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OEADF 2019

Trichoskopie in der nicht invasiven Diagnostik von Haar- und Kopfhauterkrankungen

<p class="article-intro">Die Trichoskopie (auflichtmikroskopische Untersuchung von Haaren und Kopfhaut) wird immer öfter in der dermatologischen Routinediagnostik von Haar- und Kopfhauterkrankungen eingesetzt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Untersuchung einfach durchführbar ist und ohne besondere Hilfsmittel auskommt. Richtungsweisende diagnostische Befunde können mit geringem Zeitaufwand erhoben werden. Die Methode ist nicht invasiv und schmerzlos, weshalb sie von den Patienten gut akzeptiert wird.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Trichoskopie erlaubt eine rasche, schmerzlose Diagnostik bei Haar- und Kopfhauterkrankungen.</li> <li>Neben den h&auml;ufigen Haarausfallserkrankungen k&ouml;nnen auch Erkrankungen der Kopfhaut, Infestationen und (genetische) Haarschaftver&auml;nderungen diagnostiziert werden.</li> <li>Die erhobenen Befunde sollten immer in Zusammenschau mit Patientengeschichte, klinischem Befund und Haarzugtest beurteilt werden.</li> </ul> </div> <p>Die klinische Diagnose von Haar- und Kopfhauterkrankungen kann besonders in fr&uuml;hen Stadien und bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener Haarerkrankungen eine gro&szlig;e Herausforderung darstellen. Die Trichoskopie erm&ouml;glicht in Erg&auml;nzung zu Anamnese, klinischer Untersuchung und Haarzugtest eine weiterf&uuml;hrende Untersuchung von Haarsch&auml;ften, Haarfollikel&ouml;ffnungen und interfollikul&auml;rer Kopfhaut.<br /> F&uuml;r die trichoskopische Untersuchung ist in der Regel ein einfaches Handdermatoskop ausreichend (10 -fache Vergr&ouml;&szlig;erung).<sup>1</sup> Die Videodermatoskopie erm&ouml;glicht durch st&auml;rkere Vergr&ouml;&szlig;erung (bis 140 x) eine bessere Beurteilung von Blutgef&auml;&szlig;en und Haarschaftver&auml;nderungen und kann daher besonders bei entz&uuml;ndlichen Kopfhauterkrankungen oder Vorliegen von (genetischen) Haarschaftanomalien hilfreich sein. Der gro&szlig;e Vorteil der Videodermatoskopie liegt aber vor allem in der M&ouml;glichkeit zur Dokumentation und Verlaufskontrolle von Haarerkrankungen unter Therapie. Zudem werden von einigen Herstellern Softwareprogramme zur Haaranalyse angeboten. Diese erlauben neben der Erstellung eines digitalen Trichogramms (Beurteilung der Anagen/ Telogen-Ratio) unter anderem auch die Messung von Haardichte, Haardicke und der Vellus-/Terminalhaar-Ratio unter Therapie.</p> <h2>Anwendungsgebiete</h2> <p>Am h&auml;ufigsten kommt die Trichoskopie in der Diagnostik von Haarausfallserkrankungen zum Einsatz.<sup>2</sup> Die gemeinsame Beurteilung von Haarwuchsmuster, Haarschaft- und Kopfhautver&auml;nderungen erlaubt in Zusammenschau mit Anamnese, klinischem Befund und Haarzugtest in der Mehrzahl der F&auml;lle eine nicht invasive Diagnose von klinisch &auml;hnlichen Haarausfallserkrankungen. Die Trichoskopie hat aus diesem Grund das schmerzhafte und aufwendige Trichogramm in der Haardiagnostik nahezu vollst&auml;ndig verdr&auml;ngt.<sup>3</sup> In Einzelf&auml;llen, wie etwa beim &bdquo;loose anagen hair syndrome&ldquo; und seltenen genetischen Haarschafterkrankungen, kann jedoch eine lichtmikroskopische Untersuchung der Haare sinnvoll sein.<br /> Die Trichoskopie ist auch bei der Diagnose von Erkrankungen der Kopfhaut ohne Haarbeteiligung hilfreich, zum Beispiel bei der Abgrenzung einer Kopfhautpsoriasis von einer seborrhoischen Dermatitis aufgrund der unterschiedlichen Gef&auml;&szlig;morphologie. Daneben k&ouml;nnen Kopflausinfestationen rasch und einfach nachgewiesen werden. Zuletzt erm&ouml;glicht die Trichoskopie die Darstellung der meisten erworbenen und genetischen Haarschaftver&auml;nderungen, wie zum Beispiel der Trichorrhexis nodosa beim Netherton-Syndrom.</p> <h2>Untersuchungsablauf</h2> <p>W&auml;hrend der Untersuchung sollten alle Kopfhautareale beurteilt werden, die Temporalregion ist wegen der im Vergleich zur restlichen Kopfhaut bereits prim&auml;r vorliegenden geringeren Haardichte zur Beurteilung diffuser Haarausfallserkrankungen nicht geeignet.<sup>4</sup> Liegt ein fokaler Haarverlust vor, sollte sowohl das Zentrum des alopezischen Herdes als auch der Randbereich untersucht werden. Wegen des &uuml;blicherweise zentrifugalen Voranschreitens fokaler Haarausfallserkrankungen k&ouml;nnen im aktiven Randbereich zumeist richtungsweisende Ver&auml;nderungen gefunden werden, auch wenn sich im zentralen, haarlosen Bereich ein unspezifischer Befund findet. Im Falle der zumeist fokal auftretenden vernarbenden Alopezien kann eine zentral vorliegende Fibrosierung mit konsekutivem Verlust von Follikel&ouml;ffnungen aber ebenfalls einen wichtigen Hinweis auf die Krankheitsgenese geben.<br /> Bei der auflichtmikroskopischen Untersuchung empfiehlt es sich, zun&auml;chst polarisiertes Licht zu verwenden und auf ein Immersionsmedium zu verzichten, da helle und nicht pigmentierte Haare ebenso wie Schuppen durch Verwendung von Immersionsmedien transluzent werden. Sie kommen dann nicht oder unzureichend zur Darstellung, wodurch wichtige Befunde &uuml;bersehen werden k&ouml;nnen. F&uuml;r die Untersuchung der Kopfhaut ist die Verwendung eines Immersionsmediums jedoch von Vorteil, zum Beispiel zur besseren Darstellung der Gef&auml;&szlig;morphologie bei erythematosquam&ouml;sen Erkrankungen der Kopfhaut.<br /> Liegt ein trichoskopischer Normalbefund vor, finden sich gleichm&auml;&szlig;ig verteilte Haarfollikel&ouml;ffnungen, aus denen &uuml;blicherweise 2&ndash;3 Terminalhaare ragen (follikul&auml;re Einheit).<sup>5</sup> Die Haarschaftdicke ist im Bereich der gesamten Kopfhaut in der Mehrzahl der Haare konstant (&gt; 80 %) und das Verh&auml;ltnis von Terminal- und Vellushaaren betr&auml;gt etwa 8:1. Die Kopfhaut erscheint glatt und blassrosa, wobei sich einzelne Gef&auml;&szlig;e als feine, Haarnadel-f&ouml;rmige Strukturen (Kapillaren der dermalen Papillen) und arborisierende Linien gr&ouml;&szlig;eren Durchmessers (subpapill&auml;rer Gef&auml;&szlig;plexus) darstellen. Ein honigwabenartiges Muster im Bereich der Kopfhaut (&auml;hnlich dem Pigmentnetzwerk melanozyt&auml;rer N&auml;vi) liegt bei dunklen Hauttypen als Normalbefund vor und kann bei hellen Hauttypen ein Hinweis auf eine chronische Sonnenexposition sein.</p> <h2>Fallbeispiele aus der Routine</h2> <p>Der Nutzen der Trichoskopie in der Routinediagnostik soll im Folgenden anhand von zwei Fallbeispielen mit anschlie&szlig;ender Diskussion veranschaulicht werden.</p> <p>Eine 44-j&auml;hrige Patientin wird wegen starken Haarausfalls, der seit einem Jahr besteht, in unserer Ambulanz vorstellig, da sie bef&uuml;rchtet, bald kahl zu sein (Abb. 1A&ndash; C). Es bestehen keine Grunderkrankungen, weshalb die Patientin keiner Dauermedikation bedarf, und alle laborchemisch erhobenen Befunde sind unauff&auml;llig. Klinisch ist keine Haarlichtung zu erkennen, obwohl die Patientin glaubhaft versichert, dass das Haarvolumen abgenommen habe (Abb. 1A). Auflichtmikroskopisch zeigt sich in allen Kopfhautarealen ein unauff&auml;lliger Befund (Abb. 1B), der Haarzugtest ist jedoch positiv (Abb. 1C).<br /> <em>Diagnose:</em> Idiopathisches chronisches Telogeneffluvium</p> <p>Eine 59-j&auml;hrige Patientin berichtet &uuml;ber starken Haarausfall seit 4 Wochen (Abb. 1D&ndash;F). Sie habe vor 3 Monaten an einer schweren Gastritis gelitten und nehme wegen ihres erh&ouml;hten Blutdrucks seit Jahren ein Antihypertensivum. Die Laboruntersuchungen sind bis auf gering erh&ouml;hte Leberfermente unauff&auml;llig. Klinisch zeigt sich eine am Oberhaupt betonte Haarlichtung (Abb. 1D). In der Trichoskopie finden sich in diesem Bereich eine deutliche Varianz der Haarschaftdicke und ein &Uuml;berwiegen von Follikel&ouml;ffnungen, aus denen nur ein Terminalhaar austritt (Abb. 1E), w&auml;hrend okzipital ein Normalbefund vorliegt. Der Haarzugtest ist in allen Kopfhautarealen positiv, am deutlichsten im Bereich des Oberhauptes (Abb. 1F).<br /> <em>Diagnose:</em> Akutes Telogeneffluvium bei vorbestehender androgenetischer Alopezie</p> <p>Beide Patientinnen berichten &uuml;ber einen diffusen Haarausfall, der am h&auml;ufigsten beim Telogeneffluvium, seltener bei der diffusen Alopezia areata und in aktiven Phasen einer androgenetischen Alopezie zu finden ist.<br /> Bei der klinischen Untersuchung der ersten Patientin fehlt eine objektivierbare Haarlichtung, obwohl der Haarzugtest positiv ist. In Verbindung mit der angegebenen Dauer des verst&auml;rkten Haarverlustes sprechen diese Befunde bei Fehlen von Laborver&auml;nderungen und einer negativen Medikamentenanamnese f&uuml;r das Vorliegen eines idiopathischen chronischen Telogeneffluviums. Diese Annahme kann durch den Nachweis eines Normalbefundes in der Trichoskopie best&auml;tigt werden; fehlende Haarschaftver&auml;nderungen und unauff&auml;llige follikul&auml;re Einheiten schlie&szlig;en eine (zus&auml;tzlich) bestehende Alopezia areata diffusa oder androgenetische Alopezie aus. Die Patientin kann also beruhigt werden, ein Kahlwerden ist auch ohne weitere Therapie nicht zu erwarten. Lediglich eine leichte Ausd&uuml;nnung im Schl&auml;fenbereich kann im Verlauf h&auml;ufiger auftreten.<br /> Bei der zweiten Patientin zeigt die klinische Untersuchung eine am Oberhaupt betonte Haarlichtung. Dieses Haarausfallsmuster l&auml;sst prim&auml;r an eine androgenetische Alopezie (weiblicher Typ) denken, bei der in aktiven Phasen kurzzeitig ein vermehrter Haarverlust auftreten kann. Neben der androgenetischen Alopezie kann auch die Alopezia areata diffusa eine st&auml;rkere Auspr&auml;gung in Androgen-abh&auml;ngigen Arealen zeigen. Schlie&szlig;lich kommt, auch wegen der anamnestischen Angaben, ein (zus&auml;tzliches) Telogeneffluvium infrage.<br /> Beim Haarzugtest lassen sich in allen Kopfhautarealen vermehrt Telogenhaare ausziehen, dies spricht am ehesten f&uuml;r das Vorliegen eines Telogeneffluviums oder einer diffusen Alopezia areata; bei der androgenetischen Alopezie ist w&auml;hrend aktiver Phasen nur in den Androgen-abh&auml;ngigen Arealen ein positiver Haarzugtest zu erwarten.<br /> In der auflichtmikroskopischen Untersuchung finden sich als Korrelat der klinischen Haarlichtung am Oberhaupt Zeichen der progressiven Miniaturisierung von Haarfollikeln unter dem Einfluss von Dihydrotestosteron.<sup>6</sup> Der Haarbefund im Bereich nicht Androgen-abh&auml;ngiger Areale (Okziput) ist bei der Patientin unauff&auml;llig.<br /> Das Vorliegen eines positiven Haarzugtests auch in nicht Androgen-abh&auml;ngigen Arealen spricht gemeinsam mit der Anamnese und den f&uuml;r eine androgenetische Alopezie typischen Haarver&auml;nderungen am Oberhaupt f&uuml;r das Vorliegen eines akuten Telogeneffluviums bei vorbestehender androgenetischer Alopezie. Der Patientin wird die Einleitung einer Therapie mit topischem Minoxidil empfohlen, die auch nach Abklingen des verst&auml;rkten Haarausfalls fortgef&uuml;hrt werden sollte.<br /> Die Trichoskopie zeigt also bei beiden Patientinnen charakteristische Befunde, die in Zusammenschau mit Anamnese, Klinik und Haarzugtest eine eindeutige Diagnose und entsprechende Beratung bzw. Therapieempfehlung erlauben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Derma_1902_Weblinks_jatros_derma_1902_s25_abb1.jpg" alt="" width="650" height="613" /></p> <h2>Fazit f&uuml;r die Praxis</h2> <p>Die Trichoskopie erweist sich als einfach durchf&uuml;hrbare diagnostische Methode bei Haar- und Kopfhauterkrankungen und ist daher f&uuml;r die Routinediagnostik geeignet. Die erhobenen Befunde sollten immer in Zusammenschau mit Patientengeschichte, klinischem Befund und Haarzugtest beurteilt werden. Eine weiterf&uuml;hrende bioptische oder laborchemische Untersuchung kann zus&auml;tzlich erforderlich sein.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Karadağ K&ouml;se &Ouml; et al.: Clinical evaluation of alopecias using a handheld dermatoscope. J Am Acad Dermatol 2012; 67(2): 206-14 <strong>2</strong> Inui S: Trichoscopy for common hair loss diseases: Algorithmic method for diagnosis. J Dermatol 2011; 38(1): 71-5 <strong>3</strong> Galliker NA, Tr&uuml;eb RM: Value of trichoscopy versus trichogram for diagnosis of female androgenetic alopecia. Int J Trichology 2012; 4(1): 19-22 <strong>4</strong> Mubki T et al.: Evaluation and diagnosis of the hair loss patient: part I. History and clinical examination. J Am Acad Dermatol 2014; 71(3): 415.e1-15 <strong>5</strong> Rakowska A: Trichoscopy (hair and scalp videodermoscopy) in the healthy female. Method standardization and norms for measurable parameters. J Dermatol Case Rep 2009; 3(1): 14-9 <strong>6</strong> Rakowska A et al.: Dermoscopy in female androgenic alopecia: method standardization and diagnostic criteria. Int J Trichology 2009; 1(2): 123-30</p> </div> </p>
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