<p class="article-intro">Eine Brustkrebserkrankung bedeutet nicht nur für die betroffene Frau, sondern auch für ihr soziales Umfeld – insbesondere den Partner und die Familienangehörigen – eine erhebliche und andauernde Herausforderung. Zahlreiche Untersuchungen weisen übereinstimmend darauf hin, dass speziell der Partner durch eine Tumorerkrankung und deren Behandlung ebenso, wenn nicht mehr belastet erscheint wie die Erkrankte selbst.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Krebs als Dritter in der Zweierbeziehung erweist sich als Bewährungsprobe.</li> <li>Das traditionelle «Rollen­verständnis» kommt ins Wanken.</li> <li>Kommunikation verhilft zum stabilen emotionalen Bündnis.</li> <li>Sozialer wie ärztlicher Support für beide Partner sind essenziell.</li> <li>Das Angebot einer paartherapeutischen Unterstützung ist wichtig, besonders bei vorbestehender Paarproblematik.</li> </ul> </div> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Gyn_1603_Weblinks_seite15.jpg" alt="" width="492" height="631" /></p> <p>Wird bei einer Frau Brustkrebs diagnostiziert, erlebt auch der Partner häufig Ängste und Depressionen, nicht selten kommt es bei dem Paar zu Beziehungsschwierigkeiten und sexuellen Störungen. Gleichzeitig ist der Partner gefordert als wichtigste emotionale und auch praktische Stütze für seine erkrankte Frau. Lange Zeit konzentrierten sich die meisten psychoonkologischen Interventionen darauf, die betroffenen Frauen zu unterstützen und ihre individuellen Bewältigungsstrategien zu fördern. Mittlerweile wurde die Perspektive von einer auf die Patientin fokussierten Sicht hin zur verstärkten Berücksichtigung des sozialen Umfelds von Tumorpatienten erweitert. Dies gilt besonders für die Partner. Auf diese Weise wurde bald deren Herausforderung zwischen Unterstützung und eigener Belastung deutlich. Bei einer Krebserkrankung sind anhaltende Unsicherheit, das Gefühl der Hilflosigkeit und vor allem die Bedrohung durch den potenziellen Verlust des erkrankten Partners spezifische Probleme, mit denen die gesunden Angehörigen konfrontiert sind.</p> <h2>Wie geht es den Partnern von an Brustkrebs erkrankten Frauen?</h2> <p>Die Mehrzahl der Männer leidet unter Stresssymptomen verbunden mit psychovegetativen Störungen wie Kopfschmerzen, innerer Unruhe und Schlafstörungen.<sup>1</sup> In bis zu 40 % der Fälle finden sich affektive Beschwerden im Sinne vermehrter Angst und Depressivität. Die Angst kreist um den Verlauf und die Prognose der potenziell tödlichen Erkrankung, gleichzeitig sorgen sich die Männer, ihre Partnerinnen nicht genügend unterstützen zu können.<br /> Die Krebsdiagnose fordert das Paar jedoch nicht nur emotional, sondern auch ganz praktisch im Alltag. Das traditionelle Rollenverständnis der Frau als Versorgende von Mann und eventuell Kindern kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Plötzlich sehen sich Männer neben ihrem beruflichen Alltag und der Angst vor einem eventuellen Partnerverlust mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert, was das Alltagsleben beeinträchtigt und bis zur Bedrohung der eigenen Existenz erlebt wird. Diese oftmals enorme Überforderung wird aus Scham verschwiegen, statt Hilfe im sozialen Umfeld zu erbitten. Eine Übersichtsarbeit aus Kanada<sup>2</sup> stellte die Bedürfnisse von Partnern an Krebs erkrankter Frauen zusammen. Dabei wurde deutlich, dass primär der Wunsch nach mehr Information über die Krankheit, deren Verlauf und Therapiemöglichkeiten bestand. Insbesondere wünschten sich die Männer auch das Angebot einer Konsultation beim behandelnden Arzt ohne das Beisein der Erkrankten. Wichtig war auch die Unterstützung durch ein tragfähiges Netzwerk von Freunden und Familie. Und nicht zuletzt bestand das Bedürfnis nach einer Anlaufstelle für die eigenen somatischen respektive psychovegetativen Beschwerden. Dies ist ein Hinweis auf die eminent wichtige Funktion des Hausarztes.<br /> Was den Umgang mit den körperlichen Veränderungen der Frau – vor allem durch eine Mastektomie – angeht, so zeigen die Studien eigentlich durchgehend mehr Akzeptanzschwierigkeiten der Körperbildveränderung bei der betroffenen Frau als bei ihrem Partner. Die Partner hingegen beklagen mehr den Intimitätsverlust, weil sich die Partnerin nicht mehr nackt zeigen oder berühren lassen mag. Folglich wird auch eine Verschlechterung der Sexualität angegeben, während fast durchgehend keine emotionalen Veränderungen berichtet werden.<sup>3</sup></p> <h2>Wie wirkt sich die Erkrankung langfristig auf die Partnerschaft aus?</h2> <p>2009 schaffte es eine amerikanische Studie bis in die Schlagzeilen der New York Times. Ein Onkologe aus Seattle untersuchte den Einfluss einer Hirntumordiagnose auf die Partnerschaft über fünf Jahre. Die Trennungsrate unterschied sich mit 11,6 % nicht von derjenigen gesunder Paare im beobachteten Zeitraum.<sup>4</sup> Eindrücklich war jedoch die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern: Das Risiko einer erkrankten Frau, verlassen zu werden, war siebenmal grösser, als wenn der Mann krank war (Trennungsrate 21 % vs. 3 % )! Eine Welle der Empörung wurde durch die Medienmitteilungen ausgelöst. Allerdings lohnt es sich, dieses Studienresultat differenzierter zu hinterfragen. Ohne den männlichen Unterstützungswillen infrage stellen zu wollen, kommt man zu folgender Aussage: Das Paar als Ganzes scheint deutlich stärker betroffen zu sein, wenn die Frau erkrankt ist. Eine Erklärung mag das nach wie vor geltende traditionelle Rollenverständnis von Mann und Frau sein: die Frau als Versorgende, der Mann als derjenige, der sich versorgen lässt. Die so schwerwiegende Krankheit lässt dieses Selbstverständnis nicht mehr zu und die männlichen Partner scheinen mit den neuen zusätzlichen Anforderungen schlechter zurechtzukommen. Eine Trennung kann eine finale Konsequenz daraus sein. Über die Qualität der Beziehung vor der Krankheit wurden keine Informationen erhoben. Wenn Paare vorher glücklich waren, so bedeutet dies, dass eher Männer ihre Frauen verlassen, wenn diese schwer erkranken. Wenn Paare schon vorher Schwierigkeiten miteinander hatten, so kann man annehmen, dass Frauen eher bereit sind, auch in schwierigen Ehen bei ihrem kranken Mann zu bleiben.<br /> Dass Männer und Frauen unterschiedliche Verarbeitungsmuster aufweisen, wenn der Partner an Krebs erkrankt, bestätigt ebenso die bereits erwähnte ältere Arbeit aus München.<sup>1</sup> Trotz gleicher Belas­tungsstärke bei männlichen wie weiblichen Partnern zeigten die Männer in der Partnerrolle eine grössere Abhängigkeit vom Zustand ihrer erkrankten Frau. Je stärker das psychische, weniger das körperliche, Befinden der Patientin beeinträchtigt war, als desto schwieriger erlebten die Männer ihre unterstützende Rolle. Partnerinnen kranker Männer leiden nicht weniger, scheinen sich jedoch besser helfen zu können, nicht zuletzt durch Nutzen ihres sozialen Umfelds. Sie schaffen es dadurch besser, die Paarstabilität aufrechtzuerhalten.<br /> Einen etwas anderen Einblick in die persönlichen Erfahrungen von 209 Paaren mit einer Krebserkrankung gewährte eine Studie vom Zürcher Universitätsspital.<sup>5</sup> Dabei wurden die Paare mit einem an Krebs erkrankten Partner unabhängig über die Folgen befragt. Fast 75 % gaben an, dass die Krankheit die Beziehung verändert hat. Über die Hälfte wertete den Einfluss als positiv im Sinne von offenerer Kommunikation, vermehrter Tiefe und Nähe. Eine Differenzierung, ob die Frau oder der Mann erkrankt war, erfolgte in dieser Studie nicht und so lässt sich keine Aussage über eine eventuell verschiedenartige Sichtweise der Geschlechter machen.<br /> Nach wie vor, nicht zuletzt auch medial geschürt (siehe Artikel der New York Times), kennt jedoch manche brustkrebsbetroffene Frau die Angst vor dem Verlassenwerden. Die Rolle der Brustkrebsdiagnose als ursächlicher Faktor einer Trennung untersuchte eine kanadische Gruppe bereits Ende des letzten Jahrhunderts.<sup>6</sup> Das Follow-up betrug ab Krankheitsbeginn acht Jahre. Zu keinem Zeitpunkt kam es häufiger zu einer Trennung als in der altersentsprechenden Kontrollgruppe. Es zeigte sich jedoch, dass die Beziehungszufriedenheit kurz nach der Diagnose zukunftsweisend ist für die längerfristige Entwicklung des Paares. Zeigte das erste Interview (3 Monate nach der Diagnose) geringe Zufriedenheitswerte, so bestätigten sich diese auch nach 12 und 18 Monaten und eine Trennung trat mit höherer Wahrscheinlichkeit ein. Die Resultate spiegeln die bereits 1985 von Prof. C. Buddeberg formulierte These zum Thema Partnerschaft und Krebs wider: «In der Regel werden gute Ehen durch Krebs besser und schlechte schlechter.»<sup>7</sup></p> <h2>Welche Paare schaffen es, durch eine Krebsdiagnose an Nähe zu gewinnen?</h2> <p>Der bekannte süddeutsche Psychotherapeut und Paartherapeut Dr. H. Jel­louschek verlor selbst eine Partnerin an Krebs und formulierte die treffende Aussage: «… Der Krebs hat unser Leben in vielem schwierig gemacht und uns bittere Verzichte abverlangt. Aber genauso gilt: Der Krebs hat uns herausgefordert zu einer Auseinandersetzung mit dem Leben, die uns bereichert und in eine Tiefe der Liebe geführt hat, die wir vielleicht sonst nicht erreicht hätten …»<sup>8</sup> Die Balance zwischen Verzicht und Bereicherung zu halten oder gar die Bereicherung intensiver zu spüren, ist ohne Zweifel eine grosse Herausforderung für jedes betroffene Paar. Welche Paare verfügen über die Ressourcen, unter den schwierigen Bedingungen einer Krebsdiagnose diese Herausforderung erfolgreich anzunehmen und noch stärker zusammenzuwachsen? Auch dazu gibt die kanadische Forschergruppe um Michel Dorval eine Antwort:<sup>9</sup> 282 Paare wurden innerhalb des ersten Jahres nach Brustkrebsdiagnose der Partnerin mehrfach einzeln befragt. 42 % der Paare gaben übereinstimmend an, sich durch die Krankheit nähergekommen zu sein. Was machten diese Paare anders als die restlichen befragten? Es zeigte sich, dass diese Männer häufiger ihre Frauen zu den Arztterminen oder Spitalaufenthalten begleiteten und bei den wichtigen Therapieentscheiden präsent waren. Die Männer bezeichneten ausserdem ihre Partnerinnen als engste Vertraute in dieser Zeit. Auch wenn diese Frauen in der Rolle der Erkrankten waren, bedeuteten sie für ihre Partner die wichtigste Stütze im Umgang mit dem Brustkrebs. Man kann dies als Bestätigung der Resultate der erwähnten Studie von Keller et al aus dem Jahr 1998<sup>1</sup> interpretieren, indem die männlichen Partner die eigene Belastung massgeblich vom psychischen Zustand ihrer erkrankten Frau abhängig machten. Die Frauen dieser «erfolgreichen» Paare gaben im 3-Monats-Interview häufiger an, dass sie von ihren Partnern vermehrt Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit empfingen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Daten zeigen deutlich, dass eine stabile Partnerschaft zu den zentralsten externen Ressourcen bei der Krankheitsbewältigung zählt. Die Bedeutung der Beziehungsdimension einschliesslich Intimität und Sexualität für die Gesundheit wie auch Krankheit und Genesung wird zu oft deutlich unterschätzt. 2013 zeigte eine radioonkologische Arbeit aus Harvard, dass Tumorpatienten in fester Partnerschaft ein signifikant längeres Überleben aufweisen. Ihre Krankheit wurde in früheren Stadien diagnostiziert und die Behandlung erfolgte häufiger entsprechend den aktuellen Richtlinien. Ein Single-Status hingegen war mit einem erhöhten Metastasen- und Sterberisiko assoziiert.<sup>10</sup> Der protektive Effekt der Partnerschaft lag in einer Grössenordnung, die einer adjuvanten Chemotherapie entsprach!<br /> Zusammenfassend zeigt sich die tiefgreifende Bedeutung des Beziehungs­aspekts in der Krankheit für Psyche wie Soma. Gleichzeitig ist auch die Wichtigkeit einer Unterstützung durch das Behandlungsteam zu betonen, um eine Überforderung des erkrankten wie aber auch des gesunden Partners möglichst zu vermeiden. Paare, die bereits in ihrer Vorgeschichte schwierige Phasen erfolgreich miteinander gemeistert haben, verfügen eher über die nötigen Ressourcen, auch die Krankheit gemeinsam anzugehen. Bei bereits vorbestehender Paarproblematik – und dies ist wichtig zu erfragen! – empfiehlt sich das Angebot einer Unterstützung durch einen paartherapeutisch erfahrenen Spezialisten und/oder Sexualmediziner.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Keller M et al: Mutual stress and support in couples with one cancer patient. Psychother Psychosom Med Psychol 1998; 48: 358-68 <strong>2</strong> Petrie W et al: Research review of the supportive care needs of spouses of women with breast cancer. Oncol Nurs Forum 2001; 28: 1601-7 <strong>3</strong> Rowland E, Metcalfe A: A systematic review of men's experiences of their partner's mastectomy: coping with altered bodies. Psychooncology 2014; 23: 963-74 <strong>4</strong> Glantz MJ et al: Gender disparity in the rate of partner abandonment in patients with serious medical illness. Cancer 2009; 115: 5237-42 <strong>5</strong> Drabe N et al: Changes in close relationships between cancer patients and their partners. Psychooncology 2013; 22: 1344-52 <strong>6</strong> Dorval M et al: Marital stability after breast cancer. J Natl Cancer Inst 1999; 91: 54-9 <strong>7</strong> Buddeberg C et al: Paarkonflikte in Ehen krebskranker Frauen. Familiendynamik 1986; 2: 109-123 <strong>8</strong> Jel­louscheck H: Trotzdem leben! Wenn ein Partner Krebs hat. Herder Verlag, 2004 <strong>9</strong> Dorval M et al: Couples who get closer after breast cancer: frequency and predictors in a prospective investigation. J Clin Oncol 2005; 23: 3588-96 <strong>10</strong> Aizer AA et al: Marital status and survival in patients with cancer. J Clin Oncol 2013; 31: 3869-76 <br /><br /><br />Ich bedanke mich bei Frau Prof. B. Leeners für das aufmerksame Durchlesen des Manuskriptes.</p>
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