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Gastroenterologische Leitsymptome

Nausea und Erbrechen

<p class="article-intro">Nausea und Erbrechen sind entwicklungsgeschichtlich wichtige Reflexe, welche verhindern, dass Menschen giftige Substanzen zu sich nehmen, oder ermöglichen, dass sie diese nach Aufnahme möglichst schnell wieder ausscheiden. Im Folgenden werden die wichtigsten Definitionen, Ursachen und das differenzialdiagnostische Vorgehen bei den beiden häufigen gastroenterologischen Symptomen näher beleuchtet.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Nausea beschreibt das Empfinden, dringend erbrechen zu m&uuml;ssen, und geht dem eigentlichen Erbrechen in der Regel voraus. Im Rahmen des Erbrechens kommt es h&auml;ufig zu einer Stimulation des sympathischen und parasympathischen Nervensystems, welche zu Symptomen wie Kaltschweissigkeit, Tachykardie, weiten Pupillen oder Hypotonie f&uuml;hren kann. Vom eigentlichen Erbrechen wird die Regurgitation unterschieden, welche meistens nicht mit Nausea assoziiert und h&auml;ufig durch einen insuffizienten unteren &Ouml;sophagussphinkter oder durch eine &Ouml;sophagusstenose verursacht ist. Unter Rumination wiederum versteht man einen retrograden Transport von Mageninhalt (&uuml;blicherweise ohne Nausea), z.B. bei Patienten mit psychosomatischen St&ouml;rungen. Ruktation (G&ouml;rpsen) und Singultus (Schluckauf) sind Formen von Luftaufstossen (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s52_tab1.jpg" alt="" width="1450" height="906" /></p> <h2>H&auml;ufige Ursachen</h2> <p>Tabelle 2 zeigt die h&auml;ufigsten Differenzialdiagnosen von Nausea und Erbrechen. Gesteigerter Hirndruck durch Tumoren, Blutungen oder Obstruktion des Liquorflusses erzeugen ein schwallartiges Erbrechen, welches meist ohne Nausea auftritt. Die Reizung des Labyrinthes f&uuml;hrt bei der Reisekrankheit, beim Morbus Meni&egrave;re und beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel zu Nausea und Erbrechen. Eine Magenobstruktion kann durch maligne oder peptische Ursachen bedingt sein und ebenso wie die D&uuml;nn- und Dickdarmobstruktionen (zum Beispiel als Folge von Adh&auml;sionen, Tumoren, Volvulus, Invaginationen oder bei Morbus Crohn) zu Nausea und Erbrechen f&uuml;hren. Es wird gesch&auml;tzt, dass 20&ndash;40 % aller Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 eine diabetische Gastroparese entwickeln mit konsekutiver Nausea und Erbrechen. Eine Gastroparese kann jedoch auch nach Vagotomie, bei einem Pankreaskarzinom sowie bei Sklerodermie und Amyloidose auftreten. Das Erbrechen bei Pankreatitis, Cholezystitis und Appendizitis erfolgt &uuml;ber lokale viszerale Reizung und Motilit&auml;tsst&ouml;rung.<br /> Das Arteria-mesenterica-superior-Syndrom stellt ein seltenes Krankheitsbild dar, das durch postprandiales Erbrechen und Gewichtsverlust charakterisiert ist. Pathogenetisch ist es auf eine Einengung des distalen Duodenums zwischen Aorta und A. mesenterica superior zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, bedingt durch eine extrem spitzwinkelig von der Aorta abgehende A. mesenterica superior. Das Syndrom tritt vor allem bei bettl&auml;gerigen und kachektischen Patienten in R&uuml;ckenlage auf, begleitet von krampfartigen Schmerzen im mittleren Oberbauch, welche sich charakteristischerweise nach Lagewechsel in die Knie-Ellenbogen-Lage bessern.<br /> Akutes Erbrechen bei Lebensmittelvergiftungen ist auf Staphylococcus aureus und Bacillus cereus zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Die Schwangerschaft ist die h&auml;ufigste endokrine Ursache des Erbrechens. Bis zu 70 % aller Frauen im ersten Trimenon leiden daran. Als Hyperemesis gravidarum wird eine schwere Verlaufsform des Erbrechens in der Schwangerschaft beschrieben, welche zu einem erheblichen Fl&uuml;ssigkeitsverlust und Elektrolytst&ouml;rungen f&uuml;hren kann. Weitere metabolische Ursachen von Erbrechen sind Ur&auml;mie, Ketoazidose, Nebenniereninsuffizienz sowie St&ouml;rungen der Schilddr&uuml;se und der Nebenschilddr&uuml;se.<br /> Die wohl h&auml;ufigste Ursache von Erbrechen sind Medikamente. Grunds&auml;tzlich k&ouml;nnen alle Medikamente Nausea und Erbrechen ausl&ouml;sen. Zu den h&auml;ufigsten geh&ouml;ren Antibiotika, Antiarrhythmika, Antihypertensiva, orale Antidiabetika, Kontrazeptiva und Chemotherapeutika (besonders Cisplatin). Die abdominale Strahlentherapie f&uuml;hrt zu einer St&ouml;rung der motorischen Funktion und Bildung von Strikturen. Toxine im Blut f&uuml;hren zu einer Stimulation der Area postrema (zum Beispiel Alkoholintoxikation).<br /> Beim Leberversagen werden ebenfalls endogene Toxine gebildet, welche zu Erbrechen f&uuml;hren. Kardiale Ursachen wie akuter Myokardinfarkt insbesondere der Hinterwand und die biventrikul&auml;re Herzinsuffizienz k&ouml;nnen zu &Uuml;belkeit und Erbrechen f&uuml;hren. Das postoperative Erbrechen kommt bei bis zu 25 % aller Operationen vor und ist insbesondere nach Laparotomien, orthop&auml;dischen Eingriffen und bei Frauen geh&auml;uft. Patienten mit psychiatrischen Leiden wie zum Beispiel Ess- und Angstst&ouml;rungen sowie Depression berichten h&auml;ufig &uuml;ber starke &Uuml;belkeit mit verz&ouml;gerter Magenentleerung und Erbrechen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s52_tab2.jpg" alt="" width="1444" height="2371" /></p> <h2>Art und Zeitpunkt des Erbrechens und Anamnese</h2> <p>Grunds&auml;tzlich wird zwischen dem akuten (Stunden bis Tage) und dem chronischen Erbrechen (Wochen bis Monate) unterschieden (Tab. 3a und 3b).<br /> Das Vorliegen eines Zweitsymptoms hilft h&auml;ufig bei der weiteren Differenzialdiagnose (Tab. 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s52_tab3a.jpg" alt="" width="1414" height="462" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s52_tab3b.jpg" alt="" width="1438" height="891" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1803_Weblinks_s52_tab4.jpg" alt="" width="1435" height="569" /></p> <h2>Abkl&auml;rungsschritte bei Patienten mit Nausea und Erbrechen</h2> <p>Beim weiteren diagnostischen Vorgehen unterscheidet man zwischen einem akuten Auftreten von Nausea und Erbrechen (&lt;1 Woche) und einem chronischen Persistieren von Nausea und Erbrechen (&gt;1 Monat). Die Anamnese und die k&ouml;rperliche Untersuchung weisen meistens auf die richtige zugrunde liegende Diagnose. Beim Auftreten von Alarmsymptomen wie zum Beispiel einem Alter des Patienten &gt;50 Lj., ungewolltem Gewichtsverlust, progressiver Dysphagie, persistierendem Erbrechen, einem Nachweis einer gastrointestinalen Blutung, einer positiven Familienanamnese f&uuml;r Magenkarzinome, einer ver&auml;nderten Psyche, Abdominalschmerzen, f&auml;kalem Erbrechen, H&auml;matochezie, Mel&auml;na und fokalen neurologischen Ausf&auml;llen sollten zwingend weiterf&uuml;hrende Abkl&auml;rungen erfolgen.<br /> Bei der Diagnosestellung des Erbrechens wird ein dreizeitiges Vorgehen empfohlen. In einem ersten Schritt sollen prim&auml;r Elektrolyte, Glukose, Nieren- und Leberwerte, Amylase (bei Schmerzen), Digitalisspiegel bei entsprechender Anamnese sowie Urinstatus bestimmt und ein Schwangerschaftstest durchgef&uuml;hrt werden. Bei Verdacht auf eine intestinale Obstruktion kann eine Abdomenleeraufnahme in zwei Ebenen hilfreich sein, bei welcher man Luft-Fl&uuml;ssigkeits-Spiegel im D&uuml;nndarm eruiert. Ein Ileus zeigt sich durch diffus dilatierte und luftgef&uuml;llte Darmschlingen. In einem zweiten Schritt werden gem&auml;ss Klinik Abdomensonografie, &Ouml;sophagogastroduodenoskopie, Stuhlkultur, EKG, TSH und ein R&ouml;ntgenthorax empfohlen. In einem dritten Schritt erfolgen die Koloskopie, die CT/MRI-Untersuchung (CT vom Abdomen bei V.a. entz&uuml;ndliche Krankheit, CT/MRI vom Kopf zum Ausschluss einer zentralen Ursache, CT-/MR-Enterografie zum Ausschluss eines D&uuml;nndarmprozesses) sowie die Bestimmung der Urintoxikologie und der Porphyrine.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>- Anderson W, Strayer SM: Evaluation of nausea and vomiting in adults: a case-based approach. Am Fam Physician 2013; 88: 371-9<br /> - Detsky ME et al.: Does this patient with headache have a migraine or need neuroimaging? JAMA 2006; 296(10): 1274-83<br /> - Gerhardt RT et al.: Derivation of a clinical guideline for the assessment of nonspecific abdominal pain: the Guideline for Abdominal Pain in the ED Setting (GAPEDS) Phase 1 Study. Am J Emerg Med 2005; 23(6): 709-17<br /> - Janiak P, Fried M: Differentialdiagnose Nausea und Erbrechen. Der Gastroenterologe 2007; 2: 201-11<br /> - Mayer AD, McMahon MJ: Biochemical identification of patients with gallstones associated with acute pancreatitis on the day of admission to hospital. Ann Surg 1985; 201(1): 68-75<br /> - M&ouml;rk H, Scheurlen M: Leitsymptom Erbrechen. Internist 1998; 39: 1055-61<br /> - Parkman HP et al.: American Gastroenterological Association technical review on the diagnosis and treatment of gastroparesis. Gastroenterology 2004; 127(5): 1592-1622<br /> - Quigley EM et al.: AGA technical review on nausea and vomiting. Gastroenterology 2001; 120: 263-86<br /> - Straumann A, Pirovino M: Nausea und Erbrechen: Allgemeiner und Spezieller Teil. Swiss Medical Forum 2001; 1/2: 15-125<br /> - Witt K et al.: Likelihood ratios to determine &lsquo;does this patient have appendicitis?&rsquo;: comment and clarification. JAMA 1997; 278(10): 819-20</p> </div> </p>
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