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Highlights der ÖDG-Frühjahrstagung 2015
Jatros
Autor:
Dr. Corina Ringsell
Quelle: 31. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, 24.–25. April, Villach
30
Min. Lesezeit
02.07.2015
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<p class="article-intro">Das Management diabetischer Komplikationen stand im Mittelpunkt der diesjährigen Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) in Villach. Die optimale Einstellung des Blutzuckers ist die wichtigste Maßnahme, um das Entstehen von Folgekrankheiten eines Diabetes mellitus zu vermeiden oder hinauszuzögern. Dennoch erleiden viele Diabetiker im Laufe ihres Lebens Endorganschäden, die einer ärztlichen Behandlung bedürfen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Füße von Diabetikern sollten regelmäßig kontrolliert werden.</li> <li>Bei Problemen mit häufigen Hypoglykämien ist an einen Wechsel zu neueren Substanzen zu denken.</li> <li>Die Zukunft hat begonnen: Die Nanotechnologie in der Diabetestherapie könnte einen immer höheren Stellenwert erlangen.</li> <li>Raucher sollten schrittweise und mit Verständnis zum Rauchstopp motiviert werden.</li> </ul> </div> <h2>Diabetischen Fuß zeitig erkennen und behandeln</h2> <p>Mit dem diabetischen Fuß, einer häufig auftretenden Folgekrankheit, befasste sich Dr. Gerd Köhler, Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz.<sup>1</sup> „Das Hauptproblem ist die sensible Neuropathie, denn die Patienten haben an den Füßen kein Schmerzempfinden mehr“, erklärte der Oberarzt der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel. Die gleichzeitig auftretende motorische Nervenstörung führe dazu, dass sich die Fußform verändere, vor allem im Bereich des Mittelfußes. Dies könne Probleme mit dem Schuhwerk auslösen. Die autonome Neuropathie sei zudem verantwortlich für eine trockene, empfindliche Haut, da sie die Funktion der Schweißdrüsen beeinträchtige. „Deshalb ist es wichtig, die Füße regelmäßig anzuschauen“, betonte er. Dazu gehört auch, die Angehörigen des Patienten entsprechend zu schulen. Köhler empfahl, bei Diabetespatienten mindestens einmal pro Jahr Fußkontrollen vorzunehmen und mit dem Stimmgabel- und dem Monofilament-Test die Hautsensibilität zu prüfen. Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) oder Ulzera sollten alle drei Monate untersucht werden. <br /> Ist es dennoch zu einer Wunde gekommen, so gilt: „Betreten verboten!“, sagte Köhler. Essenziell sei daher die Druckentlastung. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel den „total contact cast“ (TCC). Dabei handelt es sich um einen festen Kunststoffverband, der den Fuß und Teile des Unterschenkels umschließt und die Fußsohle entlastet. Spezielle Entlas­tungsschuhe sind ebenfalls geeignet. „Bei infizierten Wunden ist immer eine Erregerdiagnostik vorzunehmen, am besten anhand eines tiefen Wundabstrichs oder einer Gewebsbiopsie“, riet Köhler. Milde Infektionen, die nur die Kutis und Subkutis betreffen, könnten ambulant behandelt werden, seien bereits Knochen, Sehnen oder Gelenke betroffen und leide der Patient unter einer PAVK, sei die stationäre Therapie ratsam, und bei schweren systemischen Infektionen sowieso, betonte er.</p> <h2>Neue Substanzen – weniger Hypoglykämien</h2> <p>Der Hypoglykämie widmete sich Prof. Rudolf Prager, Krankenhaus Hietzing, Wien.<sup>2</sup> Die Zahl schwerer Hypoglykämien in der Notaufnahme habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen.<sup>3</sup> Dies sei auf die verbesserte Blutzuckereinstellung zurückzuführen, erklärte er. Von den derzeit verfügbaren Diabetesmedikamenten lösen vor allem Sulfonylharnstoffe und die Insuline diese Komplikation aus.<sup>4</sup> Bei den Sulfonylharnstoffen wird neuerdings auch eine Zunahme der kardiovaskulären Gesamtmortalität diskutiert.<sup>5</sup> Prager stellte neuere Substanzen vor, die mit einem geringeren Risiko für eine Unterzuckerung einhergehen, aber den Blutzucker genauso sicher senken wie die Sulfonylharnstoffe. Dazu gehören die DPP4-Hemmer aus der Gruppe der Inkretine.<sup>6</sup> <br /> Derzeit laufen Studien, die auch das kardiovaskuläre Risiko dieser Substanzen untersuchen. Ebenfalls zu den Inkretinen zählen die GLP-1-Analoga, bei denen es lediglich in Kombination mit Sulfonylharnstoffen zu Unterzuckerungen kommt (Abb. 1) und die ein sehr niedriges kardiovaskuläres Risiko bergen.<sup>7</sup> Die neuesten Substanzen sind die SGLT-2-Hemmer. Im direkten Vergleich mit einem Sulfonylharnstoff war der untersuchte SGLT-2-Hemmer in Bezug auf die Blutzuckersenkung zunächst unterlegen. Über eine Beobachtungszeit von vier Jahren kehrte sich dies aber um. Zudem führte der ­SGLT-2-Hemmer zu einer stabilen ­Gewichtsabnahme und Blutdruck­senkung. Gleichzeitig kam es seltener zu Hypoglykämien als bei dem Vergleichsmedikament.<sup>8</sup> Prager zog daraus den Schluss: „Die Zukunft wird den Substanzen gehören, die zu weniger Hypoglykämien führen und die Therapie des Typ-2-Diabetes erleichtern werden.“</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Diabetes_1503_Weblinks_Seite8.jpg" alt="" width="584" height="449" /></p> <h2>(Keine) Science-Fiction: Nanotechnologie</h2> <p>Einen Blick in die weiter entfernte Zukunft warf Univ.-Prof. Dr. Thomas ­Wascher, Hanusch-Krankenhaus, Wien.<sup>9</sup> Inzwischen findet eine in anderen Bereichen schon etablierte Technologie ihren Weg in die Diabetestherapie: die Nanotechnologie. Ein mögliches Einsatzgebiet sind bildgebende Methoden, die es erlauben, die Betazellmasse zu quantifizieren und das Ausmaß der Insulitis bei Typ-1-Diabetikern zu messen. Ein Beispiel ist das zurzeit experimentell genutzte SPION („superparamagnetic iron oxide nanopar­ticles") Imaging. Dabei werden Kontrastmittel eingesetzt, die biokompatible Eisen­oxidpartikel enthalten. Diese zerfallen zu Eisen und Sauerstoff und können im Pankreas Betazellen sowie Entzündungszellen sichtbar machen.<sup>10</sup> Dies werde in Zukunft die Risikoabschätzungen bei den Patienten erleichtern, ist Wascher überzeugt.<br /> Noch weiter in der Zukunft liegen Insu­line, die „wissen“, wie hoch der Blutzucker des Patienten ist, und dementsprechend wirken. Die Systeme bestehen aus Insulin, das in Nanopartikeln verpackt ist. Die Nanopartikel sind so kon­struiert, dass sie in Abhängigkeit vom Glukosegehalt ihrer Umgebung undicht werden und Insulin freisetzen. Sinkt der Glukosespiegel wieder, werden die Nanopartikel wieder undurchlässig für Insulin.10 Ziel sei es, das Hypoglykämierisiko zu senken, betonte Wascher.</p> <h2>Raucher zum Aufhören motivieren</h2> <p>Ganz im Hier und Jetzt war Dr. Helmut Brath, Diabetes- und Stoffwechsel­ambulanz, Gesundheitszentrum Wien Süd, mit seinem Thema „Motivation zur Tabakkarenz“.<sup>11</sup> „Jeder weiß, dass Rauchen schädlich ist. Das müssen wir nicht sagen.“ Besser sei es, eine persönliche Betroffenheit herzustellen, indem man zum Beispiel den Kohlenmonoxidwert in der Ausatemluft misst. Bei Werten unter 5ppm habe man sicher einen Nichtraucher vor sich. Für Werte bis 10ppm könnten auch Umweltbelas­tungen verantwortlich sein. Dagegen zeigen Werte über 10ppm sicher einen Raucher an. Brath rät, die Entwöhnung schrittweise anzugehen. <br /> Bei einem Raucher, der zufrieden mit seinem Verhalten ist, sind die Chancen gering, dass eine Entwöhnung dauerhaft erfolgreich ist. Ist der Raucher jedoch selbst unzufrieden und möchte mit dem Rauchen aufhören, dann sollte man ihm eine Entwöhnung anbieten. Dazu sei Verständnis nötig, so Brath, denn bei jeder Veränderung durchläuft man fünf Stadien. Zuerst steht der Schock, dann die Verneinung des Sachverhalts. Daraus entwickelt sich zunächst eine rationale Einsicht, dann die emotionale Einsicht. Erst danach kann man schrittweise sein Verhalten ändern. Wichtig sei, das Thema aktuell zu halten. Selbst wenn der Patient zunächst eine Raucherentwöhnung ablehnt, sollte man sie erneut ansprechen und auch hin und wieder das Kohlenmonoxid messen.<br /> Bei einem Raucher, der zufrieden mit seinem Verhalten ist, sind die Chancen gering, dass eine Entwöhnung dauerhaft erfolgreich ist. Ist der Raucher jedoch selbst unzufrieden und möchte mit dem Rauchen aufhören, dann sollte man ihm eine Entwöhnung anbieten. Dazu sei Verständnis nötig, so Brath, denn bei jeder Veränderung durchläuft man fünf Stadien. Zuerst steht der Schock, dann die Verneinung des Sachverhalts. Daraus entwickelt sich zunächst eine rationale Einsicht, dann die emotionale Einsicht. Erst danach kann man schrittweise sein Verhalten ändern. Wichtig sei, das Thema aktuell zu halten. Selbst wenn der Patient zunächst eine Raucherentwöhnung ablehnt, sollte man sie erneut ansprechen und auch hin und wieder das Kohlenmonoxid messen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 31. Frühjahrstagung der Österreichischen
Diabetes Gesellschaft, 24.–25. April, Villach
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Köhler G: State of the Art im Management des dia­betischen Fußes. 31. Frühjahrstagung der Österrei­chischen Diabetes Gesellschaft, Sitzung 6: Moderne Ansätze in der Therapie von diabetischen Komplika­tionen. 25. April 2015, Villach<br /><strong>2</strong> Prager R: Die Hypoglykämie als Motor der Innovation in der Diabetestherapie. 31. Frühjahrstagung der ­Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Sitzung 4: Komplikationen der Therapie. 24. April 2015, Villach<br /><strong>3</strong> Holstein A et al: Substantial increase in incidence of severe hypoglycemia between 1997-2000 and 2007-2010: a German longitudinal population-based study. Diabetes Care 2012; 35: 972-975<br /><strong>4</strong> Inzucchi SE et al: Management of hyperglycemia in type 2 diabetes, 2015: a patient-centered approach: update to a position statement of the American ­Diabetes Association and the European Association for the Study of Diabetes. Diabetes Care 2015; 38: 140-149<br /><strong>5</strong> Forst T et al: Association of sulphonylurea treatment with all-cause and cardiovascular mortality: a systema­tic review and meta-analysis of observational studies. Diab­ Vasc Dis Res 2013; 10: 302-314<br /><strong>6</strong> Gallwitz B et al: Linagliptin has similar efficacy to glime­piride but improved cardiovascular safety over <br />2 years in patients with type 2 diabetes inadequately controlled on metformin. Abstract 39-LB, American Diabetes Association, 71. Scientific Sessions, 24.–28. Juni 2011, San Diego<br /><strong>7</strong> Paul SK et al: The association of the treatment with glucagon-like peptide-1 receptor agonist exenatide or insulin with cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes: a retrospective observational study. Cardiovasc Diabetol 2015; 14: 10<br /><strong>8</strong> Langkilde A et al: Durability of dapagliflozin vs glipizide as add-on therapies in type 2 diabetes inade­quately con­trolled on metformin: 4-year data. ­Abstract 936, EASD, 49. Annual Meeting, 23.–27. September 2013, Barcelona<br /><strong>9</strong> Wascher TC: Zukunft der medikamentösen Therapie von Endorganerkrankungen. 31. Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Sitzung 6: Moderne Ansätze in der Therapie von diabetischen Komplikationen. 25. April 2015, Villach<br /><strong>10</strong> Veiseh O et al: Managing diabetes with nanomedicine: challenges and opportunities. Nat Rev Drug Discov 2015; 14: 45-57<br /><strong>11</strong> Brath H: Motivation zur Tabakkarenz. 31. Frühjahrs­tagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Sitzung 7: Einfache Werkzeuge für die Verbesserung des Managements. 25. April 2015, Villach</p>
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