
Newly diagnosed and relapsed epithelial ovarian cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Philipp Harter
Direktor der Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie der Evang. Kliniken Essen-Mitte
E-Mail: p.harter@kem-med.com
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Karzinom ist nicht gleich Karzinom
2017/2018 wurde die ESMO-Guideline „Newly diagnosed and relapsed epithelial ovarian cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up“ zuletzt publiziert. Damals begann man, Kenntnisse zu den einzelnen Subgruppen der Ovarialkarzinome zu gewinnen – früher waren alle Ovarialkarzinome nur „Karzinome“. Mittlerweile werden die einzelnen histologischen Subtypen unterschieden. Es gibt beim Ovarialkarzinom Tumorentitäten, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Diese unterschiedlichen Kategorien sind im aktuellen Update sehr schön aufgearbeitet worden.
Histologische Subtypen
Neu sind auch individuelle Therapieempfehlungen in Abhängigkeit vom histologischen Subtyp. Vor allem geht es hier um die Therapie mit PARP-Inhibitoren. Die relevanten Daten zu den Inhibitoren wurden in den Jahren 2018/2019 erstmals gezeigt. Der Stellenwert der Therapie wurde zu dieser Zeit ebenfalls intensiv diskutiert und schließlich aufgezeigt, was alles möglich ist: mit Olaparib, Niraparib, und damals auch noch mit Rucaparib der Firma Clovis, die es inzwischen nicht mehr gibt.
Molekulare Testungen
Ein weiterer Fokus ist in dem Update auf molekulare Testungen gelegt worden. Nicht nur auf die BRCA-Testung, die prädiktiv für die Aktivität der PARP-Inhibitoren ist, sondern auch auf die homologe Rekombinationsdefizienz. Deren Testung ist vor allem in der Primärsituation ganz ausführlich dargestellt.
Die Rezidivsituation
Die meisten Menschen mit Ovarialkarzinom erhalten eine Diagnose immer noch im fortgeschrittenen Stadium. Deswegen wird im Leitlinien-Update auch die Rolle der Rezidivoperation ausführlich behandelt, auf Basis positiver Daten für das Gesamtüberleben (OS).
Aus deutscher Sicht hat sich aber bei den Standardtherapien beim rezidivierten epithelialen Ovarialkarzinom im Vergleich zu 2018 nicht besonders viel geändert, da Zulassung und Erstattung auch bei neuen Wirkstoffen recht schnell gehen – so auch bei PARP-Inhibitoren.
Vor allem bei Rezidiven ist auch die Überweisung in spezialisierte Zentren besonders wichtig und sie wird empfohlen.
Die Primärtherapie
Bei der Primärtherapie hingegen war der alte Standard Carboplatin/Paclitaxel. Dieser wurde ergänzt durch die Einführung des monoklonalen Antikörpers Bevacizumab. Bei dessen Einsatz gab es international jedoch große Unterschiede. Nun, mit den PARP-Inhibitoren, besteht in Europa dennoch die Diskussion, ob bei manchen Subtypen eine Chemotherapie allein ausreichend wäre – für diese Entscheidungen ist die Leitlinie wichtig und hilfreich.
Der neue klinische Standard ist eigentlich: Chemotherapie+Erhaltungstherapie. Das ist die aktuelle Transition, die Entscheidung zwischen alt und neu und die Einigung auf Kombinationen je nach Fall.
Verbesserte Prognose auch im Rezidiv
Sehr beeindruckend und einflussreich auf den klinischen Alltag waren jedoch nicht nur die Daten zum verlängerten OS bei PARP-Inhibitoren, sondern auch jene zum verlängerten progressionsfreien Überleben. Diese Daten muss medizinisches Personal kennen. Es gibt hier positive Studien zum Einsatz von Bevacizumab, PARP-Inhibitoren bzw. der Kombination. All diese Daten zusammen haben die Primärtherapie neu definiert.
Mit Spannung erwartet
Ein großer Vorteil bei den ESMO-Guidelines sind die praktischen Übersichten und die gute Struktur. Wann das nächste Guideline-Update kommt, steht noch nicht fest. Sollte sich im Therapiestandard viel ändern oder es relevante neue Daten geben, kommt auch ein Kurzupdate infrage.
Mit Spannung erwartet wird die europäische Zulassung von Mirvetixumab. Das ist eine Substanz, die beim Rezidiv des platinresistenten Ovarialkarzinoms einen OS-Vorteil aufzeigen konnte. Sie schafft also eine Option in einer Situation, in der es momentan nicht viele Möglichkeiten gibt.
Und auch die neuesten Entwicklungen bei den Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten können die Therapielandschaft verändern.
Quelle:
Newly diagnosed and relapsed epithelial ovarian cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2023; 34(10): 833-48
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