
Highlights der UEG Week Virtual 2021
Bericht:
Dr. Katrin Spiesberger
Redaktorin
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Auch dieses Jahr fand die United European Gastroenterology (UEG) Week virtuell statt, was der Teilnehmerzahl und der Fülle an präsentierten Daten jedoch keinen Abbruch tat. Mehr als 8600 Interessierte aus 116 Ländern waren registriert, über 1600 Abstracts wurden präsentiert und man konnte mehr als 215 Live-Sessions verfolgen. Im Folgenden bieten wir Ihnen einen kleinen Einblick in die Welt dieses grossen Kongresses.
Ösophagus-Adenokarzinom-Fälle bei jüngeren Menschen verdreifacht
Die Fälle von Speiseröhrenkrebs haben sich in den letzten 30 Jahren bei den unter 50-Jährigen verdreifacht, wie eine an der UEG Week Virtual 2021 vorgestellte neue Studie ergab.1
Die niederländische Studie mit fast 60000 Patienten offenbarte, dass zwischen 1989 und 2018 die Zahl an neuen Fällen von Adenokarzinomen des Ösophagus von 0,34 auf 0,92 pro 100000 Einwohner angestiegen war. Dies entspricht einem durchschnittlichen Anstieg von 1,5% bei Männern und 3% bei Frauen. Man geht davon aus, dass dieser rasante Anstieg Veränderungen der lebensstilbedingten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Ösophagus-Adenokarzinoms widerspiegelt. Ali Al-Kaabi vom Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande, Ersttautor der Studie, erklärte: «Wir wissen, dass die Krankheit mit dem Barrett-Ösophagus in Verbindung steht. Zudem sind der gastroösophageale Reflux, Fettleibigkeit und Rauchen ebenfalls wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung eines Adenokarzinoms der Speiseröhre.» Obwohl bei Patienten unter 50 Jahren die Wahrscheinlichkeit einer unheilbaren Erkrankung höher war als bei Patienten im Alter von 50 bis 74 Jahren resp. über 74 Jahren (47%, 40% resp. 29%), erhielten jüngere Patienten eher multimodale Behandlungen. Entsprechend länger war das relative Überleben der jüngeren Altersgruppe im Vergleich zu älteren Patienten.
Über den Studienzeitraum wurden die höchsten Überlebensraten bei unter 50-Jährigen mit Erkrankungen im Frühstadium beobachtet, wobei die 5-Jahres-Überlebensrate auf 99% (+52%) anstieg. Diejenigen, die als «potenziell heilbar» eingestuft wurden, hatten eine 5-Jahres-Überlebensrate von 46% (+22%), während unheilbare oder palliative Patienten eine 1-Jahres-Überlebensrate von 32% (+11%) hatten.
«Das relative Überleben hat sich in der jüngeren Altersgruppe deutlich verlängert, wobei sich die Überlebenslücke im Vergleich zu älteren Erwachsenen vergrössert», kommentierte dies Al-Kaabi. «Diese Unterschiede könnten die Tatsache widerspiegeln, dass jüngere Patienten mit grösserer Wahrscheinlichkeit aggressiver mit mehreren Behandlungen therapiert werden, einschliesslich Radiochemotherapie gefolgt von einer Operation, die entweder zur Heilung beiträgt oder das Leben der Patienten verlängert.»
Covid-19-Pandemie: Rückgang der Darmkrebsdiagnosen um über 40%
Auch neue Studienergebnisse zur Zahl derwährend der Covid-19-Pandemie diagnostizierten Kolorektalkarzinome (CRC) wurden an der UEG Week präsentiert.
Im Rahmen, der in mehreren Krankenhäusern in Spanien durchgeführten Studie wurden Daten aus dem ersten Jahr der Covid-19-Pandemie mit Daten aus dem Vorjahr verglichen.2 Von den 1385 über den Zeitraum von zwei Jahren diagnostizierten CRC-Fällen, wurden fast zwei Drittel (868 Fälle; 62,7%) im Jahr vor der Pandemie im Rahmen von 24860 Koloskopien diagnostiziert. Im Gegensatz dazu wurden während der Pandemie nur 517 Fälle (37,3%) diagnostiziert – entsprechend geringer war die Zahl der durchgeführten Koloskopien (17337; Rückgang um 27%).
Die Patienten, bei denen zwischen dem 15. März 2020 und dem 28. Februar 2021 ein CRC diagnostiziert wurde, waren zudem älter als im Jahr vor der Pandemie, hatten häufiger Symptome, mehr Komplikationen und das Krankheitsstadium war bereits weiter fortgeschritten.
Die Erstautorin der Studie, María José Domper Arnal vom Dienst für Verdauungskrankheiten des Universitätsklinikums und des Aragón Health Research Institute (IIS Aragón) in Saragossa, Spanien, schreibt diesen Rückgang der Aussetzung von Screening-Programmen und der Verschiebung nicht dringender Koloskopieuntersuchungen während der Pandemie zu.
Zudem gab es einen signifikanten Anstieg der Zahl an Patienten, bei denen schwerwiegende Komplikationen diagnostiziert wurden – ein Anzeichen für ein Spätstadium der Erkrankung – mit einer Zunahme von schweren Komplikationen, wie Darmperforation, Abszesse, Darmverschluss und Blutungen, die eine Hospitalisierung erfordern. Diese Fälle machten vor der Pandemie 10,6% und während der Pandemie 14,7% aus. Auch die Zahl der diagnostizierten Krebserkrankungen im Stadium IV stieg während des Pandemiejahrs, wobei die Fälle im Stadium IV 19,9% der CRC-Diagnosen ausmachten, gegenüber 15,9% im Vorjahr.
«Es ist anzunehmen, dass es nicht nur in unserer Region, sondern auch in anderen Ländern, wo Screenings eingestellt und Operationen verschoben wurden, zu einem ähnlichen Rückgang der CRC-Diagnosen gekommen ist», erläuterte Domper Arnal.
CED: Neuigkeiten aus klinischen Studien
Eine mit Spannung erwartete Sitzung an der UEG Week befasste sich mit den neuesten klinischen Studien zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED).
Filgotinib als Erstlinientherapie bei Colitis ulcerosa
Im ersten Vortrag, der mit dem Best Abstract Award ausgezeichnet wurde, präsentierte Iris Dotan vom Rabin Medical Center in Petah Tikva, Israel, Daten aus der Phase-IIb/III-Studie SELECTION zum Einsatz von Filgotinib.3
SELECTION ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit zwei Induktionsarmen (einen mit Biologika-naiven und einen mit Biologika-vorbehandelten Patienten) und einem Erhaltungsarm. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten 11 Wochen lang einmal täglich 100mg, 200mg Filgotinib oder Placebo oral. Patienten in klinischer Remission oder mit einem MCS(Mayo Clinic Score)-Ansprechen in Woche 10 wurden erneut randomisiert, um ihr Induktionsregime fortzusetzen oder von Woche 11 bis 58 ein Placebo einzunehmen. Der primäre Endpunkt der Studie war die klinische Remission in Woche 10 und 58.
In Woche 10 war Filgotinib 200mg/d bei der Induktion einer klinischen Remission bei Patienten, bei denen zuvor mehrere Biologika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen («mechanisms of action»; MoA) versagt hatten, signifikant wirksamer als Placebo:
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Therapieversagen eines Biologikums: 16,3% vs. 2,0% (p=0,0069)
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Therapieversagen eines MoA: 15,1% vs. 4,4% (p=0,0314)
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Therapieversagen zweier oder mehrerer Biologika: 7,4% vs. 3,7% (p=0,3886)
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Therapieversagen zweier MoA: 6,7% vs. 1,6% (p=0,1653).
In Woche 58 erreichte eine signifikant höhere Zahl von Biologika-naiven und -erfahrenen Respondern mit Versagen von zwei oder mehr Biologika oder zwei MoA, die mit 200mg Filgotinib behandelt wurden, eine klinische Remission als in der Placebogruppe (alle p<0,05).
Die Autoren kamen aufgrund der Ergebnisse der Induktionsphase zum Schluss, dass 200mg Filgotinib/d am wirksamsten ist bei Biologika-naiven Patienten und solchen, die nach Versagen nur eines Biologikums oder MoA wechselten.
Negatives Sicherheitsprofil für die HSCT bei Morbus Crohn
Die zweite Präsentation der Session wurde ebenfalls mit einem Best Abstract Award ausgezeichnet. Hier berichtete James Lindsay von der Barts & The London School of Medicine, London, UK, über die multizentrische, randomisierte, kontrollierte ASTIClite-Studie, in welcher der Einsatz einer niedrig dosierten autologen hämatopoietischen Stammzelltransplantation (HSCT) bei therapierefraktärem Morbus Crohn (MC) untersucht wurde.4
Es bestand die Hoffnung, die HSCT als mögliche nicht invasive Therapiealternative bei Patienten mit aktivem MC einsetzen zu können – eine Hoffnung, die durch die zuvor durchgeführte ASTIC-Studie, bei der schwere Therapienebenwirkungen auftraten, gedämpft wurde. Leider brachte die ASTIClite-Studie, die mit verändertem Studiendesign die Wirksamkeit und Sicherheit eines modifizierten, niedrig dosierten HSCT-Regimes untersuchte, ähnliche Ergebnisse.
Obwohl die niedrig dosierte HSCT bei einigen Patienten zu einer Regression aller endoskopischen Ulzerationen führte, schliesst das signifikante Nebenwirkungsprofil eine zukünftige Anwendung in der klinischen Praxis aus. Aufgrund schwerer unerwarteter Nebenwirkungen, darunter auch zwei Todesfälle, musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden. Es werde nun daran gearbeitet, die zugrundeliegenden Mechanismen zu ermitteln, so Lindsay.
Morbus Crohn: Profiling von Plasmaproteinen
Maud Heredia vom Erasmus University Medical Center-Sophia Children’s Hospital in Rotterdam, Niederlande, präsentierte spannende Ergebnisse zum Profiling von Plasmaproteinen bei CED-Erkrankten und wurde dafür ebenfalls mit einen Best Abstract Prize geehrt.
In der Annahme, dass das Profiling von Entzündungsproteinen im Plasma dabei helfen könnte, den klinischen Krankheitsverlauf und das Ansprechen auf die Behandlung bei Patienten mit MC vorherzusagen, wurden in der vorgestellten Studie Plasmaimmunprofile von 95 behandlungsnaiven pädiatrischen Patienten mit CED erstellt.5 In die Studie eingeschlossen waren 62 Patienten mit MC, 17 mit CU, 13 mit Verdacht auf CED, drei mit nicht klassifizierter CED (IBD-U) sowie 30 gesunde Kontrollpatienten. Dabei wurden mehrere Oberflächen- und intrazelluläre Marker auf Gedächtnis-CD4+-T-Helferzellen und Plasmaimmunproteine ausgewertet. Diese Analysen wurden bei Diagnosestellung und nach 10–12 Wochen Induktionstherapie durchgeführt.
36 Plasmaproteine unterschieden die CED-Patienten von den gesunden Kontrollen. MC- und CU-Patienten wiesen bei der Diagnose unterschiedliche Plasmaproteinprofile auf, wobei IFN-γ signifikant mit MC assoziiert war, während IL-17A signifikant häufiger bei der CU-/IBD-U-Gruppe vorkam. Durch hierarchisches Gruppieren dieser Profile konnten zwei Cluster von CU-Patienten mit unterschiedlicher klinischer Krankheitsaktivität und Krankheitsausdehnung unterschieden werden.
Bei den MC-Patienten wurden drei Cluster identifiziert (Abb. 1):
Abb. 1: Einteilung in drei Morbus-Crohn(MC)-Cluster anhand klinischer Parameter (modifiziert nach Heredia M et al.)5
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MC-1 mit hohen Konzentrationen an entzündlichen Proteinen und einer grösseren Menge an Proteinen, die mit der Neutrophilenfunktion und der IFN-γ-Signalgebung assoziiert sind,
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MC-2 mit mittleren Konzentrationen an Entzündungsproteinen und einem deutlichen Anstieg des Prozentsatzes an aktivierten (HLA-DR+) Gedächtnis-CD4+-Th-Zellen und
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MC-3 mit geringeren Konzentrationen an Entzündungsproteinen, geringerer klinischer Krankheitsaktivität, niedrigerem CRP und höherem Albuminspiegel im Blut.
Die drei MC-Cluster sprachen unterschiedlich auf die Therapie an, wobei MC-1-Patienten nach 10–12 Wochen Therapie stärker modulierte Proteine und eine grössere Faltungsänderung (Korrektur) aufwiesen.
Nun sind weitere Analysen geplant, um diese Ergebnisse mit langfristigen klinischen Ergebnissen in Verbindung zu bringen und so einen besseren Einblick in die Immundysregulation bei CED zu erhalten.
Quelle:
UEG Week Virtual 2021, 3. bis 5. Oktober 2021
Literatur:
1 Ali Al-Kaabi et al.: Increasing incidence of oesophageal cacner in adults younger than 50 years in the Netherlands: a population-based cohort study. Presented at UEG Week Virtual 2021 2 Domper Arnal MJ et al.: Impact of the covid-19 pandemic in the diagnosis and characteristics of colorectal cancer patients. United Eur Gastroenterol J 2021; 9(Suppl 8): 887-8 3 Dotan I et al.: Efficacy of filgotinib in patients with ulcerative colitis by line of therapy in the phase 2B/3 SELECTION trial. Presented at UEG Week Virtual 2021 4 Lindsay J et al: A randomised controlled clinical trial of autologous stem cell transplaantation (HSCT) in patients with treatment refractory Crohn’s disease (low intensity therapy evaluation): ASTIClite. Presented at UEG Week Virtual 2021 5 Heredia M et al.: Circulating inflammatory protein and cellular profiles at time of diagnosis classify inflammatory bowel disease patients according to their underlying immune response and clinical disease course. Presented at UEG Week Virtual 2021
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