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Fit für die 20er-Jahre

Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf ist seit 1. Oktober 2018 der neue Klinikvorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Graz. JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie gratuliert recht herzlich und hat nach den ersten 2 x 100 Tagen zum Interview gebeten.


Herr Professor Wolf, wie fühlen Sie sich in der neuen Position?
P. Wolf: Die Tage waren vorher schon lang, jetzt sind sie noch länger geworden. Ich fühle mich trotzdem sehr gut. Das hat damit zu tun, dass man gewisse Vorstellungen hat, die man möglichst schnell umsetzen möchte, und dass Erfolge sich einstellen. Man bringt jedoch auch viele Aufgaben aus der früheren Tätigkeit mit, die man nicht einfach so weglassen kann. Zuversichtlich stimmt mich aber auch, dass ich breite Unterstützung durch hervorragende Mitarbeiter aus allen Bereichen der Klinik und Vertrauen spüre, vom ärztlichen Personal, den Oberärzten und Assistenten, über die Pflege, das Labor, Sekretariat bis zu den wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeitern, beispielsweise in der Kreativabteilung der Klinik, sprich Fotolabor.

Wie leicht oder schwer ist es, an der Abteilung, an der Sie so lange gearbeitet haben, Leiter zu sein?
P. Wolf: Die Herausforderung anfangs liegt sicher darin, dass Verpflichtungen weiterbestehen und die damit verbundenen Aufgaben zumindest teils fortzuführen sind. Wenn man neu an eine Stelle kommt, lässt man vieles zurück und geht vielleicht etwas unbelasteter an die neuen Aufgaben heran. Ich sehe es aber insgesamt betrachtet als enormen Vorteil, die Abteilung, an der ich so lange gearbeitet habe, zu leiten, weil ich wirklich alle Gegebenheiten, die Strukturen und die Mitarbeiter sehr genau kenne. Meinem Vorgänger Werner Aberer bin ich zu enormem Dank verpflichtet, dass er es mir ermöglicht hat, quasi im letzen Moment vor dem Antritt meiner neuen Position in Graz durch einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt am Brigham and Women’s Hospital in Harvard, Boston, meine Sinne in jeder Hinsicht nochmals zu schärfen und mit einem gewissen frischen Außenblick in Graz starten zu können. Ein Goldschatz an Mitarbeitern, viele erfahrene und auch junge Kollegen, eine hervorragende Mischung, ist bereit, die Klinik gemeinsam in die Zukunft zu führen. Herausfordernd ist natürlich die demografische Entwicklung: Die Bevölkerung wird immer älter, die Häufigkeit von aktinischen Keratosen und Hautkrebs, entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise den bullösen Dermatosen, Vaskulitiden, Ulzerationen, Austrocknungsekzemen und vieles mehr steigt. Auch liegt oft komplexe Multimorbidität vor. Hier heißt es, die Klinik und ihre Spezialbereiche fit für die 20er-Jahre und die nachfolgenden Jahrzehnte zu machen.

Sind Umstrukturierungen in absehbarer Zeit nötig? Wenn ja, können Sie uns schon etwas von Ihren Plänen verraten?
P. Wolf: Obwohl ich aus dem Haus komme, habe ich mich an die ungeschriebene Regel gehalten, mir die Klinik die ersten 100 Tage aus dem Blickwinkel meiner neuen Position anzusehen. Man sieht vieles dann doch mit anderen Augen. Ich habe die Zeit für zahlreiche Mitarbeitergespräche genutzt. Von den Mitarbeitern, den erfahrenen wie auch den jüngeren, habe ich viele Vorschläge und Ideen mitnehmen können. In den zweiten 100 Tagen, also beginnend mit Jahreswechsel, erfolgten die ersten Änderungen, beruhend auf gemeinsam entwickelten strategischen Konzepten. Eine der ersten Neuerungen war, den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung zu geben und die Klinik zu substrukturieren, in verschiedene Kernteambereiche mit mehr Verantwortung für die Mitarbeiter hinsichtlich der internen Organisation. In Verbindung damit konnten wir die Umstellung unserer allgemeinen Ambulanz von einer überlaufenen Anlaufstelle (mit zu wenig Zeit für die Patienten) zu einer reinen Facharztzuweisungsambulanz umsetzen, in der nun Patienten versorgt werden, die aufwendige Diagnostik und Betreuung benötigen, welche im niedergelassenen Bereich nur eingeschränkt möglich sind. In die Entwicklung und Umsetzung des Konzeptes waren auch die niedergelassenen Fachärzte sowie Vertreter der in der Steiermark neu etablierten Primärversorgungszentren miteingebunden. Die Umstellung wurde mit April dieses Jahres effektiv und hat bereits kurzfristig zu einer deutlichen Entspannung in der davor überlaufenen allgemeinen Ambulanz und den Spezialambulanzen der Klinik geführt. Die allgemeine Ambulanz der Klinik übernimmt nunmehr insbesondere die Betreuung von Patienten mit diagnostisch und therapeutisch herausfordernden Hauterkrankungen, aber auch solchen mit seltenen Erkrankungen, einschließlich Orphan Diseases, sofern die davon betroffenen Patienten nicht schon in anderen Spezialbereichen der Klinik versorgt werden. Parallel dazu erhalten blieb die 24-Stunden-Notfall-Ambulanz der Klinik.
Weitere Projekte, die höchste Priorität in der Planung haben, betreffen insbesondere die Entbürokratisierung. Ärzte tragen eine enorme administrative Last, sodass für die Patienten oft zu wenig Zeit bleibt. Hier wollen wir neue Wege gehen und das organisatorische Patientenmanagement von der ärztlichen Seite auf Patientenmanager übertragen. Die langfristige Vision ist die Etablierung einer eigenen Berufssparte, die zwischen Ärzten und dem Krankenpflegepersonal angesiedelt ist. Ähnlich den medizinischorganisatorischen Assistenten in den USA und Deutschland sollen diese Patientenmanager die administrative Aufnahme übernehmen und Medikamente erheben, Untersuchungspläne schreiben, welche nach definierten Kriterien von Ärzten vorgegeben werden, Fieberkurven vorschreiben und koordinieren, aber auch in der Leistungsdokumentation tätig sein. Ein solches Modell wurde beispielsweise an der Hautklinik in Innsbruck bereits erfolgreich von Professor Matthias Schmuth und seinen Mitarbeitern etabliert.

Bleiben die wissenschaftlichen Schwerpunkte in Graz unverändert oder sind Neuerungen in Planung?
P. Wolf: Die bisherigen wissenschaftlichen Schwerpunkte der Klinik wie Allergologie, Dermatopathologie, Dermatoonkologie, Photodermatologie und Telemedizin waren schon bisher sehr erfolgreich, die Verknüpfung mit translationaler Forschung soll künftig eine Dimension hinzufügen. Die diesbezüglichen Möglichkeiten sind hervorragend, unsere Klinik betreibt nicht nur Forschungslabors im eigenen Haus, im nahegelegenen ZMF (Zentrum für Medizinische Forschung), sondern zudem ermöglicht der neue Campus und Science Park (Zentrum für Wissens- und Technologietransfer) der Universität nach Übersiedlung der vorklinischen Institute schier unbegrenzte Möglichkeiten der Kooperation. Publikationen in allgemeinen hochrangigen naturwissenschaftlichen Zeitschriften unterstreichen, dass wir hier den richtigen Weg gehen. Durch die direkte Einbindung der Ärzte bleibt die Forschung patientennah und die Forschungsergebnisse kommen dem Patienten auf kurzem Wege direkt zugute, insbesondere im Sinne der zielgerichteten und personalisierten Medizin, bei der Verabreichung von neuen Medikamenten.
Auch sind wir daran, die Routinediagnostik der hauseigenen Labors (DermaLabs) zu adaptieren. So wurde bereits die Diagnostik im Bereich der gesamten STI und Mykologie auf molekulare Microarray- Chip-Technologie umgestellt, die wesentlich rascher Ergebnisse liefert. Zudem ist durch die Bündelung der durchgeführten Untersuchungen sogar eine deutliche Kostenreduktion möglich.
Ein Thema, das uns in Zukunft noch mehr als bisher beschäftigen wird, ist die Teledermatologie. Die Zusammenarbeit mit Google und eine kürzlich abgeschlossene Kooperationsvereinbarung der Forschungseinheit für Telemedizin unserer Klinik unter der Leitung des Klinikvorstandsstellvertreters Rainer Hofmann- Wellenhof deuten auf einen Quantensprung hin. Nicht aus dem Auge verlieren wollen wir dabei die Praxis, mit dem Ziel einer weiteren Stärkung der Zusammenarbeit mit dem niedergelassenen Bereich.

Bleibt die Forschung im klinischen Bereich auf der Strecke?
P. Wolf: Nein, ganz im Gegenteil: Alle Bereiche der Klinik sind bei zahlreichen durch die pharmazeutische Industrie gesponserten klinischen Studien, aber auch Investigator-initiierten Studien hochaktiv. Besonders stolz sind wir auf die führende Position unserer Klinik bei der jüngst in „JAMA Dermatology“ veröffentlichten Arbeit über die Ergebnisse der österreichweiten PUVA-Multicenter-Studie. PUVA verlängerte in dieser Studie das progressionsfreie Überleben von Patienten mit Mycosis fungoides nach Erhaltungstherapie mit einem speziellen „Lowdose“- Schema. Kooperation ist uns tatsächlich über alles wichtig. Unterstrichen wird das u. a. durch das gut etablierte österreichische Psoriasis-Register (PsoRA), an dem alle dermatologischen Kliniken und Abteilungen Österreichs sowie – wenn auch noch in einer Pilotphase – bereits einzelne niedergelassene Fachärzte teilnehmen.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? Kollegial, autoritär, motivierend …?
P. Wolf: Ich würde meinen Führungsstil als partizipativ beschreiben und, wie ich hoffe, auch motivierend. Ich bin gerne bereit, Vorschläge aufzunehmen, zu diskutieren und Dinge gemeinsam umzusetzen, und erhoffe mir, dass auch die Mitarbeiter an der Klinik das so sehen.

Können Sie alle für die Ausbildung erforderlichen Inhalte an der Klinik für Dermatologie der MUG lehren?
P. Wolf: Diese Frage kann ich ganz einfach mit Ja beantworten. Derzeit sind wir in der ausgezeichneten Lage, alles anbieten zu können, insbesondere auch im operativen Bereich, von großen plastischen Operationen bis zu Sentinellymphknotenentfernung und Venenoperationen.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit der plastischen Chirurgie und anderen Fächern?
P. Wolf: Die interdisziplinäre Vernetzung, der Wissensaustauch und die Zusammenarbeit ermöglichen das Vorankommen. Wir verfügen über eine sehr gute Beziehung zur plastischen Chirurgie, mit der wir seit vielen Jahren ein Laserzentrum an unserer Klinik betreiben. Weiters führen wir ein multidisziplinäres, wöchentlich tagendes Tumorboard, in dem wir uns mit den Spezialisten anderer Fächer austauschen. Mit der Rheumatologie streben wir die Etablierung einer Liaisonambulanz an, in der wir in Kürze gemeinsam erste Patienten betreuen wollen. In gutem Kontakt stehen wir auch mit der Augenklinik: Wir erwägen, Operationen im Augenbereich künftig gemeinsam durchzuführen. Eine weitere Vision ist der Weg in Richtung Comprehensive Allergy Center, mit dem Ziel der engen interdisziplinären Zusammenarbeit mit vielen anderen Fächern, einschließlich Pulmologie, Pädiatrie, HNO, Augenheilkunde und auch Nephrologie.

Was war die einschneidendste Veränderung, seit Sie Klinikvorstand sind?
P. Wolf: Ich muss jetzt eine halbe Stunde früher aufstehen, um als einer der Ersten an der Klinik zu sein, und meine Kollegen begegnen mir mindestens ebenso höflich wie zuvor. Nun aber Spaß beiseite, besondere Einschnitte hat es für mich tatsächlich nicht gegeben. Es war eine kontinuierliche Entwicklung.

Wir danken für das Gespräch!

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