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Muss Fortbildung immer kostenlos sein?
Jatros
30
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16.05.2019
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<p class="article-intro">Parallel zur Zunahme an medizinischem Wissen steigt der Aufwand für die – gesetzlich vorgeschriebene – Fortbildungstätigkeit. Dies bedingt ein Umdenken in Bezug auf Angebote und Inhalte und letztendlich auch auf die Finanzierung. Somit werden sich neben den klassischen, meist durch die Pharmaindustrie gesponserten Fortbildungen innovative Formate etablieren, wie Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik erklärt.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Prim. Ludvik, Sie bieten selbst zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzte an. Und es gibt eine Vielzahl weiterer Fortbildungsangebote – warum ist Fortbildung für Ärzte aus Ihrer Sicht so wichtig?</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Gerade in der Medizin ist die Halbwertszeit des Wissens extrem kurz geworden. Daher wird mit Recht von Ärzten gefordert, ein bestimmtes Fortbildungskontingent zu erfüllen. Im niedergelassenen Bereich ist dies natürlich schwerer als für Ärzte, die in einem Krankenhaus arbeiten. Im Krankenhaus werden kontinuierlich Fortbildungen angeboten, niedergelassene Ärzte müssen sich dagegen das Wissen bei Bezirksärztefortbildungen oder bei Kongressen erwerben bzw. gibt es auch Online- und klassische gedruckte Fortbildungen. Dies ist natürlich ein höherer Aufwand. Dennoch – es gehört zu den Berufspflichten, sich fortzubilden, und wir sind es auch unseren Patienten schuldig, auf dem neuesten Wissensstand zu sein. Darüber hinaus spielen auch rechtliche Aspekte eine wesentliche Rolle, denn wenn ich mich als Arzt nicht fortbilde, darf ich eigentlich nicht mehr arbeiten bzw. wird im Fall eines Behandlungsfehlers sehr wohl auch die Fortbildungsaktivität eine Rolle spielen.</p> <p><strong>Oftmals werden Ärzte ja zu Kongressen eingeladen – muss eine solche Fortbildung kostenlos sein, damit sie angenommen wird?</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Es ist eine Tatsache, dass Fortbildung etwas kostet. Dazu gehören die Location, in der die Fortbildung stattfindet, die Vortragenden, die sich auf ihre Vorträge vorbereiten und ihre Zeit zur Verfügung stellen, aber auch die notwendige Technik und einige Punkte mehr. In Österreich hat sich durchgesetzt, dass die Kosten für Fortbildungen vielfach durch die Industrie – seien es Pharma- oder Medizintechnikfirmen – gesponsert werden. Persönlich finde ich es gut, wenn die Industrie Ärzte in ihrer Fortbildung unterstützt, da diese für Teilnehmer wie erwähnt aufwendig ist und Kongressbesuche darüber hinaus auch teurer sein können. Wichtig ist eine komplette Transparenz, d. h. die Offenlegung der dadurch entstehenden potenziellen Interessenkonflikte. Ich bin aber der Ansicht, dass keine Gefahr besteht, dass Vortragende etwas sagen, das nicht ihren wahren Intentionen entspricht, nur weil sie auf einer von der Pharmaindustrie gesponserten Fortbildung sprechen. Dies wäre nicht zuletzt für die Vortragenden selbst kontraproduktiv, da diese in der Folge unglaubwürdig werden.</p> <p><strong>Was sind die Konsequenzen für eine Fortbildung, wenn diese von Firmen gesponsert wird?</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Ein Ziel ist ja unter anderem auch, Produkte zu erklären. Durch die Einladung von Vortragenden und die Wahl der Themen besteht natürlich eine gewisse Beeinflussungsmöglichkeit. Wird dies transparent gemacht, stellt das kein Problem dar. Die Industrie hat sich zudem gewisse Restriktionen auferlegt, wenn sie etwa eine Veranstaltung selbst konzipiert. Dies hat aber natürlich Auswirkungen auf eine Fortbildung. Ein Beispiel: Um nicht in den Verdacht zu geraten, dass eine indirekte Bestechung der Teilnehmer und der Vortragenden entsteht, indem man diese in schöne Hotels mit teurer Verpflegung einlädt, hat sich die Industrie Beschränkungen bei der Wahl der Veranstaltungsorte auferlegt, Rahmenprogramme werden spartanisch angelegt, die Kosten pro Teilnehmer streng limitiert. Konkret bedeutet dies den Ausschluss von Kongressorten, die z. B. in der Nähe von Gebieten liegen, wo die Teilnehmer vielleicht vor oder nach der Fortbildung Urlaub machen könnten. Es ist auch so, dass man, wenn man zu einem Kongress eingeladen wird, nur alleine hinfahren kann. Man darf nicht einmal jemanden mitnehmen, dem man das Essen selbst bezahlen würde, man darf nicht einen Tag vorher anreisen oder einen Tag nach dem Kongress abreisen. Das ist alles okay und transparent, und dafür bekommt man eine zumeist hochqualitative Fortbildung, in Verbindung mit diesen Restriktionen.</p> <p><strong>Es werden zunehmend Fortbildungen angeboten, die nicht von der Industrie gesponsert werden …</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Das stimmt, obwohl diese Art von Fortbildungen, zumindest in der „Nichtzahnmedizin“, noch nicht sehr etabliert ist. Dafür schließen sich Leute zusammen, die eine Fortbildung auf hohem Niveau gestalten, völlig unabhängig von irgendeiner einladenden Firma. Diese sind auch unabhängig, was die Wahl der Themen und der Vortragenden betrifft. Die Kosten für die Teilnahme an einer solchen Fortbildung tragen die Teilnehmer komplett selbst, sie können diese aber natürlich von der Steuer abschreiben. Diese Veranstaltungen sind den zuvor genannten Restriktionen aber nicht unterworfen. D. h., sie können in einem schönen Ambiente stattfinden, an Orten, an denen die Familie auch Urlaub machen kann. Die Vortragszeiten werden oftmals familienfreundlich gestaltet, man kann früher an- oder später abreisen und so weiter. Als Beispiel nenne ich hier die Oberlecher Stoffwechseltage, die ich mit Kollegen organisiere. Für Ärzte ist es nicht immer einfach, Praxisöffnungszeiten, Patientenbetreuung, die Geschäftsführung der Praxis, Fortbildungen und Familie unter einen Hut zu bringen. Für niedergelassene Kollegen ist dies wie gesagt zum Teil sehr aufwendig. Daher haben wir natürlich auch ein offenes Ohr für Wünsche, die diesbezüglich an uns als Organisatoren herangetragen werden.</p> <p><strong>Heißt das, dass es nur auf das Ambiente ankommt?</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Nein, das war nur ein Beispiel, um die Restriktionen zu veranschaulichen. Solche Veranstaltungen können auch ohne einen solchen Rahmen stattfinden. Der zweite wesentliche Aspekt ist der, dass sich die Veranstaltungen auch inhaltlich unterscheiden. So können die Referenten ihre Vorträge völlig unabhängig von der Industrie gestalten. Das Programm und die Vorträge können daher je nach Bedarf der Teilnehmer entweder thematisch breiter angelegt oder aber auch rezeptartig praxisnah auf den Punkt gebracht werden. Es können Themen besprochen werden, die a priori gar nicht so relevant erscheinen, die aber Ärzte interessieren und bei klassischen Kongressen zu kurz kommen. So können wir etwa abseits von medikamentösen Therapien und Lebensstilmaßnahmen Bezug nehmen. In Oberlech bestand beispielsweise Bedarf an osteologischen und zahnmedizinischen Vorträgen, wir haben sogar einen Unfallchirurgen dabeigehabt, der uns etwas über die Frakturversorgung erzählt hat, weil Osteoporose eben auch eine Konsequenz einer Stoffwechselerkrankung ist. Die Organisatoren haben den Vorteil, dass sie Themen und Vortragende maßgeschneidert zusammenstellen und durch den Kontakt mit den Teilnehmern deren Fortbildungsbedarf berücksichtigen können.<br /> Diese Veranstaltungen sind daher hochqualitativ sowie punktgenau in der Fortbildung und kombinieren dies mit viel Lebensqualität. Die Faktoren Zeit, Lebensqualität und Work-Life-Balance werden immer wichtiger, sodass Ärzte zunehmend dazu bereit sind, für solche Fortbildungen zu bezahlen, um die notwendigen DFP-Punkte zu erhalten. Natürlich benötigen diese neuen Fortbildungsformate eine gewisse Anlaufzeit. Die Konkurrenz mit bereits bekannten und gut etablierten konventionellen Fortbildungen ist groß, daher sind die Organisatoren sehr gefordert; zudem müssen die neuen Formate in der Community kommuniziert werden. Insgesamt gesehen haben beide Formate ihre Berechtigung. Das Format ohne industrielle Unterstützung wird in Zukunft mehr und mehr eine Rolle spielen.</p> <p><strong>Wie steht es mit schriftlichen oder Onlinefortbildungen?</strong></p> <p><strong>B. Ludvik:</strong> Onlinefortbildungen haben ebenfalls absolut eine Berechtigung, denn es kann nicht jeder im niedergelassenen Bereich so viele Fortbildungsveranstaltungen besuchen. Wenn sie seriös durchgeführt ist, ist auch der Erkenntnisgewinn sehr groß, sodass man die DFPPunkte sinnvoll erwerben kann.</p> <p><em><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></em></p></p>