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Möglichst nah am Patienten bleiben
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30
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02.05.2019
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<p class="article-intro">Am 1. November 2018 übernahm Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Alexander Navarini die Professur für klinische Dermatologie an der Universität Basel und ist gleichzeitig neuer Chefarzt für Dermatologie am Universitätsspital Basel. Navarini absolvierte seine medizinische Ausbildung in Basel und Paris, bevor er in Zürich seinen PhD erwarb. Danach folgten Forschungsaufenthalte in Tansania und London, bis er schliesslich nach Zürich zurückkehrte, wo er zuletzt als Professor für Immundermatologie sowie als stellvertretender Leiter der Dermatologischen Poliklinik am Universitätsspital tätig war.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Navarini, umreissen Sie bitte kurz Ihren Werdegang.</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Ich bin in Basel geboren und in Aargau und Graubünden aufgewachsen. Bereits bei meinem Humanmedizinstudium in Basel und Paris habe ich gemerkt, dass ich sehr bildbasiert denke und mir Bilder ganz gut merken kann.<br /> Vielleicht hatte ich auch deswegen schon immer grosses Interesse an Dermatologie. Nach dem Studium habe ich mich für die Forschung interessiert. Im Nobelpreislabor von Rolf Zinkernagel und Hans Hengartner in Zürich habe ich meinen PhD in Molekularbiologie und Immunologie gemacht. In dieser Zeit haben wir herausgefunden, weshalb das Immunsystem im Verlauf einer viralen Infektion unterdrückt wird, wodurch man z. B. anfälliger für eine Lungenentzündung ist. Es liegt übrigens an einem negativen Effekt auf die Fresszellen, die neutrophilen Granulozyten. Diese Arbeit hat mein fortwährendes Interesse für Fresszellen begründet, welche eigentlich noch immer mein Forschungsgebiet darstellen. Anschliessend habe ich meine klinische Tätigkeit zunächst an der inneren Medizin und später an der Tropenmedizin in Tansania begonnen. Meine Weiterbildung zum Dermatologen habe ich dann in Zürich bei Prof. French absolviert und dort bereits den Fokus meiner Forschung auf alles Eitrige und Hochentzündliche gelegt.<br /> Damals hat sich mit den Antikörpern ein neues Therapiefeld ergeben, welches gut zu den entzündlichen Dermatosen passt, und so ergab es sich, dass ich bereits in Zürich zu einem Spezialisten für Biologics wurde. Nebst der hohen Wirkungsstärke dieser Medikamente im Allgemeinen gibt es noch einen zusätzlichen, positiven Effekt: Mit einzelnen dieser Biologics sind bei gewissen Patientengruppen, die bestimmte Mutationen aufweisen, nämlich extrem gute Erfolge erzielbar. Nach der Habilitation bin ich deshalb für zwei Jahre nach London gegangen, wo ich mich weiter in die Genetik vertieft und Next Generation Sequencing gelernt habe. Mit dieser Methode können genetische Risikofaktoren identifiziert und Patienten besser stratifiziert werden. Es freut mich, dass durch unsere Arbeit an pustulöser Psoriasis neue Mutationen identifiziert wurden, welche zur Entwicklung von Medikamenten führten, die sich mittlerweile bereits in Studien befinden, und zu einem grossen Register, das ich leite. Auch bei Aknepatienten haben wir in bestimmten Signalwegen Mutationen gefunden, wo eventuell in Zukunft noch Medikamente entwickelt werden.</p> <p><strong>In Zürich waren Sie zuletzt stellvertretender Leiter einer Poliklinik. Nun haben Sie erstmals die Leitung einer dermatologischen Klinik inne. Wie wollen Sie dieser Herausforderung begegnen?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Im Vergleich zu Zürich haben wir in Basel ein kleineres Team. Ich denke, dass es dadurch aber irgendwie auch etwas homogener ist. Man hat gemeinsame Ziele: Traditionell stehen hier die Lehre und die Patientenbetreuung extrem stark im Vordergrund. Das soll auch weiterhin ein wichtiger Schwerpunkt bleiben. Ich war hocherfreut, wie gut die Leute hier klinisch sowohl medizinisch als auch menschlich mit den Patienten umgehen. Die Tätigkeit als Chefarzt bringt natürlich ein ganz anderes Level an Administration und Führung mit sich, eine Herausforderung, die ich aber gerne angenommen habe. Ich fühle mich schon sehr wohl und angekommen hier an der Klinik.</p> <p><strong>Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Klinik setzen?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Wir werden uns sehr stark digital weiterentwickeln. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Forschung (seit 2012) ist die Bilderkennung. Wir wollen hier die Telemedizin einführen und wir bekommen einen Ganzkörperfotoapparat. Dieser ermöglicht es uns, die Patienten zu dokumentieren und halbautomatisch Veränderungen im Positiven wie im Negativen zu erkennen. Ausserdem wollen wir die Genetik mit modernen Methoden in der Patientenbetreuung anbieten, gerade bei extrem seltenen Dermatosen und unklaren Fällen.</p> <p><strong>Wie stehen Sie zur Telemedizin in der Dermatologie?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Ich sehe sie absolut positiv. Wir versuchen allerdings nicht, einen künstlichen Dermatologen zu schaffen, unsere Anstrengung ist vielmehr fokussiert auf die Entscheidungsunterstützung von Dermatologen und Hausärzten. Diese sollen Vorschläge für die Differenzialdiagnose erhalten, nachdem sie Bilder von Muttermalen fotografiert und hochgeladen haben. Wir haben mit Dermakonsil ein Lehrbuch als Gratis-App verfügbar auf allen Plattformen. Wir sehen hier Anknüpfungspunkte, wie man unsere akademischen Kenntnisse und unser Bedürfnis, gutes Teaching anzubieten, nutzen könnte. Es gibt schon Ansätze, wie etwa Fotofinder, es handelt sich dabei um kostenpflichtige Evaluationen. Es ist aber wichtig, derartige Projekte nicht einfach der kommerziellen Anwendung zu überlassen, sondern hier als Gesamtgruppe der Dermatologen an der Weiterentwicklung mitzuwirken. Derartige Anwendungen werden das künftige Zentrum der dermatologischen Diagnostik darstellen, davon bin ich überzeugt.</p> <p><strong>Welchen Stellenwert werden Sie der Dermatoonkologie beimessen? Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Onkologen vor?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Wir interagieren mit den Onkologen sehr häufig und ich bin auch Leiter des Hauttumorzentrums. Die Onkologen sind bei uns zuständig für die metastasierten Melanome, Systemtherapien sind bislang nicht in der Dermatologie angewendet worden. Jetzt allerdings mit der steigenden Anzahl von Fällen wird man sehen, wie sich das entwickelt. Mir ist es wichtig, den Dermatologen eine hohe dermatoonkologische Kompetenz in der Weiterbildung mitzugeben. Deshalb bin ich um ein enges Zusammenwachsen mit der Onkologie bemüht, sowohl auf klinischer als auch auf Forschungsebene.</p> <p><strong>Wie sehen Sie die akademische Wissenschaft im Zusammenspiel mit klinischer Arbeit am Patienten an einer Universitätsklinik?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Es gibt verschiedene Ebenen der wissenschaftlichen Tätigkeit als Dermatologe. An einer eher kleineren Universitätsklinik wie in Basel ist die direkt aus der Klinik entstandene Wissenschaft etwas, was am ehesten gefördert werden sollte. Ich bin zwar stolz darauf, dass wir auch richtige Basiswissenschaft verfolgen, dass wir eine Zellkultur haben und auch neueste Techniken wie CRISPR/Cas für unsere Modelle anwenden. Dies sollte aber immer zusammen mit der klinisch angewandten Forschung gefördert werden. Gerade um den Nachwuchs zu motivieren, ist es auch wichtig, mit unserer Forschung möglichst nah am Patienten zu bleiben.<br /> Aktuell steigt der klinische Druck immer mehr. Die Frage, wie man sich daneben und neben der Familie noch Zeit für die akademische Tätigkeit schaffen soll, bleibt weitgehend ungelöst, was ich sehr schade finde. Wir sind hier bemüht, eine bessere Lösung zu finden. Bis jetzt habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit dem spontanen Entstehen einer sehr inspirierenden Atmosphäre. Das Labmeeting ist bei uns immer ein Highlight der Woche. Dabei lernt jeder viel und es bleibt trotzdem genügend Zeit, auf hohem Niveau die wirklichen Kernforschungsfragen zu diskutieren. Die Stimmung ist aktuell fantastisch und ich hoffe, das bleibt auch weiterhin so.</p> <p><strong>Wie wollen Sie die Ausbildung und Lehre angehender Dermatologinnen und Dermatologen modernisieren?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Mir ist nicht wichtig, dass jeder Dermatologe Computerexperte wird. Aufgrund der Entwicklungen ist es ganz zentral, dass jeder Dermatologe interventionell das Maximum kann. Ich denke, wir werden interventionell sehr viel stärker werden als Fach und mehr als 50 Prozent der Patienten werden künftig eine interventionelle Behandlung benötigen. Aus diesem Grund haben wir die ganze prozedurale ästhetische Dermatologie ebenfalls in unser Programm aufgenommen und das lernt auch jeder bei mir.<br /> Ich lege grossen Wert darauf, dass am Ende sowohl wissenschaftlich aktive als auch prozedural fähige Dermatologen das Klinikum verlassen. Das ist bislang gut angekommen und wir verzeichnen eine erfreuliche Kompetition um Stellen.</p> <p><strong>Wie wichtig ist die pädiatrische Dermatologie für Sie? Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit Kinderärzten?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Die Zusammenarbeit mit den Pädiatern ist mir sehr wichtig. Wir bieten wöchentlich einen halben Tag direkt an der Kinderklinik an. Das möchte ich so auch beibehalten, denn es läuft schon super und wir können das langsam organisch wachsen lassen.</p> <p><strong>Mit der «Margarethenklinik» beschreitet das Universitätsspital Basel neue Wege. Was erwarten Sie sich von der Auslagerung der Beratungsgespräche an einen externen Ort?</strong><br /><strong> A. Navarini:</strong> Am Klinikum 2, wo wir die bisherige Klinik haben, gibt es leider keine Entwicklungsmöglichkeiten wegen Platzmangel. Deshalb haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und Aussenräume gesucht, wo wir interdisziplinär tätig sein können im prozedural-ästhetischen Bereich. Nun haben wir eine neue Klinik gegründet, mit einer sehr schönen, diskreten Atmosphäre, die nicht vordergründig durch das Spital geprägt ist. Hier können sich Patienten entspannen und diskret beraten lassen in ästhetischen Fragen – ein echter Mehrwert im Vergleich zu vorher! Wir werden eine sehr breite Reihe von Techniken anbieten, mit den modernsten Geräten, die verfügbar sind. Ich gehe von einem Start im Mai/ Juni 2019 aus. Aus Erfahrung wissen wir, dass es bei Weitem nicht in der Mehrheit Patientinnen und Patienten sein werden, die rein ästhetisches Interesse haben – im Gegenteil ist die ästhetische Dermatologie häufig die Fortführung der medizinischen Behandlung der Haut. Ganz viele Patienten möchten nach einer Akne- oder Rosazea-Therapie noch die Hautoberfläche glätten oder Pigment entfernen, oder ganz generell informiert werden über Möglichkeiten, die Haut gesund und in möglichst jugendlichem Zustand zu erhalten.</p> <p><em><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></em></p></p>