
Die Gastroenterologie in Zeiten der Covid-19-Pandemie
Bericht: Reno Barth, Medizinjournalist
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Die Covid-19-Pandemie betrifft auch die Gastroenterologie in mehrfacher Weise. Unteranderem wurden im Rahmen der virtuellen UEG Week 2020 Daten präsentiert, die eine erhöhte Krebssterblichkeit aufgrund verzögerter Vorsorgeuntersuchungen befürchten lassen.
Infektionen mit SARS-CoV-2 betreffen Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in weitgehend demselben Mass wie die gesunde Normalbevölkerung. Glücklicherweise zeigen Registerdaten mittlerweile, dass die bei CED-Patienten eingesetzten Biologika das Risiko, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden, nicht erhöhen. Die Rolle der Steroide ist unklar. Einerseits zeigt das erwähnte Register unter höher dosierten Steroidtherapien vermehrt ungünstige Covid-19-Verläufe, andererseits konnte in der kontrollierten RECOVERY-Studie bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten eine Reduktion der Mortalität nachgewiesen werden.
Ungeachtet dieser beruhigenden Daten zeigt eine Patientenumfrage der European Federation of Crohn’s & Ulcerative Colitis Associations (EFCCA), dass erschreckend viele CED-Patienten in der aktuellen Situation Angst haben, an Covid-19 zu erkranken (85%) oder andere Menschen damit anzustecken (87%). Zwei Drittel der Befragten (63%) gaben an, sie befürchteten, ihre Medikation könne ihr Risiko, an Covid-19 zu erkranken, erhöhen. Glücklicherweise hatten diese Ängste wenig Konsequenzen. Die meisten Patienten (88%) hatten nicht vor, ihre krankheitsmodifizierenden Medikamente während der Pandemie abzusetzen, und kaum jemand hatte dies zum Zeitpunkt der Befragung getan. Nur 30% der Patienten dachten, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung ein höheres Risiko hatten, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, 64% waren jedoch der Ansicht, dass ihre immunsuppressive Medikation zu einem schweren Covid-19-Verlauf führen könnte. Die Befragung zeigte auch, dass fast die Hälfte der Befragten der Meinung war, dass Patientenorganisationen am besten geeignet seien, den CED-Patienten ihre Angst vor der Pandemie zu nehmen. Nur 27% bevorzugten in dieser Funktion Verwandte und lediglich 14% vertrauten staatlichen oder internationalen Autoritäten. Der Fragebogen war unter Mitwirkung von Prof. Silvio Danese, dem Leiter des CED-Zentrums am Humanitas Research Hospital in Milano, erstellt worden und reflektiert die wichtigsten Fragen, CED-Patienten während der Pandemie ihren Ärzten gestellt haben. Die Fragen wurden in elf Sprachen übersetzt und erreichten 3815 CED-Patienten in 51 Ländern.
Als Reaktion auf diese Befragung hat die EFCCA eine Reihe von Webinaren mit Personen aus der CED-Patientencommunity und massgeblichen Experten ins Leben gerufen, um die wichtigsten durch die Umfrage aufgeworfenen Fragen zu beantworten.
Gefahr durch verspätete Darmkrebsdiagnosen
Bei der virtuellen UEG Week präsentierte Daten weisen jedoch auf eine weitere mit der Pandemie assoziierte Gefahr hin: Durch das Ausfallen von Koloskopien und Screeningprogrammen werden Darmkarzinome zu spät diagnostiziert. Ein von einer italienischen Gruppe präsentiertes Prädiktionsmodell weist in Richtung einer Erhöhung der Karzinommortalität um 11% allein durch die verzögerten Untersuchungen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020. Das von der Universität Bologna entwickelte Modell setzt die Verzögerungen bei der Koloskopie mit einer Zunahme der Mortalität in Relation. Eine moderate Verzögerung von sieben bis zwölf Monaten führt bereits dazu, dass 3% mehr Karzinome im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden. Verzögerungen von mehr als einem Jahr führen zu einer Zunahme an fortgeschrittenen Tumoren bei Diagnosestellung um 7%. Auf Basis des aktuellen Fünfjahres-Überlebens von Stage-III–IV-Karzinomen lässt sich die erwähnte signifikante Zunahme der Karzinommortalität um 11,9% errechnen, wenn eine Koloskopie statt innerhalb von 0 bis 3 Monaten erst nach einem Jahr durchgeführt wird.
Quelle:
Presseaussendungen im Rahmen der UEG Week Virtual 2020; Session «Covid-19 and GI» vom 19. Oktober 2020
Literatur:
• Brenner EJ et al.: Corticosteroids, but not TNF antagonists, are associated with adverse Covid-19 outcomes in patients with inflammatory bowel diseases: results from an international registry. Gastroenterology 2020; 159(2): 481-91.e3 • RECOVERY Collaborative Group: Dexamethasone in hospitalized patients with Covid-19 – preliminary report. N Engl J Med 2020; NEJMoa2021436 • Ricciardiello L: Covid-19 and GI estimated effects of screening delay due to Sars-Cov-2 pandemic on colorectal cancer mortality. Presented at UEG Week Virtual 2020
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