© Pauline Stauffer

«Wir sind oft die Ärztinnen und Ärzte der ersten Wahl»

Ende Juni fand in Genf der Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe statt. Kongresspräsident Dr. med. Roger Rytz hat mit Leading Opinions Gynäkologie & Geburtshilfe über die Highlights des Kongresses und die Zukunft des Faches gesprochen.

Der diesjährige Jahreskongress der SGGG findet trotz des Endes der Pandemie als Hybridkongress statt, wieso haben Sie sich für dieses Format entschieden?

R. Rytz: In diesem Jahr wurde beschlossen, das Hybridformat trotz des Endes der Pandemie beizubehalten. Es erschien uns wichtig, unseren Mitgliedern diese Alternative anbieten zu können, insbesondere jenen, die sehr weit von Genf entfernt wohnen, sowie jenen, die aus beruflichen Gründen nicht reisen konnten (Spitaldienst, Konsultationen usw.). Wir mussten jedoch feststellen, dass dieses Format an seine Grenzen stiess. Die Onlineteilnahme ermöglicht es zwar, von den qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Sitzungen zu profitieren, verhindert aber das Zusammentreffen mit gynäkologischen Kolleginnen und Kollegen und damit den Aufbau eines Wissensnetzwerks in der ganzen Schweiz, das vor allem für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen sehr wichtig ist. Wir werden uns vor dem nächsten Schweizer Kongress, der in einem Jahr in Interlaken stattfinden wird, Gedanken über die Zukunft dieser Art von Hybridkongress machen.

Wieso haben Sie sich für Genf als Veranstaltungsort entschieden?

R. Rytz: Genf ist eine sehr wichtige Stadt mit vielen gynäkologischen Kolleginnen und Kollegen, sowohl im privaten Sektor als auch im Universitätskrankenhaus, das sehr aktiv in der Forschung und in der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte ist. Genf wurde in der Schweizer Kongressplanung lange Zeit vergessen, in meiner Erinnerung etwa 20 Jahre lang – dies wird nun endlich korrigiert. Ein zweiter Grund war, dass wir letztes Jahr unseren Kongress in St. Gallen abgehalten haben, was geografisch gesehen für viele Kolleginnen und Kollegen, vor allem für jene aus der Romandie, ebenfalls sehr weit weg war. Somit wurde das Gleichgewicht wiederhergestellt.

Welches waren Ihre Highlights des diesjährigen Jahreskongresses, welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen und warum?

R. Rytz: Alle Themen, die auf diesem Kongress vorgestellt wurden, sind für mich wichtig, zumal es die Aufgabe des Präsidenten ist, die Themen auszuwählen. Wichtig ist, dass wir abwechslungsreiche und innovative Themen finden und dass die Take Home Messages für die tägliche Praxis aller unserer Kollegen nützlich sind, egal ob sie in einer Privatpraxis niedergelassen sind, in unseren Krankenhäusern arbeiten oder sich noch in der Ausbildung befinden.

Welche dieser Themen erleben Sie als «practice changing» und wieso?

R. Rytz: Mütterliche Erkrankungen, ausser Bluthochdruck, während der Schwangerschaft sind ein besonders interessantes Thema, das die Bedeutung einer umfassenden und komplexen medizinischen Versorgung verdeutlicht. Unser Fachgebiet muss sich für diese medizinische Betreuung interessieren, denn letztendlich sind wir als behandelnde Gynäkologinnen und Gynäkologen Ärztinnen und Ärzte der ersten Wahl und manchmal die einzige Ärztin bzw. der einzige Arzt, die bzw. den die Patientin im Laufe des Jahres sieht. Das Thema psychische Erkrankung bzw. psychiatrische Erkrankung der Schwangeren war für mich eine Offenbarung einer weit verbreiteten Beeinträchtigung, die oft verharmlost oder sogar ignoriert wird. Ich hoffe, dass dieses Thema meine Kolleginnen und Kollegen für diese wichtige Problematik sensibilisiert hat, die viel weiter verbreitet ist als die meisten der von uns betreuten und behandelten geburtshilflichen Erkrankungen.

Workshops sind ein zentraler Bestandteil der Tagung. Was ist das Besondere an diesem Format?

R. Rytz: Der Workshop ist in der Tat ein grundlegendes Element im Ablauf des Kongresses und das grosse und vielfältige Angebot ermöglicht es allen unseren Kolleginnen und Kollegen, Themen nach Lust und Laune und nach Bedarf auszuwählen. Wichtige Themen werden in einem kürzeren Format als die Hauptthemen präsentiert, was die Dynamik manchmal «schlagkräftiger» macht.

Ausserdem erfordert der Workshop eine weniger aufwendige Organisation als die Hauptthemen, was es uns ermöglicht, mehr davon anzubieten und so unser Bildungsangebot zu erweitern.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg!
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