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„Auch gut eingestellte Patienten auf ihre sexuelle Zufriedenheit ansprechen!“

<p class="article-intro">Frauen mit rheumatoider Arthritis (RA) sind in ihrer Sexualität signifikant beeinträchtigt – und zwar unabhängig von der klinischen Krankheitsaktivität, von der Krankheitsdauer und von funktionellen Problemen. Dies ist das Ergebnis einer österreichischen Patientenbefragung. Erster Schritt zur Besserung: das Thema überhaupt ansprechen, meint Dr. Judith Sautner, Stockerau.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine gro&szlig; angelegte Befragung (319 RA-Patientinnen und 306 gesunde Kontrollpersonen) an mehreren &ouml;sterreichischen Zentren ergab, dass RA-Patientinnen gegen&uuml;ber gesunden Kontrollpersonen signifikant schlechtere Scores im CSFQ-14 (Changes in Sexual Functioning Questionnaire) und auch signifikant h&auml;ufiger pathologische CSFQ-14-Scores aufweisen.<sup>1</sup> Von allen erhobenen Risikofaktoren war die RA am st&auml;rksten mit einer sexuellen Dysfunktion assoziiert. Weitere Risikofaktoren waren h&ouml;heres Alter und geringer Ausbildungsstatus. Der Unterschied zwischen RA-Patientinnen und gesunden Kontrollpersonen war in jeder Altersgruppe signifikant. Die Auswertung zeigte weiters einen Zusammenhang zwischen sexueller Dysfunktion und erh&ouml;hten Depressionsscores. Der Grad der Behinderung, die Krankheitsaktivit&auml;t und die Medikation hatten in dieser Studie keine signifikante Auswirkung auf die sexuelle Dysfunktion.</p> <p><strong>Wie kann eine rheumatische Erkrankung die Sexualit&auml;t betroffener Frauen beeintr&auml;chtigen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Aus einer Metaanalyse und einer rezenten Studie wissen wir, dass RA signifikant negative Auswirkungen sowohl auf die Sexualit&auml;t im Gesamten als auch auf jede einzelne Subdom&auml;ne &ndash; Verlangen, Erregung, Lubrifikation, Orgasmus und Befriedigung &ndash; hat.<sup>2</sup> Limitationen der erw&auml;hnten Metaanalyse waren kleine Fallzahlen und fehlende Daten zu Krankheitsaktivit&auml;t, Klinik, Labor und Medikation bzw. Depressionssymptomen. Deswegen haben wir in unserer Studie nicht nur die sexuelle Funktion, sondern auch demografische Daten, Alkohol- und Nikotinabusus, Voroperationen, die gyn&auml;kologische Anamnese etc. sowie bei den RA-Patientinnen auch Medikation und Komorbidit&auml;ten erhoben und zus&auml;tzlich den Beck-DIDepressionsfragebogen ausgewertet.<sup>1</sup> So konnten wir zeigen, dass die Beeintr&auml;chtigung der Sexualit&auml;t nicht mit dem Krankheitsstadium zusammenh&auml;ngt. Fr&uuml;her war die g&auml;ngige Meinung, dass Gelenkssch&auml;den der Hauptgrund sind. Heute kann man sagen: Die RA beeinflusst die Sexualit&auml;t auch bei Patienten, die sehr gut eingestellt sind. Gerade in unserer Studie hatten wir einen sehr hohen Prozentsatz an Patientinnen, die in Remission waren, und trotzdem haben wir diese Beeintr&auml;chtigungen gesehen. Mit einem sehr spezifischen Fragebogen konnten wir au&szlig;erdem zeigen, dass alle Dimensionen eines normalen sexuellen Ablaufs betroffen sind. Ein besonders h&auml;ufiges Problem war mangelnde Lubrifikation: Hier spielt offenbar die Neigung zu Sicca-Symptomen bei RA eine Rolle.</p> <p><strong>Was k&ouml;nnte die Ursache f&uuml;r den Zusammenhang sein, wenn es nicht die Krankheitsaktivit&auml;t ist?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Was wir in unserer Studie gesehen haben, ist eine Assoziation mit Depression und Fatigue. Im zeitlichen Ablauf der RA-Erkrankung erscheinen Fatigue und Depression als &bdquo;Vorl&auml;ufer&ldquo; der sexuellen Beeintr&auml;chtigungen.</p> <p><strong>Wie ist es bei anderen rheumatischen Erkrankungen? Gibt es da &auml;hnliche Erfahrungen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Wir wissen, dass z. B. in der Gruppe der Spondylarthritiden sehr wohl die k&ouml;rperlichen Beeintr&auml;chtigungen Probleme machen k&ouml;nnen. Beim systemischen Lupus erythematodes und beim Sj&ouml;gren-Syndrom scheinen Fatigue und Trockenheit Auswirkungen auf die Sexualit&auml;t zu haben. Aber es gibt diesbez&uuml;glich sicher eine sehr hohe Dunkelziffer, weil wir das Thema einfach zu wenig ansprechen.</p> <p><strong>Ist es den Patientinnen bewusst, dass ihre sexuellen Probleme mit der Rheumaerkrankung in Zusammenhang stehen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Eben nicht. Das ist auch ein Grund, warum Patientinnen nicht dar&uuml;ber sprechen: Sie glauben, der Rheumatologe sei nicht der richtige Ansprechpartner.</p> <p><strong>Was kann der Rheumatologe zur sexuellen Gesundheit beitragen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Ein guter Beginn w&auml;re, das Thema Sexualit&auml;t &uuml;berhaupt anzusprechen und nicht davon auszugehen, dass alles in Ordnung ist, wenn die Patientin rheumatologisch gut eingestellt ist.</p> <p><strong>Wer sollte es ansprechen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Jeder, der es gut kann. Das kann der Arzt sein, die Rheumaschwester oder ein Ergotherapeut. Es sollte jemand in der rheumatologischen Versorgung definiert werden, der die Patienten systematisch auf sexuelle Probleme anspricht. Das muss nat&uuml;rlich in patientenad&auml;quater Sprache und mit Ber&uuml;cksichtigung des Kulturkreises geschehen. Ein diesbez&uuml;gliches Kommunikationstraining f&uuml;r medizinisches Personal w&auml;re w&uuml;nschenswert. Zuvor muss eine Gespr&auml;chsbasis geschaffen werden. Wichtig ist auch das Setting: Umgebung und Atmosph&auml;re m&uuml;ssen geeignet sein. Eine offen stehende Ambulanzt&uuml;r f&ouml;rdert nicht gerade die Kommunikationsbereitschaft f&uuml;r ein solches Thema.</p> <p><strong>Wie spricht man Frauen am besten auf dieses heikle Thema an?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Das ist unterschiedlich. Man kann da keine generelle Anleitung geben. Oft ist die Frage nach der Trockenheit ein gutes Einstiegsthema. Oder die Frage nach der Partnerschaft: Wie geht es Ihnen und Ihrem Mann? Das gen&uuml;gt oft schon. Aber manchmal muss man auch direkter fragen.</p> <p><strong>Was sind die weiteren Schritte, wenn die Patientin ein Problem bez&uuml;glich der Sexualit&auml;t hat?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> In unserer Befragung konnten wir feststellen, dass ein hoher Prozentsatz der Betroffenen die Probleme schon mit dem Partner besprochen hat. Aber professionelle Hilfe hat nur ein verschwindend geringer Teil gesucht. Wir k&ouml;nnen dabei Hilfestellung geben und Kontakte zu Sexual- und Psychotherapeuten herstellen. Manche Probleme k&ouml;nnen wir auch selbst l&ouml;sen. Wenn zum Beispiel Trockenheit ein Problem ist, kann auch der Rheumatologe mit Medikamenten oder lokalen Mitteln etwas tun. Wenn Gelenksschmerzen den Geschlechtsakt st&ouml;ren, k&ouml;nnen wir auch einige allgemeine Tipps geben. So ist z. B. eine warme Dusche vor dem Geschlechtsverkehr g&uuml;nstig, um die Muskeln zu lockern. Im Bedarfsfall k&ouml;nnen Analgetika eingesetzt werden. Beim Geschlechtsakt selbst kann die Wahl der richtigen Position, abgestimmt auf die Grundkrankheit und die betroffenen Gelenke, entscheidend sein. Entz&uuml;ndliche Patienten sollten eine passive Position einnehmen. F&uuml;r Patienten mit H&uuml;ftschmerzen ist Knien die schonendste Haltung.<br /> Generell k&ouml;nnen Heilgymnastik und Bewegung empfohlen werden. Neben Schmerzreduktion und verbesserter Beweglichkeit hat Physiotherapie einen positiven Effekt auf die Sexualit&auml;t von RA-Patientinnen gezeigt. Regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t reduziert Fatigue und f&ouml;rdert die Erregbarkeit. Ein Beckenbodentraining, z. B. nach Kegel, bringt zus&auml;tzlich eine Orgasmusverbesserung. Auch bei M&auml;nnern verbessert regelm&auml;&szlig;iges Training die sexuelle Performance und reduziert die Rate an erektiler Dysfunktion.</p> <p><strong>K&ouml;nnen alle sexuellen Probleme erfolgreich behandelt werden?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Das w&uuml;rde ich nicht sagen, aber wir haben gesehen, dass es f&uuml;r die Frauen schon eine gro&szlig;e Erleichterung bedeutet, dar&uuml;ber reden zu k&ouml;nnen. Die Chance auf professionellen Rat sollte keiner Patientin vorenthalten werden. Wir erm&ouml;glichen ihr ja auch den Zugang zu anderen Fach&auml;rzten, warum also nicht auch zu Experten f&uuml;r Sexualtherapie?</p> <p><strong>Abschlie&szlig;end m&ouml;chte ich noch das Thema Verh&uuml;tung ansprechen. Gibt es Besonderheiten bei RA-Patientinnen, die zu beachten sind?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Bez&uuml;glich Verh&uuml;tung gibt es bei der RA keine Probleme. Auch die Vertr&auml;glichkeit hormoneller Antikonzeptiva mit der Rheumatherapie ist im Allgemeinen gut. Nur beim systemischen Lupus sollte man, wenn auch ein Antiphospholipidsyndrom vorliegt, mit einem reinen Gestagenpr&auml;parat verh&uuml;ten und kein kombiniertes Pr&auml;parat verwenden.</p> <p><strong>Welche &bdquo;Message&ldquo; haben Sie f&uuml;r Ihre Kollegen?</strong><br /> <strong>J. Sautner:</strong> Wir wissen aus fr&uuml;heren Untersuchungen, dass viele RA-Patientinnen betr&auml;chtliche Angst haben, vom Partner verlassen zu werden, wenn die Sexualit&auml;t nicht mehr funktioniert. Dies ist eine zus&auml;tzliche Belastung neben den vielen anderen Sorgen, die RA-Patientinnen haben, z. B. Angst vor dem Arbeitsplatzverlust etc. Dagegen k&ouml;nnen wir etwas tun: auch gut eingestellte Patienten auf ihre sexuelle Zufriedenheit ansprechen, das Gespr&auml;ch suchen, sich Gedanken machen, wie man das Thema ansprechen k&ouml;nnte, sich Formulierungen &uuml;berlegen &ndash; also den ersten Schritt machen!</p> <p><br />Eine Liste der Sexualberatungsstellen in &Ouml;sterreich bietet die &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Sexualwissenschaften (&Ouml;GS) auf ihrer Website www.oegs.at.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Puchner R et al.: High burden of sexual dysfunction in female patients with rheumatoid arthritis: results of a crosssectional study. J Rheumatol 2019; 46(1): 19-26 <strong>2</strong> Zhang Q et al.: Rheumatoid arthritis is associated with negatively variable impacts on domains of female sexual function: evidence from a systematic review and meta-analysis. Psychol Health Med 2018; 23(1): 114-25</p> </div> </p>
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