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Neues aus der österreichischen Berufsdermatologie
Jatros
Autor:
Dr. Daniel Wilfinger
Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, 8036 Graz<br> E-Mail: daniel.wilfinger@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
24.11.2016
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<p class="article-intro">Berufskrankheiten der Haut sowie deren Prävention und Behandlung stehen aktuell im Fokus eines neuen Konzeptes, welches in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz von der AUVA umgesetzt wird. Bereits in der letzten Ausgabe wurde nach einem Interview mit Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie des LKH-Universitätsklinikums Graz und Dr. Roswitha Hosemann, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA von einem neuen Maßnahmenpaket zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen berichtet. Der aktuelle Artikel soll das neu eingeführte Modell und den Zugang hierzu für Patienten und behandelnde Ärzte genauer erläutern.</p>
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<p class="article-content"><h2>BK 19 – was ist das?</h2> <p>Als Berufskrankheiten im Sinne der Unfallversicherung gelten die in § 177 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung verursacht sind. Hautkrankheiten gelten nur dann als Berufskrankheiten, wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen.<sup>2</sup> <br />Ein Großteil der Versicherten, welche mit Verdacht auf BK 19 Präventionsmaßnahmen in Anspruch nehmen, leidet an Kontaktekzemen der Hände irritativer, allergischer oder häufig gemischter Genese.</p> <h2>Wer ist betroffen? – Hochrisikogruppen</h2> <p>Insgesamt wurden der AUVA in den Jahren 2011 bis 2015 3.022 Versicherte mit Verdacht auf BK 19 gemeldet. <br />Der Beruf der Friseure und Kosmetiker, Metall- und Reinigungsberufe sowie Bau- und Baunebengewerbe, Gesundheitsberufe und Lebensmittelbranche zählen zu den am meisten gefährdeten Berufsgruppen.<sup>3</sup> <br />Diesen Berufsgruppen gemeinsam sind der zeitlich höhere Anteil an Feuchtarbeit, der Kontakt mit Irritanzien und potenziellen Allergenen sowie die Notwendigkeit des Handschuhtragens während der beruflichen Tätigkeit. Im Rahmen einer Beitragsreihe zur Berufsdermatologie werden besondere Risikofaktoren für jede dieser Risikogruppen beschrieben werden.</p> <h2>Was ist neu?</h2> <p>Bisher gab es für diese Betroffenen keinen ganzheitlichen Ansatz zu Prävention, Behandlung und Rehabilitation. Ohne ausreichende Koordination erfolgten Einzelmaßnahmen in der Primärprävention durch die Arbeitsmedizin, die Behandlung der Beschwerden durch Dermatologen und gegebenenfalls Leistungen durch die AUVA in Form von Umschulung, Kuraufenthalten oder finanzieller Entschädigung. <br />Seit dem 1. Oktober 2015 entsteht in Kooperation von AUVA und der Medizinischen Universität Graz ein neues, umfassendes Maßnahmenpaket für die Sekundär- und Tertiärprävention von berufsbedingten Dermatosen. Als Vorlage hierzu diente in einigen Grundzügen das in Deutschland hierfür bereits seit vielen Jahren erfolgreich etablierte System. Insbesondere in der Sekundärprävention existieren jedoch Unterschiede im Zugang zu Präventionsmaßnahmen. Gerade dieser Zugang zu ersten Maßnahmen der Sekundärprävention sollte bereits bei ersten Anzeichen von berufsbedingten Hautveränderungen genutzt werden, um langwierige Verläufe und drohenden Arbeitsplatzverlust bereits frühzeitig abwenden zu können.</p> <h2>Wann sollte eine BK-Anzeige gestellt werden?</h2> <p>Die Meldung auf Verdacht einer Berufskrankheit mittels „BK-Anzeige“ an die AUVA ist nötig, um das Präventionsverfahren einzuleiten und dem Versicherten Maßnahmen der Prävention zu ermöglichen. Dies kann sowohl durch den behandelnden Arzt, den Arbeitgeber als auch durch den Versicherten selbst erfolgen. <br />Prinzipiell ist jeder Arzt gesetzlich verpflichtet, bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit eine Berufskrankheiten-Anzeige zu stellen.<sup>4</sup> <br />Unabhängig davon gilt jedoch im Sinne des Versicherten und des Arbeitsplatzerhalts der Grundsatz: „Je früher, desto besser.“</p> <h2>Und was passiert dann? – Konzepte der Sekundärprävention</h2> <p>Versicherte aus der Steiermark werden nach erfolgter BK-Meldung und Überprüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu einer „Hautsprechstunde“ in das Rehabilitationszentrum in Tobelbad bei Graz eingeladen. Versicherte aus dem Bundesland Kärnten erhalten eine Einladung zu einer Hautsprechstunde im UKH Klagenfurt. <br />Im Rahmen dieser Hautsprechstunde erfolgt eine ausführliche Anamneseerhebung mit dem Versicherten. Dabei ermittelt zuerst ein Arbeitsmediziner die relevanten Expositionen gegenüber beruflichen Noxen und potenziellen Allergenen. Dies kann durch entsprechende Vorarbeit des Versicherten oder des behandelnden Arztes wesentlich effizienter und exakter gestaltet werden, z.B. wenn bereits Sicherheitsdatenblätter relevanter Arbeitsstoffe mit der BK-Meldung mitgesendet oder vom Versicherten in die Hautsprechstunde mitgebracht werden. <br />Im zweiten Teil der Anamneseerhebung konzentriert sich ein Facharzt für Dermatologie auf die Ausprägung und den Verlauf der Hautveränderungen des Versicherten. Wichtige Anhaltspunkte sind hier der Zeitpunkt der Erstmanifestation, ein arbeitskongruenter Verlauf mit Besserung bzw. Abheilung in arbeitsfreier Zeit, z.B. im Urlaub, Ausprägung an beruflich exponierten Lokalisationen wie Händen und Unterarmen und das Auftreten nach Kontakt mit den vermuteten schädlichen Arbeitsstoffen. Hilfreich hierfür sind dokumentierte ärztliche Vorbefunde und Ergebnisse bereits vorab durchgeführter diagnostischer Maßnahmen. Auch außerberufliche Risikofaktoren und vorbestehende Hauterkrankungen wie z.B. eine atopische Dermatitis werden hierbei erhoben. Anschließend erfolgen eine klinische Untersuchung und Fotodokumentation der Hautveränderungen. <br />Weiters können diagnostische Maßnahmen wie z.B. Epikutantestungen im Rahmen der Hautsprechstunde in Einrichtungen der AUVA durchgeführt werden. Auswahl und Durchführung dieser Maßnahmen richten sich nach etablierten Leitlinien und Empfehlungen.<sup>5, 6</sup> Nach durchgeführter Diagnostik erhält der Versicherte eine schriftliche Dokumentation in Form eines Allergiepasses. <br />Zum Abschluss dieser Hautsprechstunde wird der Versicherte zur weiteren Therapie wieder an den behandelnden niedergelassenen Arzt verwiesen. Ein zusammenfassender Arztbrief mit Therapievorschlag wird ihm mitgegeben. <br />Im nächsten Schritt kann der Versicherte zeitnah zu einem „Intensivseminar“ eingeladen werden. Im Vordergrund stehen hier vor allem Wissensvermittlung und Verhaltensprävention sowie die Auswahl einer an die individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse angepassten „persönlichen Schutzausrüstung“, PSA. <br />In Kleingruppen wird den Versicherten durch Ärzte, Gesundheitspädagogen und Pflegepersonal praktisches Wissen zu Ursachen der Hautveränderungen, Risikofaktoren und deren Vermeidung im Alltag vermittelt. In praxisnahen Trainingseinheiten werden das richtige Verhalten bei hautbelastenden Tätigkeiten und der korrekte Umgang mit der persönlichen Schutzausrüstung erlernt. <br />Die individuell zusammengestellte Schutzausrüstung, je nach Bedarf bestehend aus den passenden Handschuhen, Hautschutzcremes und Pflegeprodukten, wird nach etablierten Richtlinien ausgewählt und den Versicherten für einen Arbeitsversuch von acht Wochen von der AUVA zur Verfügung gestellt.<sup>7, 8</sup> <br />Um die Umsetzung dieser Maßnahmen im Arbeitsalltag und ihren Erfolg mit den Versicherten evaluieren zu können, werden diese ca. acht Wochen nach dem Intensivseminar zu einer „Hautsprechstunde II“ eingeladen. Hier kann das Ergebnis der bisherigen Maßnahmen besprochen und eine eventuelle Besserung oder Abheilung der Hautveränderungen objektiviert werden. Im Falle eines für den Versicherten zufriedenstellenden Ergebnisses kann dieser nun an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Der Arbeitgeber ist nun verpflichtet, eine geeignete persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. <br />Falls es in diesen acht Wochen unter verbesserten Hautschutz- und Pflegemaßnahmen sowie durchgeführter Therapie zu keiner ausreichenden Besserung der Beschwerden gekommen ist, kann in der Sprechstunde bereits die Möglichkeit einer stationären Rehabilitation im Sinne der Tertiärprävention besprochen und geplant werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1604_Weblinks_seite44.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Und falls auch das nicht ausreicht? – Tertiärprävention</h2> <p>Im Falle der Persistenz der Hautveränderungen trotz zusätzlicher oder adaptierter Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz sowie bei schweren und komplexen berufsbedingten Hauterkrankungen sind Behandlungen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes an der Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin der Rehabilitationsklinik Tobelbad bei Graz vorgesehen. <br />Ablauf und Organisation der Maßnahmen richten sich hier weitgehend nach dem Schema der tertiären Individualprävention nach dem in Deutschland entwickelten und bereits erfolgreich umgesetzten sogenannten Osnabrücker Modell.<sup>8, 9</sup> <br />Das Konzept, seine Inhalte und der Ablauf werden in einem eigenen Beitrag in der folgenden Ausgabe von <em>JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie<em> genauer beleuchtet werden.</em></em></p> <h2>Ausblick</h2> <p>Bisher wird das beschriebene Konzept als Pilotprojekt für Versicherte der Bundesländer Steiermark und Kärnten durchgeführt. Eine bundesweite Ausrollung ist in Vorbereitung, ab 2017 wird für Versicherte aus Westösterreich eine Hautsprechstunde im Rehabilitationszentrum Bad Häring zur Verfügung stehen. <br />Um auch den für die Betreuung der Versicherten besonders wichtigen Bereich der niedergelassenen Dermatologen stärker miteinbeziehen zu können, wird ab Jänner 2017 ein zweitägiges Curriculum „Berufsdermatologie“ angeboten werden. <br />Darüber hinaus ist eine wissenschaftliche Evaluierung des Erfolges der beschriebenen Maßnahmen im Aufbau, deren Ergebnisse bei Vorliegen veröffentlicht werden können.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Dominkus C: Dermatologen, Apotheker & AUVA starten Aufklärungsoffensive gegen das chronische Handekzem. JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie 2016; 3: 24-25 <strong>2</strong> Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, zweiter Teil, Abschnitt II, § 177 <strong>3</strong> Statistik der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Österreich 2015 <strong>4</strong> Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, siebter Teil, Abschnitt II, §363 <strong>5</strong> Brach J et al: S1-AWMF-Leitlinie Kontaktekzem. Allergo J Int 2014; 23: 126-138 <strong>6</strong> Schnuch A et al: Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen. JDDG 2008; 6: 699-814 <strong>7</strong> Fartasch M et al: S1-AWMF-Leitlinie (Langversion). Berufliche Hautmittel: Hautschutz, Hautpflege und Hautreinigung. Dermatol Beruf Umw 2015; 63: 47-74 <strong>8</strong> Sonsmann F et al: „Ich kann mit Handschuhen nicht arbeiten!“ – oder doch? Herausforderungen und Lösungen bei der Auswahl eines adäquaten Handschuhschutzes. Akt Dermatol 2015; 41: 25-30 <strong>9</strong> Skudlik C: Tertiäre Individual-Prävention (TIP) in der Berufsdermatologie. Osnabrück: V&R unipress Universitätsverlag, 2007 <strong>10</strong> Skudlik C: Institut für interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation (iDerm) an der Universität Osnabrück. Akt Dermatol 2015; 41: 15-19</p>
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