
Therapierefraktäre Dermatitis
Fallbericht zur Verfügung gestellt von:
Dr. med. Leo Richter
Ordination Dr. med. Richter in Wien und Baden
Österreich
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Seit mehr als 15 Jahren leidet ein Patient an einer schmerzenden Dermatitis der Fingerendglieder, die mit bisherigen Therapieversuchen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte. Die Diagnose kann anhand der Anamnese schnell gestellt werden. Die Crux liegt in der Therapiewahl: In der Literatur sind zwar mittlerweile zahlreiche Einzelfälle der seltenen Erkrankung beschrieben, die Behandlung ist dennoch nicht einfach und oft auch nicht zufriedenstellend, wie dieser Fallbericht zeigt.
Abb. 1: Eintrittsstatus: chronische, schmerzende Dermatitis der Finger, die seit ca. 15 Jahren besteht
Ein 72-jähriger Mann stellt sich in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand vor. Er ist Richter im Ruhestand und leidet seit seiner Kindheit an Psoriasis vulgaris, seit rund 15 Jahren sind seine Finger massiv von charakteristischen Veränderungen betroffen (Abb. 1), vor allem die ständigen Schmerzen verschlimmern den Leidensdruck zusehends. Die Anamnese ergibt ausserdem eine arterielle Hypertonie und eine Psoriasisarthritis.
Eintrittsstatus
Abb. 2: Bei der Vorstellung sind bereits alle Endglieder betroffen, unter den atrophischen Nägeln sondert sich Eiter ab
Die Veränderungen an den Fingern betreffen vor allem die Endglieder, die alle im Sinne einer Entzündung geschwollen, schmerzhaft und gerötet sind (Abb. 2A, 2B). Weiter fallen Schuppung, Erosionen und Rhagaden auf. Die Nägel sind dystroph mit weichem Nagelmaterial, beim Drücken auf die Nägel sondert sich Eiter ab. Laut dem Patienten waren zuerst einzelne Endglieder betroffen, die Beschwerden hätten sich dann sukzessive auf alle ausgebreitet. Aufgrund des klinischen Bildes kann die Diagnose Acrodermatitis continua suppurativa Hallopeau (ACSH) rasch gestellt werden. Um sicherzugehen, könnte man differenzialdiagnostisch noch einen chronischen Befall mit Candida albicans bzw. eine bakterielle Infektion mittels Abstrich ausschliessen.
Zur Erkrankung
Bei der Acrodermatitis continua suppurativa Hallopeau handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte, chronisch-rezidivierende und langsam fortschreitende Erkrankung der Epidermis. Charakteristisch sind kleine, sterile, pustulöse Ausbrüche an den Nägeln und der umgebenden Haut von Fingern und/oder Zehen, die zusammenwachsen, aufplatzen und dann erythematöse, atrophische Haut hinterlassen, auf der sich neue Pusteln entwickeln. Sehr oft tritt wie auch in diesem Fall eine Onychodystrophie auf. Die Erkrankung kann zu Nagelverlust und Destruktion der distalen Phalangen führen. Derzeit liegen keine standardisierten Empfehlungen für die Behandlung der Acrodermatitis continua suppurativa vor.
Vergangene Therapieversuche
Als erste Therapie wurde an einer anderen Ambulanz mit der oralen Gabe des Retinoids Acitretin begonnen, anfangs in einer Dosierung von 25mg täglich, dann wurde die Dosis auf 35mg täglich erhöht. Weiter hatte der Patient bereits eine Photochemotherapie (PUVA; Kombination von Psoralenen mit UV-A) kombiniert mit Methotrexat hinter sich, die in mittelschweren bis schweren Fällen der Acrodermatitis continua suppurativa Hallopeau als Therapie der 1. Wahl gilt. Alle diese Massnahmen haben jedoch keine Besserung gebracht.
Weitere Therapie
Abb. 3:Status nach Therapie: Der Patient ist erscheinungsfrei und auch die Arthritis konnte unter Kontrolle gebracht werden
Der Einsatz von Biologika ist nach einer erfolglosen Therapie mit Retinoiden naheliegend. In der Literatur gibt es zahlreiche Einzelfallberichte von ACSH, die mit Biologika behandelt wurden, wobei die meisten Fallberichte zu TNF-Blockern existieren. Die Behandlung der Acrodermatitis coninua suppurativa mit Etanercept, allein oder in Kombination mit anderen Medikamenten wie Acitretin, hat zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Ein gutes Ansprechen bei ACH wurde hingegen für Adalimumab berichtet. Secukinumab, ein IL-17A-Blocker, konnte bislang ebenfalls erfolgreich eingesetzt werden. Daher kommen in diesem konkreten Fall sowohl Adalimumab als auch Secukinumab in die engere Auswahl der angezeigten Therapeutika, wobei sich die behandelnden Ärzte letztlich für eine Behandlung mit Adalimumab entscheiden. Das Ergebnis kann sich im wahrsten Wortsinn «sehen lassen»: Der Patient, der vorher 15 Jahre unter der schmerzhaften Symptomatik gelitten hatte, ist praktisch erscheinungsfrei (Abb. 3). Zusätzlich wird mithilfe der Therapie auch die Psoriasisarthritis unter Kontrolle gebracht. Die Lebensqualität verbessert sich dadurch massiv. Bei den meisten Fingern, wenn auch nicht bei allen, wachsen unter der Biologikatherapie sogar die Fingernägel nach.
Bleiben wir neugierig für 2024!
Die Abendvisite ist ein Veranstaltungsformat, das durch einen hohen Praxisbezug überzeugt. Gleichzeitig sind wir bestrebt, den aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung in den medizinischen Praxisalltag zu transferieren. In zahlreichen Ausgaben konnten wir bereits so unterschiedliche Themenfelder aufgreifen wie das professionelle Bauchgefühl (3/23) oder die Anamnese bei chronischen Hauterkrankungen wie der Prurigo nodularis (4/23).
Bestärkt durch das positive Feedback der Teilnehmenden haben wir uns entschieden, die Abendvisite auch im Jahr 2024 weiterzuführen.
Als Teilnehmende der Abendvisite, aber auch als Leser der Print- und/oder Online-Ausgabe dürfen Sie sich also auch 2024 wieder auf interessante Fälle, spannende wissenschaftliche Hintergründe und wertvolle Hinweise für die Umsetzung im eigenen Praxisalltag freuen!
Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Alexander Navarini, wissenschaftlicher Leiter
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