© Getty Images

Möglichst nah am Patienten bleiben

<p class="article-intro">Am 1. November 2018 übernahm Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Alexander Navarini die Professur für klinische Dermatologie an der Universität Basel und ist gleichzeitig neuer Chefarzt für Dermatologie am Universitätsspital Basel. Navarini absolvierte seine medizinische Ausbildung in Basel und Paris, bevor er in Zürich seinen PhD erwarb. Danach folgten Forschungsaufenthalte in Tansania und London, bis er schliesslich nach Zürich zurückkehrte, wo er zuletzt als Professor für Immundermatologie sowie als stellvertretender Leiter der Dermatologischen Poliklinik am Universitätsspital tätig war.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Navarini, umreissen Sie bitte kurz Ihren Werdegang.</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Ich bin in Basel geboren und in Aargau und Graub&uuml;nden aufgewachsen. Bereits bei meinem Humanmedizinstudium in Basel und Paris habe ich gemerkt, dass ich sehr bildbasiert denke und mir Bilder ganz gut merken kann.<br /> Vielleicht hatte ich auch deswegen schon immer grosses Interesse an Dermatologie. Nach dem Studium habe ich mich f&uuml;r die Forschung interessiert. Im Nobelpreislabor von Rolf Zinkernagel und Hans Hengartner in Z&uuml;rich habe ich meinen PhD in Molekularbiologie und Immunologie gemacht. In dieser Zeit haben wir herausgefunden, weshalb das Immunsystem im Verlauf einer viralen Infektion unterdr&uuml;ckt wird, wodurch man z. B. anf&auml;lliger f&uuml;r eine Lungenentz&uuml;ndung ist. Es liegt &uuml;brigens an einem negativen Effekt auf die Fresszellen, die neutrophilen Granulozyten. Diese Arbeit hat mein fortw&auml;hrendes Interesse f&uuml;r Fresszellen begr&uuml;ndet, welche eigentlich noch immer mein Forschungsgebiet darstellen. Anschliessend habe ich meine klinische T&auml;tigkeit zun&auml;chst an der inneren Medizin und sp&auml;ter an der Tropenmedizin in Tansania begonnen. Meine Weiterbildung zum Dermatologen habe ich dann in Z&uuml;rich bei Prof. French absolviert und dort bereits den Fokus meiner Forschung auf alles Eitrige und Hochentz&uuml;ndliche gelegt.<br /> Damals hat sich mit den Antik&ouml;rpern ein neues Therapiefeld ergeben, welches gut zu den entz&uuml;ndlichen Dermatosen passt, und so ergab es sich, dass ich bereits in Z&uuml;rich zu einem Spezialisten f&uuml;r Biologics wurde. Nebst der hohen Wirkungsst&auml;rke dieser Medikamente im Allgemeinen gibt es noch einen zus&auml;tzlichen, positiven Effekt: Mit einzelnen dieser Biologics sind bei gewissen Patientengruppen, die bestimmte Mutationen aufweisen, n&auml;mlich extrem gute Erfolge erzielbar. Nach der Habilitation bin ich deshalb f&uuml;r zwei Jahre nach London gegangen, wo ich mich weiter in die Genetik vertieft und Next Generation Sequencing gelernt habe. Mit dieser Methode k&ouml;nnen genetische Risikofaktoren identifiziert und Patienten besser stratifiziert werden. Es freut mich, dass durch unsere Arbeit an pustul&ouml;ser Psoriasis neue Mutationen identifiziert wurden, welche zur Entwicklung von Medikamenten f&uuml;hrten, die sich mittlerweile bereits in Studien befinden, und zu einem grossen Register, das ich leite. Auch bei Aknepatienten haben wir in bestimmten Signalwegen Mutationen gefunden, wo eventuell in Zukunft noch Medikamente entwickelt werden.</p> <p><strong>In Z&uuml;rich waren Sie zuletzt stellvertretender Leiter einer Poliklinik. Nun haben Sie erstmals die Leitung einer dermatologischen Klinik inne. Wie wollen Sie dieser Herausforderung begegnen?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Im Vergleich zu Z&uuml;rich haben wir in Basel ein kleineres Team. Ich denke, dass es dadurch aber irgendwie auch etwas homogener ist. Man hat gemeinsame Ziele: Traditionell stehen hier die Lehre und die Patientenbetreuung extrem stark im Vordergrund. Das soll auch weiterhin ein wichtiger Schwerpunkt bleiben. Ich war hocherfreut, wie gut die Leute hier klinisch sowohl medizinisch als auch menschlich mit den Patienten umgehen. Die T&auml;tigkeit als Chefarzt bringt nat&uuml;rlich ein ganz anderes Level an Administration und F&uuml;hrung mit sich, eine Herausforderung, die ich aber gerne angenommen habe. Ich f&uuml;hle mich schon sehr wohl und angekommen hier an der Klinik.</p> <p><strong>Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Klinik setzen?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Wir werden uns sehr stark digital weiterentwickeln. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Forschung (seit 2012) ist die Bilderkennung. Wir wollen hier die Telemedizin einf&uuml;hren und wir bekommen einen Ganzk&ouml;rperfotoapparat. Dieser erm&ouml;glicht es uns, die Patienten zu dokumentieren und halbautomatisch Ver&auml;nderungen im Positiven wie im Negativen zu erkennen. Ausserdem wollen wir die Genetik mit modernen Methoden in der Patientenbetreuung anbieten, gerade bei extrem seltenen Dermatosen und unklaren F&auml;llen.</p> <p><strong>Wie stehen Sie zur Telemedizin in der Dermatologie?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Ich sehe sie absolut positiv. Wir versuchen allerdings nicht, einen k&uuml;nstlichen Dermatologen zu schaffen, unsere Anstrengung ist vielmehr fokussiert auf die Entscheidungsunterst&uuml;tzung von Dermatologen und Haus&auml;rzten. Diese sollen Vorschl&auml;ge f&uuml;r die Differenzialdiagnose erhalten, nachdem sie Bilder von Muttermalen fotografiert und hochgeladen haben. Wir haben mit Dermakonsil ein Lehrbuch als Gratis-App verf&uuml;gbar auf allen Plattformen. Wir sehen hier Ankn&uuml;pfungspunkte, wie man unsere akademischen Kenntnisse und unser Bed&uuml;rfnis, gutes Teaching anzubieten, nutzen k&ouml;nnte. Es gibt schon Ans&auml;tze, wie etwa Fotofinder, es handelt sich dabei um kostenpflichtige Evaluationen. Es ist aber wichtig, derartige Projekte nicht einfach der kommerziellen Anwendung zu &uuml;berlassen, sondern hier als Gesamtgruppe der Dermatologen an der Weiterentwicklung mitzuwirken. Derartige Anwendungen werden das k&uuml;nftige Zentrum der dermatologischen Diagnostik darstellen, davon bin ich &uuml;berzeugt.</p> <p><strong>Welchen Stellenwert werden Sie der Dermatoonkologie beimessen? Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Onkologen vor?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Wir interagieren mit den Onkologen sehr h&auml;ufig und ich bin auch Leiter des Hauttumorzentrums. Die Onkologen sind bei uns zust&auml;ndig f&uuml;r die metastasierten Melanome, Systemtherapien sind bislang nicht in der Dermatologie angewendet worden. Jetzt allerdings mit der steigenden Anzahl von F&auml;llen wird man sehen, wie sich das entwickelt. Mir ist es wichtig, den Dermatologen eine hohe dermatoonkologische Kompetenz in der Weiterbildung mitzugeben. Deshalb bin ich um ein enges Zusammenwachsen mit der Onkologie bem&uuml;ht, sowohl auf klinischer als auch auf Forschungsebene.</p> <p><strong>Wie sehen Sie die akademische Wissenschaft im Zusammenspiel mit klinischer Arbeit am Patienten an einer Universit&auml;tsklinik?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Es gibt verschiedene Ebenen der wissenschaftlichen T&auml;tigkeit als Dermatologe. An einer eher kleineren Universit&auml;tsklinik wie in Basel ist die direkt aus der Klinik entstandene Wissenschaft etwas, was am ehesten gef&ouml;rdert werden sollte. Ich bin zwar stolz darauf, dass wir auch richtige Basiswissenschaft verfolgen, dass wir eine Zellkultur haben und auch neueste Techniken wie CRISPR/Cas f&uuml;r unsere Modelle anwenden. Dies sollte aber immer zusammen mit der klinisch angewandten Forschung gef&ouml;rdert werden. Gerade um den Nachwuchs zu motivieren, ist es auch wichtig, mit unserer Forschung m&ouml;glichst nah am Patienten zu bleiben.<br /> Aktuell steigt der klinische Druck immer mehr. Die Frage, wie man sich daneben und neben der Familie noch Zeit f&uuml;r die akademische T&auml;tigkeit schaffen soll, bleibt weitgehend ungel&ouml;st, was ich sehr schade finde. Wir sind hier bem&uuml;ht, eine bessere L&ouml;sung zu finden. Bis jetzt habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit dem spontanen Entstehen einer sehr inspirierenden Atmosph&auml;re. Das Labmeeting ist bei uns immer ein Highlight der Woche. Dabei lernt jeder viel und es bleibt trotzdem gen&uuml;gend Zeit, auf hohem Niveau die wirklichen Kernforschungsfragen zu diskutieren. Die Stimmung ist aktuell fantastisch und ich hoffe, das bleibt auch weiterhin so.</p> <p><strong>Wie wollen Sie die Ausbildung und Lehre angehender Dermatologinnen und Dermatologen modernisieren?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Mir ist nicht wichtig, dass jeder Dermatologe Computerexperte wird. Aufgrund der Entwicklungen ist es ganz zentral, dass jeder Dermatologe interventionell das Maximum kann. Ich denke, wir werden interventionell sehr viel st&auml;rker werden als Fach und mehr als 50 Prozent der Patienten werden k&uuml;nftig eine interventionelle Behandlung ben&ouml;tigen. Aus diesem Grund haben wir die ganze prozedurale &auml;sthetische Dermatologie ebenfalls in unser Programm aufgenommen und das lernt auch jeder bei mir.<br /> Ich lege grossen Wert darauf, dass am Ende sowohl wissenschaftlich aktive als auch prozedural f&auml;hige Dermatologen das Klinikum verlassen. Das ist bislang gut angekommen und wir verzeichnen eine erfreuliche Kompetition um Stellen.</p> <p><strong>Wie wichtig ist die p&auml;diatrische Dermatologie f&uuml;r Sie? Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit Kinder&auml;rzten?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Die Zusammenarbeit mit den P&auml;diatern ist mir sehr wichtig. Wir bieten w&ouml;chentlich einen halben Tag direkt an der Kinderklinik an. Das m&ouml;chte ich so auch beibehalten, denn es l&auml;uft schon super und wir k&ouml;nnen das langsam organisch wachsen lassen.</p> <p><strong>Mit der &laquo;Margarethenklinik&raquo; beschreitet das Universit&auml;tsspital Basel neue Wege. Was erwarten Sie sich von der Auslagerung der Beratungsgespr&auml;che an einen externen Ort?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Am Klinikum 2, wo wir die bisherige Klinik haben, gibt es leider keine Entwicklungsm&ouml;glichkeiten wegen Platzmangel. Deshalb haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und Aussenr&auml;ume gesucht, wo wir interdisziplin&auml;r t&auml;tig sein k&ouml;nnen im prozedural-&auml;sthetischen Bereich. Nun haben wir eine neue Klinik gegr&uuml;ndet, mit einer sehr sch&ouml;nen, diskreten Atmosph&auml;re, die nicht vordergr&uuml;ndig durch das Spital gepr&auml;gt ist. Hier k&ouml;nnen sich Patienten entspannen und diskret beraten lassen in &auml;sthetischen Fragen &ndash; ein echter Mehrwert im Vergleich zu vorher! Wir werden eine sehr breite Reihe von Techniken anbieten, mit den modernsten Ger&auml;ten, die verf&uuml;gbar sind. Ich gehe von einem Start im Mai/ Juni 2019 aus. Aus Erfahrung wissen wir, dass es bei Weitem nicht in der Mehrheit Patientinnen und Patienten sein werden, die rein &auml;sthetisches Interesse haben &ndash; im Gegenteil ist die &auml;sthetische Dermatologie h&auml;ufig die Fortf&uuml;hrung der medizinischen Behandlung der Haut. Ganz viele Patienten m&ouml;chten nach einer Akne- oder Rosazea-Therapie noch die Hautoberfl&auml;che gl&auml;tten oder Pigment entfernen, oder ganz generell informiert werden &uuml;ber M&ouml;glichkeiten, die Haut gesund und in m&ouml;glichst jugendlichem Zustand zu erhalten.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p>
Back to top