Neue Therapieempfehlungen für die Colitis ulcerosa

Im Rahmen des ECCO-Kongresses 2022 wurden neue Leitlinien zum medikamentösen und chirurgischen Management der Colitis ulcerosa (CU) präsentiert. Wichtige Neuerungen in der medikamentösen Therapie betreffen die neueren Biologika Vedolizumab und Ustekinumab sowie den JAK-Inhibitor Tofacitinib. Methotrexat spielt im Management der CU keine Rolle mehr.

Erstmals wurde die aktuelle ECCO-Leitlinie zum Management der Colitis ulcerosa von einem Experten-Panel nach der GRADE-Methodologie («Grading of Recommendations Assessment, Development, and Evaluation») erarbeitet. Das bedeutet, dass am Anfang des Prozesses eine Liste sogenannter PICO-Fragen erstellt und im Anschluss deren Beantwortung anhand der verfügbaren Literatur versucht wurde. Dabei steht P für Population/Patient/Problem, I für Intervention, C für Comparison und O für Outcome. Mit anderen Worten: In welcher Population ist welche Intervention womit vergleichbar, um welches Ziel zu erreichen? GRADE gilt in der Erstellung von Leitlinien als besonders stringente Methodologie. Sie habe, so die Autoren der aktuellen ECCO-Guideline, dazu geführt, dass auch bestimmte randomisierte, kontrollierte Studien nicht berücksichtigt wurden, weil sie keine Fragen beantworteten, die das Panel für ausreichend relevant hielt. Die Fragen bezogen sich durchwegs auf klinisch bedeutsame Endpunkte und nicht auf studienspezifische Outcomes ohne Relevanz für den Patienten. Allerdings hielt Dr. Timothy Raine vom Addenbrooke’s Hospital in Cambridge im Rahmen der Leitlinienpräsentation fest, dass die GRADE-Methodologie nicht bei allen Fragestellungen anwendbar war und man dort, wo die Evidenz nicht ausreichte, auf die Oxford-Methodologie zurückgriff, die einen Konsensus-Prozess zur Beantwortung der PICO-Fragen vorsieht.

Die neue Leitlinie enthält einige substanzielle Neuerungen, die nicht nur neue Medikamente betreffen. So werden Empfehlungen nicht mehr wie in früheren Guidelines nach der Lokalisation der Erkrankung gegliedert, sondern nach der Krankheitsaktivität. Dabei wird zwischen mild, moderat und schwer unterschieden, wobei Raine betont, dass der Bereich moderat sowohl mit mild als auch mit schwer überlappt. Insbesondere sei wichtig, dass Patienten mit leichterer Erkrankung keine wirksamen Therapien vorenthalten werden.

Weiters wird Methotrexat (MTX) in Zukunft im Management der Colitis ulcerosa keine Rolle mehr spielen, da seit der Publikation der vorherigen Version der Leitlinie Studiendaten publiziert wurden, die die Wirkungslosigkeit von MTX in dieser Indikation zeigen. Im Gegensatz dazu habe sich Azathioprin in Kohortenstudien als wirksam erwiesen und bleibt daher auch als Monotherapie eine Option in der Erhaltungstherapie. Neue Studien haben auch die Position neuerer Therapien gefestigt. Konkret erwähnt werden Ustekinumab, Tofacitinib und Vedolizumab, für die nun die gleiche Empfehlung wie für die Anti-TNF-Biologika gilt: Sie können (jeweils mit starker Empfehlung) bei Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa eingesetzt werden, wenn diese auf konventionelle Therapien nicht angesprochen haben. Dabei ist Vedolizumab im Vergleich zu Adalimumab der Vorzug zu geben. Für die anderen erwähnten Medikamente liegen keine Vergleichsdaten vor. Ustekinumab, Tofacitinib und Vedolizumab werden – ebenso wie die Anti-TNF-Biologika – sowohl für die Induktions- als auch für die Erhaltungstherapie empfohlen, wobei das Ansprechen auf die Induktionstherapie die Voraussetzung für eine Erhaltungstherapie mit demselben Medikament ist. Grundsätzlich soll die Erhaltungstherapie mit jenem Biologikum oder JAK-Inhibitor durchgeführt werden, das/der zuvor auch in der Induktionstherapie eingesetzt worden ist.

Speziell unterstrichen wird in der Leitlinie die Bedeutung von Head-to-Head-Studien, die nach Wunsch des Panels in grösserer Zahl und zu mehr Fragestellungen durchgeführt werden sollten. Da mit der VARSITY-Studie (die Vedolizumab und Adalimumab verglich) aber bislang nur eine solche Untersuchung vorliegt, wurden bei der Erstellung der Guideline auch indirekte Vergleiche auf Basis der placebokontrollierten Studien berücksichtigt. Die Leitlinie wurde im «Journal of Crohn‘s and Colitis»publiziert und ist online kostenlos verfügbar: https://academic.oup.com/ecco-jcc/article/16/1/2/6390052