© Getty Images

Xerosis cutis – gar (k)ein trockenes Thema

<p class="article-intro">Beinahe jeder Dritte im Alter von 16 bis 70 Jahren leidet an einer Xerosis cutis, Pflegebedürftige sind in noch höherem Ausmass betroffen. Um die hydrolipidarme Haut adäquat behandeln zu können, ist es wichtig, deren natürliche Barrierefunktion und Mechanismen zur Feuchtigkeits regulation zu verstehen. Die Therapieempfehlung inkludiert dann meist Urea-haltige Pflegeprodukte, orientiert sich aber auch an Patienten-spezifischen Bedürfnissen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Xerosis cutis ist eine hochpr&auml;valente und Lebensqualit&auml;ts-relevante Erkrankung.</li> <li>Patienten w&uuml;nschen sich eine Behandlung, brauchen dazu aber eine Anleitung.</li> <li>Reine Fette schaden &ndash; Oliven&ouml;l pur vermeiden!</li> <li>Urea ist der Goldstandard f&uuml;r die Befeuchtung der Haut.</li> <li>Die Gesichtshaut gew&ouml;hnt sich rasch an R&uuml;ckfettung, im Gegensatz zu Extremit&auml;ten und Stamm.</li> </ul> </div> <p>Ein entscheidendes Charakteristikum der Haut ist ihre F&auml;higkeit, eine Barriere zu bilden, sowohl als Schutz vor sch&auml;dlichen exogenen Substanzen als auch zur Verhinderung von Wasserverlust und Austrocknung. Dabei spielt nicht nur die Lipid-Protein-Struktur der obersten Schicht der Epidermis (Stratum corneum, Hornhaut), sondern vor allem auch interzellul&auml;re Tight Junctions, z.B. mittels des Proteins Claudin-1, eine Rolle. Das sogenannte &laquo;Backstein-M&ouml;rtel-Modell&raquo; beschreibt recht treffend das Stratum corneum, welches aus Korneozyten (&laquo;Backsteine&raquo;) und extrazellul&auml;ren Lipiden (&laquo;M&ouml;rtel&raquo;) besteht. Denn zwischen den Korneozyten befindet sich ein interzellul&auml;rer Spalt im Nanome terbereich, welcher durch Lipide wie Ceramide und Fetts&auml;uren aufgef&uuml;llt wird. Somit ergibt sich die Lipidbarriere der Haut. Diese wird beeinflusst von der Dicke des Stratum corneum, der Anzahl der Lipid&shy; Membranen, der Membranstruktur sowie der Lipidzusammensetzung. Doch es gibt auch andere Barrieresysteme der Haut, z. B. Melanin gegen UV-Strahlung oder Defensine und Cathelicidine gegen Mikroben.</p> <h2>Mechanismen zur Feuchtigkeitsregulation</h2> <p>Die Regulation der Hautfeuchtigkeit erfolgt durch Schweiss oder transepidermalen Transport, passive Evaporation (&laquo;transepidermal water loss&raquo;, TEWL) und die Wasserbindung des Stratum corneum. Da die Hornhaut einen Wassergradienten nach aussen aufweist, kommt es automatisch zu einem Feuchtigkeitsverlust. Die Gruppe der &laquo;natural moisturizing factors&raquo; (NMF) sind aufgrund ihrer hydrophilen Eigenschaften in der Lage, Wasser an der Hautoberfl&auml;che zu binden. Zu ihnen z&auml;hlen unter anderem Urea und Aminos&auml;uren wie die Pyroglutamins&auml;ure (PCA; 2 % des Trockengewichts des Stratum corneum!). Auch das Protein Filaggrin ist hier von Bedeutung, da es in den &auml;usseren Schichten des Stratum corneum zu ebensolchen Aminos&auml;uren degradiert wird und so f&uuml;r eine optimale Hautbefeuchtung wesentlich ist. Zudem tr&auml;gt es zu einer stabilen Barriere in den inneren Schichten des Stratum corneum bei, indem es das im Zytoskelett vorkommende Keratin bindet, wodurch die charakteristischen Korneozyten entstehen.</p> <h2>Definition und &Auml;tiologie</h2> <p>Fast 30 % der 16&ndash;70-&shy;J&auml;hrigen leiden an einer Xerosis cutis, unter Pflegebed&uuml;rftigen ist der Anteil nochmals erh&ouml;ht. Bei dieser dermatologischen Diagnose handelt es sich um einen hyrodlipidarmen Hautzustand mit verminderter Quantit&auml;t und/oder Qualit&auml;t von Lipiden und/oder hydrophilen Substanzen (NMF). Die St&ouml;rung der nat&uuml;rlichen Barrierefunktion und/oder ein Mangel an Feuchthaltefaktoren f&uuml;hren zu einer verminderten Hauthydratation, welche sich in subjektiven (Spannungsgef&uuml;hl, Pruritus) und objektiven (trockene, schuppende, raue und glanzlose Haut, Fissuren, mangelnde Flexibilit&auml;t) Symptomen &auml;ussert . Trockenheit ist jedoch nur ein Aspekt der betroffenen Haut. Wichtig ist es, in der klinischen Manifestation zwischen rauer vs. glatte, trockener vs. hydrierte und asteatotischer vs. seborrhoische Haut zu unterscheiden. Charakteristisch ist vor allem die Schuppenbildung, da der Desquamationsprozess der Haut gest&ouml;rt ist.</p> <p>Sowohl exogene als auch endogene Faktoren k&ouml;nnen an der Entstehung einer Xerosis cutis beteiligt sein. Zu den exogenen Faktoren z&auml;hlen:</p> <ul> <li>Umweltfaktoren: Temperaturschwankungen (Heizung, Klimaanlange), K&auml;lte, niedrige Luftfeuchtigkeit, z. B. durch trockene Heizungsluft</li> <li>Berufliche Faktoren: Feuchtarbeit, Kontakt mit hautsch&auml;digenden Stoffen, z. B. bei Friseusen</li> <li>Waschverhalten: langes, heisses, sehr h&auml;ufiges Duschen oder Baden, Verwendung von alkalischen Seifen und Reinigungsmitteln</li> </ul> <p>Als endogene Faktoren sind folgende bekannt:</p> <ul> <li>Dermatologische Erkrankungen: Atopisches/andere Ekzeme, Ichthyosen, &hellip;</li> <li>Internistische Probleme: Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, Hepatopathien, Malabsorption, Hypothyreose, Neoplasien, &hellip;</li> <li>Psychiatrische Erkrankungen: Waschzwang, Anorexie, Abusus</li> <li>Ern&auml;hrung: geringe Fl&uuml;ssigkeitsaufnahme, Hypovitaminose</li> <li>Medikamente: Retinoide, Steroide, Diuretika, Lipidsenker, &hellip;</li> </ul> <h2>Therapiekonzepte</h2> <p>Laut einer von &Auml;rzten an der Inneren Medizin des Universit&auml;tsspitals Z&uuml;rich an 200 station&auml;ren Patienten durchgef&uuml;hrten Studie (Goeksu et al., 2011) litten 64 % an einer Xerosis cutis. Der Wunsch einer entsprechenden Behandlung war sehr gross, &auml;hnlich wie bei anderen juckenden Dermatosen.<br /> Die Verringerung der Hautbarriere im Zuge einer Xerosis cutis erh&ouml;ht nachweislich das Risiko f&uuml;r Entz&uuml;ndungen (asteatotisches Ekzem, Eczema craquel&eacute;). Umso wichtiger ist eine ad&auml;quate Behandlung. Zur nachhaltigen Linderung ist eine stabile Verschiebung der Feuchtigkeits&shy;Hom&ouml;ostase notwendig, durch okklusive Behandlungen, welche die Evaporation der Feuchtigkeit reduzieren, und Applikation wasserbindender Substanzen im Sinne der NMF wie Urea oder Lactat. Reine Fette wie Oliven&ouml;l bringen zwar eine sofortige Symptomreduktion, stellen jedoch keine nachhaltige Behandlungsalternative dar. Tabelle 1 schafft einen &Uuml;berblick &uuml;ber Behandlungskonzepte und entsprechende Therapeutika je nach klinischer Manifestation. Ein grunds&auml;tzlicher Therapiealgorithmus umfasst die Reinigung des Stammes und der Glieder mit lipophilen, Urea&shy; oder Glyzerin&shy;haltigen Produkten (pH 4&ndash;5) maximal 1x t&auml;glich, intertrigin&ouml;s mit milden Syndets 1x t&auml;glich (ebenfalls pH 4&ndash;5) sowie die Pflege des Stammes und der Glieder sofort nach dem Waschen mit lipophilen, 5 % &shy;Urea&shy;haltigen Produkten 2x t&auml;glich (intertrigin&ouml;s nicht notwendig) sowie Applikation von Menthol oder Polidocanol zur Juckreizlinderung. Individuelle Faktoren, wie &Uuml;bergewicht, Inkontinenz oder Hyperhidrose, m&uuml;ssen nat&uuml;rlich in die Therapieentscheidung miteinbezogen werden.<br /> Interessanterweise scheint sich die Haut des Gesichtes rascher an R&uuml;ckfettung mit Pflegeprodukten zu gew&ouml;hnen als Extremit&auml;ten und Stamm, was die t&auml;gliche Applikation von Tagescremen, wie sie von 90 % der Frauen durchgef&uuml;hrt wird, obsolet machen d&uuml;rfte.<br /> Im Rahmen einer Xerosis cutis kann es zu tiefen, spaltf&ouml;rmigen und oft schmerzhaften Einrissen der Haut (Rhagaden) kommen, z.B. an den Fersen oder Mundwinkeln. Diese k&ouml;nnen durch Fl&uuml;ssigklebstoffe wie Ethylcyanacrylat versiegelt werden, welche rasch auspolymerisieren, wenn sie mit Feuchtigkeit in Kontakt kommen. Allerdings gilt es stets zu beachten, dass Schwachstellen neben der verschlossenen Rhagade bestehen bleiben, welche prophylaktisch einer r&uuml;ckfeuchtenden Behandlung unterzogen werden sollten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s31_tab1_navarini.jpg" alt="" width="500" height="176" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
Back to top