© Getty Images/iStockphoto

Brustkrebs und Partnerschaft

Angehörige: nicht erkrankt, doch auch betroffen!

<p class="article-intro">Eine Brustkrebserkrankung bedeutet nicht nur für die betroffene Frau, sondern auch für ihr soziales Umfeld – insbesondere den Partner und die Familienangehörigen – eine erhebliche und andauernde Herausforderung. Zahlreiche Untersuchungen weisen übereinstimmend darauf hin, dass speziell der Partner durch eine Tumorerkrankung und deren Behandlung ebenso, wenn nicht mehr belastet erscheint wie die Erkrankte selbst.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Krebs als Dritter in der Zweierbeziehung erweist sich als Bew&auml;hrungsprobe.</li> <li>Das traditionelle &laquo;Rollen&shy;verst&auml;ndnis&raquo; kommt ins Wanken.</li> <li>Kommunikation verhilft zum stabilen emotionalen B&uuml;ndnis.</li> <li>Sozialer wie &auml;rztlicher Support f&uuml;r beide Partner sind essenziell.</li> <li>Das Angebot einer paartherapeutischen Unterst&uuml;tzung ist wichtig, besonders bei vorbestehender Paarproblematik.</li> </ul> </div> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Gyn_1603_Weblinks_seite15.jpg" alt="" width="492" height="631" /></p> <p>Wird bei einer Frau Brustkrebs diagnostiziert, erlebt auch der Partner h&auml;ufig &Auml;ngste und Depressionen, nicht selten kommt es bei dem Paar zu Beziehungsschwierigkeiten und sexuellen St&ouml;rungen. Gleichzeitig ist der Partner gefordert als wichtigste emotionale und auch praktische St&uuml;tze f&uuml;r seine erkrankte Frau. Lange Zeit konzentrierten sich die meisten psychoonkologischen Interventionen darauf, die betroffenen Frauen zu unterst&uuml;tzen und ihre individuellen Bew&auml;ltigungsstrategien zu f&ouml;rdern. Mittlerweile wurde die Perspektive von einer auf die Patientin fokussierten Sicht hin zur verst&auml;rkten Ber&uuml;cksichtigung des sozialen Umfelds von Tumorpatienten erweitert. Dies gilt besonders f&uuml;r die Partner. Auf diese Weise wurde bald deren Herausforderung zwischen Unterst&uuml;tzung und eigener Belastung deutlich. Bei einer Krebserkrankung sind anhaltende Unsicherheit, das Gef&uuml;hl der Hilflosigkeit und vor allem die Bedrohung durch den potenziellen Verlust des erkrankten Partners spezifische Probleme, mit denen die gesunden Angeh&ouml;rigen konfrontiert sind.</p> <h2>Wie geht es den Partnern von an Brustkrebs erkrankten Frauen?</h2> <p>Die Mehrzahl der M&auml;nner leidet unter Stresssymptomen verbunden mit psychovegetativen St&ouml;rungen wie Kopfschmerzen, innerer Unruhe und Schlafst&ouml;rungen.<sup>1</sup> In bis zu 40 % der F&auml;lle finden sich affektive Beschwerden im Sinne vermehrter Angst und Depressivit&auml;t. Die Angst kreist um den Verlauf und die Prognose der potenziell t&ouml;dlichen Erkrankung, gleichzeitig sorgen sich die M&auml;nner, ihre Partnerinnen nicht gen&uuml;gend unterst&uuml;tzen zu k&ouml;nnen.<br /> Die Krebsdiagnose fordert das Paar jedoch nicht nur emotional, sondern auch ganz praktisch im Alltag. Das traditionelle Rollenverst&auml;ndnis der Frau als Versorgende von Mann und eventuell Kindern kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Pl&ouml;tzlich sehen sich M&auml;nner neben ihrem beruflichen Alltag und der Angst vor einem eventuellen Partnerverlust mit zus&auml;tzlichen Aufgaben konfrontiert, was das Alltagsleben beeintr&auml;chtigt und bis zur Bedrohung der eigenen Existenz erlebt wird. Diese oftmals enorme &Uuml;berforderung wird aus Scham verschwiegen, statt Hilfe im sozialen Umfeld zu erbitten. Eine &Uuml;bersichtsarbeit aus Kanada<sup>2</sup> stellte die Bed&uuml;rfnisse von Partnern an Krebs erkrankter Frauen zusammen. Dabei wurde deutlich, dass prim&auml;r der Wunsch nach mehr Information &uuml;ber die Krankheit, deren Verlauf und Therapiem&ouml;glichkeiten bestand. Insbesondere w&uuml;nschten sich die M&auml;nner auch das Angebot einer Konsultation beim behandelnden Arzt ohne das Beisein der Erkrankten. Wichtig war auch die Unterst&uuml;tzung durch ein tragf&auml;higes Netzwerk von Freunden und Familie. Und nicht zuletzt bestand das Bed&uuml;rfnis nach einer Anlaufstelle f&uuml;r die eigenen somatischen respektive psychovegetativen Beschwerden. Dies ist ein Hinweis auf die eminent wichtige Funktion des Hausarztes.<br /> Was den Umgang mit den k&ouml;rperlichen Ver&auml;nderungen der Frau &ndash; vor allem durch eine Mastektomie &ndash; angeht, so zeigen die Studien eigentlich durchgehend mehr Akzeptanzschwierigkeiten der K&ouml;rperbildver&auml;nderung bei der betroffenen Frau als bei ihrem Partner. Die Partner hingegen beklagen mehr den Intimit&auml;tsverlust, weil sich die Partnerin nicht mehr nackt zeigen oder ber&uuml;hren lassen mag. Folglich wird auch eine Verschlechterung der Sexualit&auml;t angegeben, w&auml;hrend fast durchgehend keine emotionalen Ver&auml;nderungen berichtet werden.<sup>3</sup></p> <h2>Wie wirkt sich die Erkrankung langfristig auf die Partnerschaft aus?</h2> <p>2009 schaffte es eine amerikanische Studie bis in die Schlagzeilen der New York Times. Ein Onkologe aus Seattle untersuchte den Einfluss einer Hirntumordiagnose auf die Partnerschaft &uuml;ber f&uuml;nf Jahre. Die Trennungsrate unterschied sich mit 11,6 % nicht von derjenigen gesunder Paare im beobachteten Zeitraum.<sup>4</sup> Eindr&uuml;cklich war jedoch die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern: Das Risiko einer erkrankten Frau, verlassen zu werden, war siebenmal gr&ouml;sser, als wenn der Mann krank war (Trennungsrate 21 % vs. 3 % )! Eine Welle der Emp&ouml;rung wurde durch die Medienmitteilungen ausgel&ouml;st. Allerdings lohnt es sich, dieses Studienresultat differenzierter zu hinterfragen. Ohne den m&auml;nnlichen Unterst&uuml;tzungswillen infrage stellen zu wollen, kommt man zu folgender Aussage: Das Paar als Ganzes scheint deutlich st&auml;rker betroffen zu sein, wenn die Frau erkrankt ist. Eine Erkl&auml;rung mag das nach wie vor geltende traditionelle Rollenverst&auml;ndnis von Mann und Frau sein: die Frau als Versorgende, der Mann als derjenige, der sich versorgen l&auml;sst. Die so schwerwiegende Krankheit l&auml;sst dieses Selbstverst&auml;ndnis nicht mehr zu und die m&auml;nnlichen Partner scheinen mit den neuen zus&auml;tzlichen Anforderungen schlechter zurechtzukommen. Eine Trennung kann eine finale Konsequenz daraus sein. &Uuml;ber die Qualit&auml;t der Beziehung vor der Krankheit wurden keine Informationen erhoben. Wenn Paare vorher gl&uuml;cklich waren, so bedeutet dies, dass eher M&auml;nner ihre Frauen verlassen, wenn diese schwer erkranken. Wenn Paare schon vorher Schwierigkeiten miteinander hatten, so kann man annehmen, dass Frauen eher bereit sind, auch in schwierigen Ehen bei ihrem kranken Mann zu bleiben.<br /> Dass M&auml;nner und Frauen unterschiedliche Verarbeitungsmuster aufweisen, wenn der Partner an Krebs erkrankt, best&auml;tigt ebenso die bereits erw&auml;hnte &auml;ltere Arbeit aus M&uuml;nchen.<sup>1</sup> Trotz gleicher Belas&shy;tungsst&auml;rke bei m&auml;nnlichen wie weiblichen Partnern zeigten die M&auml;nner in der Partnerrolle eine gr&ouml;ssere Abh&auml;ngigkeit vom Zustand ihrer erkrankten Frau. Je st&auml;rker das psychische, weniger das k&ouml;rperliche, Befinden der Patientin beeintr&auml;chtigt war, als desto schwieriger erlebten die M&auml;nner ihre unterst&uuml;tzende Rolle. Partnerinnen kranker M&auml;nner leiden nicht weniger, scheinen sich jedoch besser helfen zu k&ouml;nnen, nicht zuletzt durch Nutzen ihres sozialen Umfelds. Sie schaffen es dadurch besser, die Paarstabilit&auml;t aufrechtzuerhalten.<br /> Einen etwas anderen Einblick in die pers&ouml;nlichen Erfahrungen von 209 Paaren mit einer Krebserkrankung gew&auml;hrte eine Studie vom Z&uuml;rcher Universit&auml;tsspital.<sup>5</sup> Dabei wurden die Paare mit einem an Krebs erkrankten Partner unabh&auml;ngig &uuml;ber die Folgen befragt. Fast 75 % gaben an, dass die Krankheit die Beziehung ver&auml;ndert hat. &Uuml;ber die H&auml;lfte wertete den Einfluss als positiv im Sinne von offenerer Kommunikation, vermehrter Tiefe und N&auml;he. Eine Differenzierung, ob die Frau oder der Mann erkrankt war, erfolgte in dieser Studie nicht und so l&auml;sst sich keine Aussage &uuml;ber eine eventuell verschiedenartige Sichtweise der Geschlechter machen.<br /> Nach wie vor, nicht zuletzt auch medial gesch&uuml;rt (siehe Artikel der New York Times), kennt jedoch manche brustkrebsbetroffene Frau die Angst vor dem Verlassenwerden. Die Rolle der Brustkrebsdiagnose als urs&auml;chlicher Faktor einer Trennung untersuchte eine kanadische Gruppe bereits Ende des letzten Jahrhunderts.<sup>6</sup> Das Follow-up betrug ab Krankheitsbeginn acht Jahre. Zu keinem Zeitpunkt kam es h&auml;ufiger zu einer Trennung als in der altersentsprechenden Kontrollgruppe. Es zeigte sich jedoch, dass die Beziehungszufriedenheit kurz nach der Diagnose zukunftsweisend ist f&uuml;r die l&auml;ngerfristige Entwicklung des Paares. Zeigte das erste Interview (3 Monate nach der Diagnose) geringe Zufriedenheitswerte, so best&auml;tigten sich diese auch nach 12 und 18 Monaten und eine Trennung trat mit h&ouml;herer Wahrscheinlichkeit ein. Die Resultate spiegeln die bereits 1985 von Prof. C. Buddeberg formulierte These zum Thema Partnerschaft und Krebs wider: &laquo;In der Regel werden gute Ehen durch Krebs besser und schlechte schlechter.&raquo;<sup>7</sup></p> <h2>Welche Paare schaffen es, durch eine Krebsdiagnose an N&auml;he zu gewinnen?</h2> <p>Der bekannte s&uuml;ddeutsche Psychotherapeut und Paartherapeut Dr. H. Jel&shy;louschek verlor selbst eine Partnerin an Krebs und formulierte die treffende Aussage: &laquo;&hellip; Der Krebs hat unser Leben in vielem schwierig gemacht und uns bittere Verzichte abverlangt. Aber genauso gilt: Der Krebs hat uns herausgefordert zu einer Auseinandersetzung mit dem Leben, die uns bereichert und in eine Tiefe der Liebe gef&uuml;hrt hat, die wir vielleicht sonst nicht erreicht h&auml;tten &hellip;&raquo;<sup>8</sup> Die Balance zwischen Verzicht und Bereicherung zu halten oder gar die Bereicherung intensiver zu sp&uuml;ren, ist ohne Zweifel eine grosse Herausforderung f&uuml;r jedes betroffene Paar. Welche Paare verf&uuml;gen &uuml;ber die Ressourcen, unter den schwierigen Bedingungen einer Krebsdiagnose diese Herausforderung erfolgreich anzunehmen und noch st&auml;rker zusammenzuwachsen? Auch dazu gibt die kanadische Forschergruppe um Michel Dorval eine Antwort:<sup>9</sup> 282 Paare wurden innerhalb des ersten Jahres nach Brustkrebsdiagnose der Partnerin mehrfach einzeln befragt. 42 % der Paare gaben &uuml;bereinstimmend an, sich durch die Krankheit n&auml;hergekommen zu sein. Was machten diese Paare anders als die restlichen befragten? Es zeigte sich, dass diese M&auml;nner h&auml;ufiger ihre Frauen zu den Arztterminen oder Spitalaufenthalten begleiteten und bei den wichtigen Therapieentscheiden pr&auml;sent waren. Die M&auml;nner bezeichneten ausserdem ihre Partnerinnen als engste Vertraute in dieser Zeit. Auch wenn diese Frauen in der Rolle der Erkrankten waren, bedeuteten sie f&uuml;r ihre Partner die wichtigste St&uuml;tze im Umgang mit dem Brustkrebs. Man kann dies als Best&auml;tigung der Resultate der erw&auml;hnten Studie von Keller et al aus dem Jahr 1998<sup>1</sup> interpretieren, indem die m&auml;nnlichen Partner die eigene Belastung massgeblich vom psychischen Zustand ihrer erkrankten Frau abh&auml;ngig machten. Die Frauen dieser &laquo;erfolgreichen&raquo; Paare gaben im 3-Monats-Interview h&auml;ufiger an, dass sie von ihren Partnern vermehrt Aufmerksamkeit und Z&auml;rtlichkeit empfingen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Daten zeigen deutlich, dass eine stabile Partnerschaft zu den zentralsten externen Ressourcen bei der Krankheitsbew&auml;ltigung z&auml;hlt. Die Bedeutung der Beziehungsdimension einschliesslich Intimit&auml;t und Sexualit&auml;t f&uuml;r die Gesundheit wie auch Krankheit und Genesung wird zu oft deutlich untersch&auml;tzt. 2013 zeigte eine radioonkologische Arbeit aus Harvard, dass Tumorpatienten in fester Partnerschaft ein signifikant l&auml;ngeres &Uuml;berleben aufweisen. Ihre Krankheit wurde in fr&uuml;heren Stadien diagnostiziert und die Behandlung erfolgte h&auml;ufiger entsprechend den aktuellen Richtlinien. Ein Single-Status hingegen war mit einem erh&ouml;hten Metastasen- und Sterberisiko assoziiert.<sup>10</sup> Der protektive Effekt der Partnerschaft lag in einer Gr&ouml;ssenordnung, die einer adjuvanten Chemotherapie entsprach!<br /> Zusammenfassend zeigt sich die tiefgreifende Bedeutung des Beziehungs&shy;aspekts in der Krankheit f&uuml;r Psyche wie Soma. Gleichzeitig ist auch die Wichtigkeit einer Unterst&uuml;tzung durch das Behandlungsteam zu betonen, um eine &Uuml;berforderung des erkrankten wie aber auch des gesunden Partners m&ouml;glichst zu vermeiden. Paare, die bereits in ihrer Vorgeschichte schwierige Phasen erfolgreich miteinander gemeistert haben, verf&uuml;gen eher &uuml;ber die n&ouml;tigen Ressourcen, auch die Krankheit gemeinsam anzugehen. Bei bereits vorbestehender Paarproblematik &ndash; und dies ist wichtig zu erfragen! &ndash; empfiehlt sich das Angebot einer Unterst&uuml;tzung durch einen paartherapeutisch erfahrenen Spezialisten und/oder Sexualmediziner.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Keller M et al: Mutual stress and support in couples with one cancer patient. Psychother Psychosom Med Psychol 1998; 48: 358-68 <strong>2</strong> Petrie W et al: Research review of the supportive care needs of spouses of women with breast cancer. Oncol Nurs Forum 2001; 28: 1601-7 <strong>3</strong> Rowland E, Metcalfe A: A systematic review of men's experiences of their partner's mastectomy: coping with altered bodies. Psychooncology 2014; 23: 963-74 <strong>4</strong> Glantz MJ et al: Gender disparity in the rate of partner abandonment in patients with serious medical illness. Cancer 2009; 115: 5237-42 <strong>5</strong> Drabe N et al: Changes in close relationships between cancer patients and their partners. Psychooncology 2013; 22: 1344-52 <strong>6</strong> Dorval M et al: Marital stability after breast cancer. J Natl Cancer Inst 1999; 91: 54-9 <strong>7</strong> Buddeberg C et al: Paarkonflikte in Ehen krebskranker Frauen. Familiendynamik 1986; 2: 109-123 <strong>8</strong> Jel&shy;louscheck H: Trotzdem leben! Wenn ein Partner Krebs hat. Herder Verlag, 2004 <strong>9</strong> Dorval M et al: Couples who get closer after breast cancer: frequency and predictors in a prospective investigation. J Clin Oncol 2005; 23: 3588-96 <strong>10</strong> Aizer AA et al: Marital status and survival in patients with cancer. J Clin Oncol 2013; 31: 3869-76 <br /><br /><br />Ich bedanke mich bei Frau Prof. B. Leeners f&uuml;r das aufmerksame Durchlesen des Manuskriptes.</p> </div> </p>
Back to top