
Sorgfältige Differentialdiagnostik ist wichtig
Bericht: Dr. med. Lydia Unger-Hunt
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Die Diagnostik des HAE erfolgt mittels Bluttests zur Messung der C1-INH- und C4-Konzentration im Plasma, und bei Bedarf mitttels genetischer Analysen. Eine sorgfältige Differentialdiagnostik ist dabei unerlässlich, da ähnliche Symptome auch durch andere Erkrankungen ausgelöst werden können.
Hereditäres Angioödem (HAE) Typ 1 oder 2 sollte in Betracht gezogen werden, wenn eine Patient:in immer wieder unter plötzlichen Schwellungen der Haut leidet – besonders an Händen, Füßen, Gesicht oder Genitalien.1 Auch wiederkehrende starke Bauchschmerzen oder Schwellungen im Rachenbereich können darauf hindeuten. Der Verdacht auf HAE wird erhärtet, wenn eine oder mehrere dieser Aussagen zutreffen1:
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Andere Familienmitglieder haben ein HAE. Allerdings tritt bei bis zu 25% der Betroffenen tritt ein HAE spontan auf, also ohne dass bereits Familienmitglieder ebenfalls daran erkrankt sind.
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Die ersten Symptome traten schon in der Kindheit oder Jugend auf.
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Medikamente gegen Allergien helfen nicht (z. B. Antihistaminika, Kortison oder Adrenalin).
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Vor den Schwellungen treten Warnzeichen auf (z. B. Kribbeln, Hautausschläge oder Spannungsgefühle).
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Es gibt keine juckenden Quaddeln, wie sie von allergischen Reaktionen bekannt sind.
Grundlegende diagnostische Maßnahmen
Wird aufgrund dieser vom Betroffenen und/oder seinen Angehörigen berichteten Anzeichen ein HAE vermutet, wird dieser Verdacht mit Bluttests genauer überprüft. Im Labor werden diese Werte untersucht1:
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C1-INH-Aktivität
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C1-INH-Konzentration
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C4-Wert: Dieses Protein ist oft zu niedrig bei HAE-Patienten, der Wert ist aber nicht immer zuverlässig.2
Eine Kombination dieser drei Tests hat eine sehr hohe diagnostische Genauigkeit, das Ergebnis ist in den allermeisten Fällen korrekt. Es müssen alle drei Tests durchgeführt werden.2, 3
Auf Basis der Testergebnisse erfolgt die Unterscheidung zwischen HAE Typ 1 und Typ 2:1
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HAE Typ 1 (ca. 85 % der Patient:innen) ist gekennzeichnet durch zu wenig C1-INH (das zudem nicht richtig funktioniert).
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Bei HAE Typ 2 ist ausreichend C1-INH vorhanden, die Funktion aber unzureichend.
Bei nachgewiesenem C1-INH-Mangel sollten alle blutsverwandten Familienmitglieder ebenfalls auf C1-INH-Mangel untersucht werden.4
Genetische Tests: Wann sind sie notwendig?
In manchen Fällen kann zusätzlich eine Genanalyse hilfreich sein, vor allem wenn die Blutergebnisse unklar sind oder eine pränatale Diagnostik gewünscht wird.5 Sind biochemische Bluttests sind allerdings oft zuverlässiger und günstiger als eine genetische Untersuchung, und nicht alle genetischen Untersuchungen weisen alle möglichen Mutationen auch nach.6, 7
Wiederholung bei nicht-eindeutigen Befunden
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Falls die Ergebnisse von Bluttests und/oder genetischen Untersuchungen auf ein HAE verweisen, sollten die Tests zur Bestätigung wiederholt werden. Das gilt vor allem für nicht eindeutige Befunde oder Resultate, die nicht mit den Symptomen und Zeichen der Betroffenen übereinstimmen.8
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Steht die Diagnose fest, besteht keine Notwendigkeit für nochmalige Tests.
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Idealerweise sollte das Labor, in dem die Untersuchungen durchgeführt werden, auf den Nachweis von HAE spezialisiert sein. In vielen Laboren werden die C1-INH-Tests nur selten durchgeführt, was zu falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen führen kann.
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Falls erste Tests starke Hinweise auf ein HAE geben, sollte der Therapiestart nicht verzögert werden, während auf die endgültige Bestätigung gewartet wird.
Diagnostik vor und nach der Geburt
Grundsätzlich ist eine pränatale Diagnostik durch die genetische Untersuchung möglich; Voraussetzung ist, dass eine entsprechende Mutation im C1-INH-Gen in der Familie bekannt ist. Eine solche Untersuchung sollte aber nur nach strengen Vorgaben erfolgen.4 Die oben genannten Laboruntersuchungen (CI-INH-Funktion und-Konzentration sowie C4) sind frühestens nach Beendigung des ersten Lebensjahres verlässlich. Trotzdem kann auch eine Diagnostik vor dem Erreichen des ersten Lebensjahres bereits Hinweise auf das Vorliegen eines HAE geben.9
Differentialdiagnostik
Die Differentialdiagnosen für HAE Typ 1 und 2 (HAE-1/2) umfassen eine Reihe von Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie HAE-1/2 verursachen können. Dazu gehören:
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HAE mit normalem C1-Inhibitor: Hierbei sind die Werte des C1-Inhibitors normal, obwohl der Patient Symptome von HAE zeigt. Diese Form von HAE lässt sich nur durch genetische Tests diagnostizieren. Wenn bei einem Patienten mit Verdacht auf HAE der C1-INH-Wert normal ist, sollten genetische Tests auf verschiedene mögliche Ursachen wie HAE mit Mutationen in anderen Genen durchgeführt werden.10-12
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Erworbenes Angioödem durch C1-INH-Mangel (AAE-C1-INH): Diese Form von Angioödem tritt weniger häufig auf als HAE-1/2, hat aber ähnliche Symptome. Sie wird oft durch zugrunde liegende Krankheiten wie Krebserkrankungen des Lymphsystems oder eine gutartige Erkrankung des Immunsystems ausgelöst. Ein wichtiger Unterschied ist, dass hier ein C1-Wert oft erniedrigt ist (was bei HAE nicht der Fall ist).13, 14
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ACE-Hemmer induziertes Angioödem: Diese Form von Angioödem tritt nach der Einnahme von ACE-Hemmern auf und wird durch Bradykinin verursacht.15, 16
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Mastzell-vermitteltes Angioödem: Diese Form tritt häufig in Verbindung mit Nesselsucht auf.17◼
Literatur:
1 Maurer M et al.: The international WAO/EAACI guideline for the management of hereditary angioedema - The 2021 revision and update, World Allergy Organ J 2022; 15: 100627 2 Karim Y et al.: J Clin Pathol 2004; 57(2): 213–4 3 Aabom A et al.: Clin Biochem 2017; 50: 816-21 4 Bork K et al.: S1-Leitlinie Hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel, Allergo J Int 2019; 28: 16-29 5 Pedrosa M et al.: J Clin immunol 2016;36: 16-18 6 Germenis AE et al.: J Allergy Clin Immunol Pract. 2020; 8: 901-11 7 Ebo DG et al.: J Allergy Clin Immunol Pract 2018; 6: 277-279 8 Wagenaar-Bos IG et al.: J Immunol Methods 2008; 338: 14-20 9 Farkas H et al.: Allergy 2017; 72: 300-13 10 Bork K et al.: Lancet 2000; 356: 213-7 11 Bafunno V et al.: J Allergy Clin Immunol 2018; 141 12 Bork K et al.: J Allergy Clin Immunol 2021; 148:1041-8 13 Sobotkova M et al.: Int Arch Allergy Immunol 2021; 182: 642-9 14 Zaichelli A et al.: J Allergy Clin Immunol Pract 2017; 5: 1307-13 15 Magerl M et al.: Immunol Allergy Clin 2017; 37: 571-84 16 Bas M et al.: Allergy 2015; 70: 1196-1200 17 Martin L et al.: Acta Derm Venereol 2016; 96: 574-5
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