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CED: neue Therapien auf dem Weg in die Klinik
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10.05.2018
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<p class="article-intro">Biologika haben die Therapiemöglichkeiten bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen entscheidend erweitert. Doch es gibt weiterhin Bedarf an Verbesserungen. Derzeit wird zu neuen Wirkmechanismen und neuen Applikationswegen geforscht. Der diesjährige Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) lieferte ein Update zu neuen Therapieansätzen.</p>
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<p class="article-content"><p>Im Rahmen des ECCO 2018 wurden unter anderem aktuelle Daten zu Cobitolimod vorgestellt, einem DNA-basierten Oligonukleotid, das als Agonist am «tolllike receptor 9» (TLR9) wirkt. Bisher verfügbare Daten zeigen bei Patienten mit aktiver Colitis ulcerosa (CU) klinische Wirksamkeit im Sinne einer Induktion von Remission sowie ein günstiges Sicherheitsprofil. Für die nun vorgestellte Arbeit wurde die Wirksamkeit von Cobitolimod bei Mäusen in einem experimentellen Colitis- Modell untersucht. Darüber hinaus wurden in einem In-vitro-Setting mit Immunzellen aus Blut und Mukosa von CU-Patienten Untersuchungen zum Wirkmechanismus durchgeführt.<br /> Die lokale Administration des TLR9- Agonisten Cobitolimod moduliert die Immunantwort in einem Mausmodell der Kolitis ebenso wie bei Patienten mit CU. Die präsentierten Studien zeigten, dass Cobitolimod das für die Inflammation des Darms typische Ungleichgewicht von Th17/T-reg günstig beeinflusst, indem es die IL-17-Expression ebenso reduziert wie die Zahl der Th17-Zellen und zugleich die IL-10-Expression in der Mukosa ankurbelt und die Zahl der T-reg-Zellen erhöht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Cobitolimod eine ausgeprägte antiinflammatorische Wirkung hat, indem es neue therapeutische Ziele im Rahmen der Immunpathogenese der Colitis ulcerosa beeinflusst.<sup>1</sup></p> <h2>Studiendaten zu Apremilast bei Colitis ulcerosa</h2> <p>Ein weiterer neuer Hoffnungsträger in der klinischen Forschung zu CED ist Apremilast, ein oral einzunehmendes «small molecule», das die Phosphodiesterase 4 inhibiert und damit über einen intrazellulären Wirkmechanismus eine grosse Palette pro- und antiinflammatorischer Mediatoren der CU moduliert. Apremilast ist bereits zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer chronischer Plaque-Psoriasis und Psoriasisarthritis zugelassen. «Apremilast hat in verschiedenen Kolitis- Modellen gezeigt, dass es eine günstige Wirkung sowohl auf endoskopische als auch histologische Parameter hat», berichtet Prof. Dr. med. Silvio Danese vom Istituto Clinico Humanitas in Mailand. Für die Indikation Colitis ulcerosa wird Apremilast in klinischen Studien getestet. Ergebnisse einer Phase-II-Studie wurden im Rahmen des ECCO 2018 in Wien präsentiert.<br /> In die Studie waren 170 Patienten mit aktiver CU (definiert durch einen Mayo-Gesamt-Score [TMS] von ≥6 bis ≤11 bei einem endoskopischen Mayo-Score [MES] ≥2) eingeschlossen, die auf mindestens eine konventionelle Therapie nicht angesprochen hatten, aber Biologika-naiv waren. Die Patienten wurden 1:1:1 in drei Gruppen randomisiert und erhielten entweder Apremilast 30mg BID (APR 30), Apremilast 40mg BID (APR 40) oder Placebo (PBO) für bis zu 12 Wochen. Primärer Endpunkt war die klinische Remission nach dem TMS zu Woche 12. Endoskopische Befunde wurden zentral durch unabhängige Experten ausgewertet, die hinsichtlich der Therapie und des Zeitpunktes der Endoskopie verblindet waren.<br /> Im Vergleich zu Placebo erreichte ein signifikant höherer Anteil der mit APR 30 behandelten Patienten eine klinische Remission gemessen am TMS (Δ18 % ) und eine klinische Remission nach dem modifizierten Mayo-Score (Δ25 % ). Damit wurde der primäre Endpunkt nur mit der niedrigeren, nicht jedoch mit der höheren Dosierung von Apremilast erreicht. Ein höherer Anteil der Patienten, die mit APR 30 und APR 40 behandelt wurden, erreichte ein klinisches Ansprechen zu Woche 12, die Differenz zu Placebo war jedoch nur für APR 40 signifikant. Zu Woche 12 hatten im Vergleich zu Placebo mehr Patienten aus der APR-30-Gruppe eine Abnahme des MES um mindestens einen Punkt im Vergleich zum Ausgangswert erreicht (Δ32 % ). Im Vergleich zu Placebo wurde auch bei mehr Patienten unter APR 30 nach 12 Wochen ein MES ≤1 diagnostiziert (Δ32 % ). In den Apremilast- Gruppen wurde im Vergleich zu Placebo auch ein Trend zu mehr histologischen Remissionen gefunden. In der APR-30- Gruppe trat im Vergleich zu Placebo signifikant häufiger Mukosaheilung ein (Δ18 % ). Auch Biomarker für Inflammation wurden durch Apremilast günstig beeinflusst. Unter APR 30 waren sowohl das hsCRP im Plasma als auch das fäkale Calprotectin zu den Wochen 4, 8 und 12 signifikant reduziert. Auch im Hinblick auf die histologischen Endpunkte und Biomarker schnitt APR 30 besser ab als APR 40. Für die beiden Dosierungen von Apremilast wurden vergleichbare Sicherheitsprofile gesehen. Die beobachteten unerwünschten Ereignisse entsprachen sowohl dem bekannten Sicherheitsprofil von Apremilast als auch der klinischen Symptomatik der CU. Rund 20 % der Patienten gaben unter Apremilast Kopfschmerzen an (eine bekannte Nebenwirkung des PDE-4- Inhibitors), diese waren allerdings in den meisten Fällen nicht so belastend, dass die Therapie deshalb hätte abgebrochen werden müssen.<sup>2</sup></p> <h2>Stammzelltransplantation: Erfahrungen aus der Klinik</h2> <p>Eine neue und an Bedeutung gewinnende Strategie in der Therapie des refraktären Morbus Crohn (MC) ist die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT). Bislang ist die Datenlage dazu allerdings nicht eindeutig. In der ASTIC-Studie wurde der stringente primäre Endpunkt nicht erreicht. In einem 1-Jahres-Follow-up wurde allerdings eine anhaltende Wirksamkeit demonstriert. Wie und mit welchen Ergebnissen eine AHSCT im klinischen Alltag eingesetzt werden kann, ist bislang fraglich. Eine britische Gruppe analysierte nun Registerdaten, um das langfristige Outcome von CD(«Crohn’s disease»)-Patienten nach AHSCT zu evaluieren. Im Register der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) wurden Patienten im Alter von über 18 Jahren identifiziert, die in den Jahren 1997 bis 2015 ausserhalb von ASTIC eine AHSCT wegen einer Erkrankung an MC erhalten hatten. Klinische Daten waren für 82 Patienten an 19 Zentren in sieben Ländern verfügbar. Die Ergebnisse der Transplantation und die klinischen Resultate wurden von den behandelnden Ärzten an den jeweiligen Zentren direkt eingeholt. Klinisches Ansprechen wurde kategorisiert als: Remission (keine abdominellen Schmerzen und normale Stuhlfrequenz), signifikante Verbesserung (Besserung von Schmerzen und Stuhlfrequenz), keine Veränderung oder Verschlechterung der Symptome.<br /> Die Patienten waren im Median 30 Jahre alt und zu 63 % Frauen. Zum Zeitpunkt der Transplantation litten sie im Median seit 17 Jahren unter MC. Sie waren massiv vorbehandelt und hatten im Median sechs unterschiedliche Therapien (3–10) hinter sich. Operationen fanden sich bei 74 % in der Anamnese.<br /> Alle Patienten erhielten nach Konditionierung mit Cyclophosphamid 200mg/kg Stammzellen aus dem peripheren Blut, 86 % erhielten auch Antithymozytenglobulin (ATG). Engraftment von Neutrophilen und Plättchen trat nach median 10 Tagen ein. Das mediane Follow-up betrug 41 Monate. Bei Kontrollen 100 Tage nach der AHSCT waren 63 % der Patienten in klinischer Remission, bei weiteren 28 % wurden signifikante Verbesserungen beobachtet, 5 % waren unverändert und 4 % hatten sich verschlechtert. Einjahresdaten waren für 76 der 82 Patienten verfügbar. Sie zeigten ein vergleichbares Bild mit 43 % kompletten Remissionen. Zum letzten verfügbaren Follow-up waren 44 % in CR, 24 % hatten sich verbessert, 17 % waren unverändert und 15 % verschlechtert. Allerdings benötigten 37 % nach der AHSCT (weitere) Operationen und 73 % begannen weitere medikamentöse Therapien. Von jenen, die medikamentöse Therapien begannen, waren 70 % nach der AHSCT wieder sensibel auf Anti-TNF-Therapien. Nach fünf Jahren benötigten immer noch 22 % der Patienten keine Therapie. Im Zusammenhang mit den Transplantationen war es zu einem Todesfall durch Sepsis gekommen, 27 % der Patienten entwickelten Infektionen, die behandelt werden mussten, bei 13 % trat eine sekundäre Autoimmunerkrankung auf, in den meisten Fällen eine Thyreoiditis. Malignome wurden bei 6 % beobachtet, zu 60 % handelte es sich dabei um Hautkrebs. Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation eine brauchbare Option für bestimmte Patienten sein dürfte, und fordern weitere klinische Studien.<sup>3</sup></p> <h2>Phase II: JAK-Inhibition für den Darm</h2> <p>Die Gruppe der Januskinase-Inhibitoren wird gegenwärtig bei zahlreichen Autoimmunerkrankungen untersucht bzw. auch bereits klinisch eingesetzt. Upadacitinib (UPA) ist ein JAK1-Inhibitor, der in der 16-wöchigen Induktionsstudie CELEST bei Patienten mit moderatem bis schwerem CD untersucht wurde.<sup>4</sup> Die Phase- II-Studie CELEST war eine von zahlreichen Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Upadacitinib bei einer Reihe von Indikationen evaluierten, wie Prof. Dr. med. Stefan Schreiber vom Universitätsspital Schleswig-Holstein in Kiel ausführte. Die Patienten hatten zuvor auf immunmodulierende Therapien bzw. Anti-TNF-Therapien nicht angesprochen oder diese nicht vertragen. Im Rahmen des ECCO 2018 wurden nun Daten zur Geschwindigkeit des Ansprechens und der Remission sowie zu Veränderungen von Biomarkern aus der Induktionsphase von CELEST präsentiert.<br /> In CELEST wurden unterschiedliche Dosierungen von Upadacitinib mit Placebo verglichen. Die Studienpatienten litten unter aktivem Morbus Crohn mit einem CD Activity Index (CDAI) von 220–450, mindestens 2,5 flüssigen oder sehr weichen Stuhlgängen am Tag oder täglichen abdominalen Schmerzen (Abdominal Pain Score ≥2,0) und einem Simplified Endoscopic Score for CD (SES-CD) ≥6 (bzw. ≥4 bei Patienten mit isolierter Erkrankung des Ileums). Insgesamt wurden in die Studie 220 Patienten aufgenommen (mittleres Alter 40,7±12,9 Jahre, CDAI 302,8± 63,4, Erkrankungsdauer 13,2±10,0 Jahre). Patienten, die UPA erhielten, erreichten bereits nach vier Wochen eine modifizierte klinische Remission und nach acht Wochen eine komplette Remission, definiert durch einen CDAI unter 150. Schreiber: «Wenn man die ‹patient-reported outcomes› einbezieht, sind die Unterschiede zu Placebo noch deutlicher.» Klinisches Ansprechen (in etwa adäquat zu einem CDAI-Rückgang um 70 Punkte) wurde ebenfalls sehr schnell erreicht. Stuhlfrequenz und Schmerzen verbesserten sich im Vergleich zu Placebo bereits ab der ersten Woche. Die CRP-Spiegel fielen unter allen UPA-Dosierungen bereits ab Woche 2 signifikant ab und blieben über 16 Wochen im 12mg- und 24mg-BID- sowie im 24mg-QD-Arm konstant niedrig. Ebenso wurde im 12mg- und 24mg-BID-Arm ab Woche 4 und im 24mg-QD-Arm ab Woche 16 ein signifikanter Rückgang des fäkalen Calprotectins beobachtet.<sup>5</sup></p> <h2>Endoskopische Daten zu Vedolizumab bei M. Crohn</h2> <p>Neue Daten wurden auch zu dem bereits für die Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zugelassenen darmselektiven Integrin-Inhibitor Vedolizumab präsentiert. Vedolizumab verhindert durch die hochselektive Blockierung von α4β7-Integrin die Migration aktivierter Lymphozyten ins Gewebe. In der Indikation Morbus Crohn wurden für Vedolizumab im Vergleich zu Placebo signifikant höhere Remissionsraten demonstriert.<sup>6</sup> Endoskopisch nachgewiesene Mukosaheilung wurde bislang jedoch nicht untersucht. Im Rahmen des ECCO 2018 wurden nun Daten zu endoskopischer Remission und Heilung bei Patienten mit MC vorgestellt.<sup>7</sup> In die Studie wurden Patienten mit moderatem bis schwerem aktivem MC eingeschlossen, die zuvor auf Kortikosteroide, Immunmodulatoren und/oder Anti-TNFBlocker nicht angesprochen hatten. Primärer Endpunkt der Studie war endoskopische Remission (SES-CD ≤4) zu Woche 26. Zu den sekundären Endpunkten zählten endoskopisches Ansprechen und komplette endoskopische Heilung zu Woche 26. Subgruppenanalysen wurden unter anderem für Anti-TNF-vorbehandelte Patienten durchgeführt.<br /> Von den 101 eingeschlossenen Patienten waren 55 % mit Anti-TNF vorbehandelt, bei 46 % lag eine schwere endoskopische Krankheitsaktivität vor. Nach 26 Wochen wurde in der gesamten Studienpopulation eine endoskopische Remissionsrate von 12 % erreicht. Unter den Anti- TNF-naiven Patienten lag die Remissionsrate bei 20 % , bei den Anti-TNF-Vorbehandelten bei 6 % . Bei Patienten mit moderater endoskopischer Aktivität zu Beginn der Studie konnte in 17 % endoskopische Remission erreicht werden. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung gelang dies nur in 7 % .</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 13. Kongress der European Crohn’s and Colitis
Organisation (ECCO), 14.–17. Februar 2018, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Schmitt H et al.: The TLR9 agonist cobitolimod induces anti-inflammatory effects and balances the Th17/T-reg cell response in ulcerative colitis. ECCO 2018; OP004 <strong>2</strong> Danese S et al.: Apremilast for active ulcerative colitis: a phase 2, randomised, double-blind, placebo-controlled induction study. ECCO 2018; OP006 <strong>3</strong> Brierley C et al.: Autologous haematopoietic stem cell transplantation for Crohn’s disease: a retrospective study from the European Society for Blood & Marrow Transplantation (EBMT) Autoimmune Diseases Working Party. ECCO 2018; OP021 <strong>4</strong> S andborn W J et al.: Safety and efficacy of ABT-494 (upadacitinib), an oral JAK1 inhibitor, as induction therapy in patients with Crohn’s disease: results from CELEST [abstract 874]. Gastroenterology 2017; 152(Suppl 1): S1308-9 <strong>5</strong> Schreiber S et al.: Rapidity of clinical and laboratory improvements following upadacitinib induction treatment: data from the CELEST study. ECCO 2018; OP022 <strong>6</strong> Sandborn WJ et al.: Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohn’s disease. N Engl J Med 2013; 369: 711- 21 <strong>7</strong> Danese S et al.: A phase 3b open-label multicentre study (VERSIFY) of the efficacy of vedolizumab on endoscopic healing in moderately to severely active Crohn’s disease (CD). ECCO 2018; OP023</p>
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