringen Einfluss.<br />Ven&ouml;se Thromboembolien (VTE), v.a. Pulmonalembolien, und ihr Pendant im arteriellen Kreislaufschenkel, die isch&auml;mischen Schlaganf&auml;lle, sind wegen ihrer hohen Mortalit&auml;t und der h&auml;ufig durch schwerwiegende Beeintr&auml;chtigungen gekennzeichneten hohen Morbidit&auml;t von gro&szlig;er Bedeutung. <br />Die Odds-Ratios (ORs) f&uuml;r VTE w&auml;hrend oraler MHT bewegen sich in den relevanten Studien zwischen 1,4 und 4,5, abh&auml;ngig von der Bereinigung der Daten von zus&auml;tzlichen Risikofaktoren wie positiver Familienanamnese, fortgeschrittenem Alter, &Uuml;bergewicht, Rauchen und vielen anderen. W&auml;hrend transdermaler MHT bleiben die OR zwischen 0,8 und 1,1. <br />&Auml;hnlich verh&auml;lt es sich mit der Inzidenz von Schlaganf&auml;llen, wobei weitere Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes und Dyslipid&auml;mie ber&uuml;cksichtigt werden m&uuml;ssen. Die Dosisabh&auml;ngigkeit spielt bei der oralen Anwendung eine gr&ouml;&szlig;ere Rolle als bei der transdermalen. So konnten in einer in das nationale franz&ouml;sische Gesundheitsversicherungssystem eingebetteten Fallkontrollstudie, auf Basis der Daten von 97 % der Gesamtbev&ouml;lkerung, f&uuml;r die orale Anwendung ORs von 1,4 bei niedriger (&le;1mg E2/d) bis 2,4 bei hoher Dosierung (&ge;2mg E2/d) berechnet werden, w&auml;hrend sie bei transdermaler Anwendung zwischen 0,7 (&lt;50&mu;g E2/d) und 0,9 (&gt;50&mu;g E2/d) lagen.<br />Deshalb ist prinzipiell der transdermale Anwendungsweg gegen&uuml;ber dem oralen zu bevorzugen. Bei Patientinnen mit zus&auml;tzlichen Risikofaktoren f&uuml;r VTE und/oder Schlaganfall ist die orale Anwendung zu vermeiden.</p> <h2>Timing-Hypothese und koronare Herzkrankheit</h2> <p>Neben der Auswahl der Wirkstoffe und dem Anwendungsweg ist der Zeitraum, in dem eine MHT eingeleitet wird, von entscheidender Bedeutung f&uuml;r ihre Sicherheit. Das war schon vor der WHI-Studie aus Versuchen zur Sekund&auml;rpr&auml;vention der koronaren Herzkrankheit, z.B. der Heart and Estrogen/progestin Replacement Study (HERS), bekannt und wurde durch die Ergebnisse der WHI-Studie und zahlreicher anderer klinischer Studien der Post-WHI-&Auml;ra best&auml;tigt. Die Ber&uuml;cksichtigung dieser Erkenntnisse hat dazu gef&uuml;hrt, dass der g&uuml;nstigste Zeitraum f&uuml;r den Beginn einer MHT in Abh&auml;ngigkeit vom Menopausealter definiert wurde und in den Leitlinien der internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften als &bdquo;window of opportunity&ldquo; begrenzt wurde. Demnach soll eine MHT nicht sp&auml;ter als 10 Jahre postmenopausal oder, bei Frauen nach Hysterektomie, nicht nach dem 60. Lebensjahr begonnen werden. <br />Neuere, pr&auml;zisere Messmethoden zur Quantifizierung atheromat&ouml;ser Plaques erm&ouml;glichen eine noch bessere Einsch&auml;tzung des optimalen Zeitraumes f&uuml;r die Einleitung einer MHT. Im &bdquo;Early versus Late Intervention Trial with Estradiol&ldquo; (ELITE) konnte anhand der Intima-Media-Dicke an den Karotiden (CIMT) &ndash; ein Surrogatparameter f&uuml;r subklinische Athero&shy;sklerose &ndash; gezeigt werden, dass die Progression der Plaques bei fr&uuml;hem Beginn einer MHT mit E2 + P4, innerhalb von 6 Jahren postmenopausal, signifikant geringer als mit Placebo war und unter diesen Voraussetzungen eine Reduktion der Myokardinfarktinzidenz m&ouml;glich ist. Wenn die MHT jedoch erst 10 Jahre postmenopausal oder sp&auml;ter initiiert wurde, war die Progression in der MHT- und der Placebogruppe gleich stark ausgepr&auml;gt.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die MHT ist nicht nur die wirksamste Behandlungsoption bei klimakterischen Beschwerden, sondern auch eine Therapie der ersten Wahl zur Frakturpr&auml;vention bei Risikopatientinnen. Dar&uuml;ber hinaus kann sie einen n&uuml;tzlichen Beitrag zur Pr&auml;vention kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen leisten. Voraussetzung f&uuml;r ihre Effektivit&auml;t und Sicherheit ist die Wahrung folgender Kautelen:<br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;Beginn in der Peri- oder fr&uuml;hen Postmenopause (&bdquo;window of opportunity&ldquo;),<br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;transdermale Anwendung der &Ouml;strogene, z.B. Estradiol (E2) in Form eines hydroalkoholischen Gels, vor allem bei Vorliegen von Risikofaktoren f&uuml;r VTE, KHK und Schlaganfall,<br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;und Auswahl eines neutralen, die &Ouml;strogenwirkung nicht opponierenden Progestogens, idealerweise des nat&uuml;rlichen Progesterons (P4).<br /><br />Viele Frauen sind dankbar f&uuml;r praktische Tipps zur korrekten Anwendung jenseits der in den Beipackzetteln enthaltenen Informationen:<br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;Bis zum Ende der Peri- bzw. Anfang der Postmenopause, d.h. 1 Jahr nach der letzten spontanen Menstruation (= Menopause), ist es sinnvoll, sequenziell zu behandeln und einen Zyklus zu imitieren, z.B. mit Estrogel&reg; 1,25g (=1 Hub, =0,75mg E2) oder bei Bedarf 2,5g tgl. morgens, durchgehend ohne Pause, sequenziell kombiniert mit Utrogestan 100mg&reg; 1x 2 Kapseln tgl. abends vom 14. bis 25. Zyklustag.<br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;Estrogel&reg; soll am besten gro&szlig;fl&auml;chig an der Innenseite der Arme aufgetragen werden. Utrogestan&reg; nimmt man am besten oral, da nur bei der oralen Anwendung gen&uuml;gend hohe Konzentrationen jener Metaboliten erreicht werden, die an den &gamma;-Aminobutter&shy;s&auml;ure(GABA)-Rezeptor binden und f&uuml;r die Therapie der meisten psychischen und zentralnerv&ouml;s entstehenden Symptome, wie Schlafst&ouml;rungen, Depressionen und Antriebsschw&auml;che, essenziell sind.&nbsp;&nbsp; &nbsp; <br />&bull;&nbsp;&nbsp; &nbsp;Ein Jahr nach der Menopause, d.h. mit Beginn der Postmenopause, kann man kontinuierlich kombiniert behandeln, z.B. mit Estrogel&reg; 1,25g tgl. morgens kombiniert mit Utrogestan 100mg&reg; 1x 1 Kapsel abends &ndash; beides durchgehend ohne Pause.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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