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Berufsdermatosen

Neues aus der österreichischen Berufsdermatologie

<p class="article-intro">Berufskrankheiten der Haut sowie deren Prävention und Behandlung stehen aktuell im Fokus eines neuen Konzeptes, welches in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz von der AUVA umgesetzt wird. Bereits in der letzten Ausgabe wurde nach einem Interview mit Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie des LKH-Universitätsklinikums Graz und Dr. Roswitha Hosemann, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA von einem neuen Maßnahmenpaket zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen berichtet. Der aktuelle Artikel soll das neu eingeführte Modell und den Zugang hierzu für Patienten und behandelnde Ärzte genauer erläutern.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>BK 19 &ndash; was ist das?</h2> <p>Als Berufskrankheiten im Sinne der Unfallversicherung gelten die in &sect;&nbsp;177 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, wenn sie durch Aus&uuml;bung der die Versicherung begr&uuml;ndenden Besch&auml;ftigung verursacht sind. Hautkrankheiten gelten nur dann als Berufskrankheiten, wenn und solange sie zur Aufgabe sch&auml;digender T&auml;tigkeiten zwingen.<sup>2</sup> <br />Ein Gro&szlig;teil der Versicherten, welche mit Verdacht auf BK 19 Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen in Anspruch nehmen, leidet an Kontaktekzemen der H&auml;nde irritativer, allergischer oder h&auml;ufig gemischter Genese.</p> <h2>Wer ist betroffen? &ndash; Hochrisikogruppen</h2> <p>Insgesamt wurden der AUVA in den Jahren 2011 bis 2015 3.022 Versicherte mit Verdacht auf BK 19 gemeldet. <br />Der Beruf der Friseure und Kosmetiker, Metall- und Reinigungsberufe sowie Bau- und Baunebengewerbe, Gesundheitsberufe und Lebensmittelbranche z&auml;hlen zu den am meisten gef&auml;hrdeten Berufsgruppen.<sup>3</sup> <br />Diesen Berufsgruppen gemeinsam sind der zeitlich h&ouml;here Anteil an Feuchtarbeit, der Kontakt mit Irritanzien und potenziellen Allergenen sowie die Notwendigkeit des Handschuhtragens w&auml;hrend der beruflichen T&auml;tigkeit. Im Rahmen einer Beitragsreihe zur Berufsdermatologie werden besondere Risikofaktoren f&uuml;r jede dieser Risikogruppen beschrieben werden.</p> <h2>Was ist neu?</h2> <p>Bisher gab es f&uuml;r diese Betroffenen keinen ganzheitlichen Ansatz zu Pr&auml;vention, Behandlung und Rehabilitation. Ohne ausreichende Koordination erfolgten Einzelma&szlig;nahmen in der Prim&auml;rpr&auml;vention durch die Arbeitsmedizin, die Behandlung der Beschwerden durch Dermatologen und gegebenenfalls Leistungen durch die AUVA in Form von Umschulung, Kuraufenthalten oder finanzieller Entsch&auml;digung. <br />Seit dem 1. Oktober 2015 entsteht in Kooperation von AUVA und der Medizinischen Universit&auml;t Graz ein neues, umfassendes Ma&szlig;nahmenpaket f&uuml;r die Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;vention von berufsbedingten Dermatosen. Als Vorlage hierzu diente in einigen Grundz&uuml;gen das in Deutschland hierf&uuml;r bereits seit vielen Jahren erfolgreich etablierte System. Insbesondere in der Sekund&auml;rpr&auml;vention existieren jedoch Unterschiede im Zugang zu Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen. Gerade dieser Zugang zu ersten Ma&szlig;nahmen der Sekund&auml;rpr&auml;vention sollte bereits bei ersten Anzeichen von berufsbedingten Hautver&auml;nderungen genutzt werden, um langwierige Verl&auml;ufe und drohenden Arbeitsplatzverlust bereits fr&uuml;hzeitig abwenden zu k&ouml;nnen.</p> <h2>Wann sollte eine BK-Anzeige gestellt werden?</h2> <p>Die Meldung auf Verdacht einer Berufskrankheit mittels &bdquo;BK-Anzeige&ldquo; an die AUVA ist n&ouml;tig, um das Pr&auml;ventionsverfahren einzuleiten und dem Versicherten Ma&szlig;nahmen der Pr&auml;vention zu erm&ouml;glichen. Dies kann sowohl durch den behandelnden Arzt, den Arbeitgeber als auch durch den Versicherten selbst erfolgen. <br />Prinzipiell ist jeder Arzt gesetzlich verpflichtet, bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit eine Berufskrankheiten-Anzeige zu stellen.<sup>4</sup> <br />Unabh&auml;ngig davon gilt jedoch im Sinne des Versicherten und des Arbeitsplatzerhalts der Grundsatz: &bdquo;Je fr&uuml;her, desto besser.&ldquo;</p> <h2>Und was passiert dann? &ndash; Konzepte der Sekund&auml;rpr&auml;vention</h2> <p>Versicherte aus der Steiermark werden nach erfolgter BK-Meldung und &Uuml;berpr&uuml;fung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu einer &bdquo;Hautsprechstunde&ldquo; in das Rehabilitationszentrum in Tobelbad bei Graz eingeladen. Versicherte aus dem Bundesland K&auml;rnten erhalten eine Einladung zu einer Hautsprechstunde im UKH Klagenfurt. <br />Im Rahmen dieser Hautsprechstunde erfolgt eine ausf&uuml;hrliche Anamneseerhebung mit dem Versicherten. Dabei ermittelt zuerst ein Arbeitsmediziner die relevanten Expositionen gegen&uuml;ber beruflichen Noxen und potenziellen Allergenen. Dies kann durch entsprechende Vorarbeit des Versicherten oder des behandelnden Arztes wesentlich effizienter und exakter gestaltet werden, z.B. wenn bereits Sicherheitsdatenbl&auml;tter relevanter Arbeitsstoffe mit der BK-Meldung mitgesendet oder vom Versicherten in die Hautsprechstunde mitgebracht werden. <br />Im zweiten Teil der Anamneseerhebung konzentriert sich ein Facharzt f&uuml;r Dermatologie auf die Auspr&auml;gung und den Verlauf der Hautver&auml;nderungen des Versicherten. Wichtige Anhaltspunkte sind hier der Zeitpunkt der Erstmanifestation, ein arbeitskongruenter Verlauf mit Besserung bzw. Abheilung in arbeitsfreier Zeit, z.B. im Urlaub, Auspr&auml;gung an beruflich exponierten Lokalisationen wie H&auml;nden und Unterarmen und das Auftreten nach Kontakt mit den vermuteten sch&auml;dlichen Arbeitsstoffen. Hilfreich hierf&uuml;r sind dokumentierte &auml;rztliche Vorbefunde und Ergebnisse bereits vorab durchgef&uuml;hrter diagnostischer Ma&szlig;nahmen. Auch au&szlig;erberufliche Risikofaktoren und vorbestehende Hauterkrankungen wie z.B. eine atopische Dermatitis werden hierbei erhoben. Anschlie&szlig;end erfolgen eine klinische Untersuchung und Fotodokumentation der Hautver&auml;nderungen. <br />Weiters k&ouml;nnen diagnostische Ma&szlig;nahmen wie z.B. Epikutantestungen im Rahmen der Hautsprechstunde in Einrichtungen der AUVA durchgef&uuml;hrt werden. Auswahl und Durchf&uuml;hrung dieser Ma&szlig;nahmen richten sich nach etablierten Leitlinien und Empfehlungen.<sup>5, 6</sup> Nach durchgef&uuml;hrter Diagnostik erh&auml;lt der Versicherte eine schriftliche Dokumentation in Form eines Allergiepasses. <br />Zum Abschluss dieser Hautsprechstunde wird der Versicherte zur weiteren Therapie wieder an den behandelnden niedergelassenen Arzt verwiesen. Ein zusammenfassender Arztbrief mit Therapievorschlag wird ihm mitgegeben. <br />Im n&auml;chsten Schritt kann der Versicherte zeitnah zu einem &bdquo;Intensivseminar&ldquo; eingeladen werden. Im Vordergrund stehen hier vor allem Wissensvermittlung und Verhaltenspr&auml;vention sowie die Auswahl einer an die individuellen Gegebenheiten und Bed&uuml;rfnisse angepassten &bdquo;pers&ouml;nlichen Schutzausr&uuml;stung&ldquo;, PSA. <br />In Kleingruppen wird den Versicherten durch &Auml;rzte, Gesundheitsp&auml;dagogen und Pflegepersonal praktisches Wissen zu Ursachen der Hautver&auml;nderungen, Risikofaktoren und deren Vermeidung im Alltag vermittelt. In praxisnahen Trainingseinheiten werden das richtige Verhalten bei hautbelastenden T&auml;tigkeiten und der korrekte Umgang mit der pers&ouml;nlichen Schutzausr&uuml;stung erlernt. <br />Die individuell zusammengestellte Schutzausr&uuml;stung, je nach Bedarf bestehend aus den passenden Handschuhen, Hautschutzcremes und Pflegeprodukten, wird nach etablierten Richtlinien ausgew&auml;hlt und den Versicherten f&uuml;r einen Arbeitsversuch von acht Wochen von der AUVA zur Verf&uuml;gung gestellt.<sup>7, 8</sup> <br />Um die Umsetzung dieser Ma&szlig;nahmen im Arbeitsalltag und ihren Erfolg mit den Versicherten evaluieren zu k&ouml;nnen, werden diese ca. acht Wochen nach dem Intensivseminar zu einer &bdquo;Hautsprechstunde II&ldquo; eingeladen. Hier kann das Ergebnis der bisherigen Ma&szlig;nahmen besprochen und eine eventuelle Besserung oder Abheilung der Hautver&auml;nderungen objektiviert werden. Im Falle eines f&uuml;r den Versicherten zufriedenstellenden Ergebnisses kann dieser nun an seinen Arbeitsplatz zur&uuml;ckkehren. Der Arbeitgeber ist nun verpflichtet, eine geeignete pers&ouml;nliche Schutzausr&uuml;stung zur Verf&uuml;gung zu stellen. <br />Falls es in diesen acht Wochen unter verbesserten Hautschutz- und Pflegema&szlig;nahmen sowie durchgef&uuml;hrter Therapie zu keiner ausreichenden Besserung der Beschwerden gekommen ist, kann in der Sprechstunde bereits die M&ouml;glichkeit einer station&auml;ren Rehabilitation im Sinne der Terti&auml;rpr&auml;vention besprochen und geplant werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1604_Weblinks_seite44.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Und falls auch das nicht ausreicht? &ndash; Terti&auml;rpr&auml;vention</h2> <p>Im Falle der Persistenz der Hautver&auml;nderungen trotz zus&auml;tzlicher oder adaptierter Schutzma&szlig;nahmen am Arbeitsplatz sowie bei schweren und komplexen berufsbedingten Hauterkrankungen sind Behandlungen im Rahmen eines station&auml;ren Aufenthaltes an der Abteilung f&uuml;r Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin der Rehabilitationsklinik Tobelbad bei Graz vorgesehen. <br />Ablauf und Organisation der Ma&szlig;nahmen richten sich hier weitgehend nach dem Schema der terti&auml;ren Individualpr&auml;vention nach dem in Deutschland entwickelten und bereits erfolgreich umgesetzten sogenannten Osnabr&uuml;cker Modell.<sup>8, 9</sup> <br />Das Konzept, seine Inhalte und der Ablauf werden in einem eigenen Beitrag in der folgenden Ausgabe von <em>JATROS Dermatologie &amp; Plastische Chirurgie<em> genauer beleuchtet werden.</em></em></p> <h2>Ausblick</h2> <p>Bisher wird das beschriebene Konzept als Pilotprojekt f&uuml;r Versicherte der Bundesl&auml;nder Steiermark und K&auml;rnten durchgef&uuml;hrt. Eine bundesweite Ausrollung ist in Vorbereitung, ab 2017 wird f&uuml;r Versicherte aus West&ouml;sterreich eine Hautsprechstunde im Rehabilitationszentrum Bad H&auml;ring zur Verf&uuml;gung stehen. <br />Um auch den f&uuml;r die Betreuung der Versicherten besonders wichtigen Bereich der niedergelassenen Dermatologen st&auml;rker miteinbeziehen zu k&ouml;nnen, wird ab J&auml;nner 2017 ein zweit&auml;giges Curriculum &bdquo;Berufsdermatologie&ldquo; angeboten werden. <br />Dar&uuml;ber hinaus ist eine wissenschaftliche Evaluierung des Erfolges der beschriebenen Ma&szlig;nahmen im Aufbau, deren Ergebnisse bei Vorliegen ver&ouml;ffentlicht werden k&ouml;nnen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dominkus C: Dermatologen, Apotheker &amp; AUVA starten Aufkl&auml;rungsoffensive gegen das chronische Handekzem. JATROS Dermatologie &amp; Plastische Chirurgie 2016; 3: 24-25 <strong>2</strong> Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, zweiter Teil, Abschnitt II, &sect;&nbsp;177 <strong>3</strong> Statistik der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt &Ouml;sterreich 2015 <strong>4</strong> Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, siebter Teil, Abschnitt II, &sect;363 <strong>5</strong>&nbsp;Brach J et al: S1-AWMF-Leitlinie Kontaktekzem. Allergo J Int 2014; 23: 126-138 <strong>6</strong> Schnuch A et al: Durchf&uuml;hrung des Epikutantests mit Kontaktallergenen. JDDG 2008; 6: 699-814 <strong>7</strong> Fartasch M et al: S1-AWMF-Leitlinie (Langversion). Berufliche Hautmittel: Hautschutz, Hautpflege und Hautreinigung. Dermatol Beruf Umw 2015; 63: 47-74 <strong>8</strong>&nbsp;Sonsmann F et al: &bdquo;Ich kann mit Handschuhen nicht arbeiten!&ldquo; &ndash; oder doch? Herausforderungen und L&ouml;sungen bei der Auswahl eines ad&auml;quaten Handschuhschutzes. Akt Dermatol 2015; 41: 25-30 <strong>9</strong> Skudlik C: Terti&auml;re Individual-Pr&auml;vention (TIP) in der Berufsdermatologie. Osnabr&uuml;ck: V&amp;R unipress Universit&auml;tsverlag, 2007 <strong>10</strong> Skudlik C: Institut f&uuml;r interdisziplin&auml;re Dermatologische Pr&auml;vention und Rehabilitation (iDerm) an der Universit&auml;t Osnabr&uuml;ck. Akt Dermatol 2015; 41: 15-19</p> </div> </p>
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